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Reden übers Sterben

Von Katharina Schmidt

Politik

Auf Einladung der Bioethikkommission kamen europäische Experten nach Wien - Vorschläge an Politik bis Jahresende.


Wien. Der Vorsprung ist deutlich. Während sich die parlamentarische Enquete-Kommission zum Thema "Sterben in Würde" nach der Sommerpause erst konstituiert und einen ersten öffentlichen Termin am 7. November ausgelobt hat, ist man in der Bioethikkommission schon weiter. Kein Wunder, schließlich beschäftigt sich die im Kanzleramt angesiedelte Kommission unter der Leitung von Christiane Druml schon seit Jahren mit der Frage nach dem Lebensende. Ebenso wie die parlamentarische Enquete-Kommission hat die Bioethikkommission im Regierungsprogramm einen Auftrag erhalten, sich intensiver mit dem Thema Sterben auseinanderzusetzen - geht es nach Druml, soll die eigens eingerichtete Arbeitsgruppe bereits "gegen Jahresende" einen Rohbericht vorlegen können. Zu diesem Zweck lud man am Montag zu einer öffentlichen Sitzung der Bioethikkommission ausländische Experten ein - unter anderem den Palliativmediziner Gian Domenico Borasio, der in Lausanne lehrt, und die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Christiane Woopen.

Ziel sei es, Empfehlungen zu erarbeiten, welche Maßnahmen notwendig sind, um ein Sterben zu ermöglichen, "das wir uns alle wünschen", sagte der Leiter der Arbeitsgruppe, Andreas Valentin, in einem Hintergrundgespräch. Noch sei unklar, wie die Empfehlungen konkret aussehen werden, aber "es wird um die Frage gehen, was notwendig ist, und nicht darum, was verboten werden muss", so der Intensivmediziner. Wie die anderen Experten plädiert auch Valentin dafür, den Begriff "Sterbehilfe" überhaupt fallenzulassen.

Ärzte wüssten oft immer noch nicht, was sie dürfen und was nicht. So komme es immer noch viel zu oft dazu, dass Ärzte Patientenverfügungen missachten, wenn sie zum Tod führen - aus Angst davor, "zum Mörder zu werden", wie es Druml formuliert. Und Valentin berichtet von hochbetagten Menschen, die in Pflegeheimen reanimiert werden, um dann auf die Intensivstation gebracht zu werden, wo ein erfahrener Arzt erst den Tod zulässt.

Gegen Verankerungin der Verfassung

Valentin hält auch aus diesem Grund die von der ÖVP geforderte Verankerung des Verbots der Tötung auf Verlangen in der Verfassung für nicht zielführend: "Wenn es konkret formuliert ist, dann ist eine Verankerung in der Verfassung unnötig, weil es ohnehin schon im Strafgesetz geregelt ist. Wird es aber schwammig formuliert, dann birgt es die Gefahr der Übertherapie."

Viel weiter in der konkreten Debatte ist man in Deutschland. Dort geht es um die Frage nach einer Reglementierung für die Beihilfe zum Suizid. Diese ist zwar in Deutschland - anders als in Österreich - nicht strafbar, allerdings war es bisher Ärzten und Verwandten durch berufsrechtliche Vorgaben und die sogenannte Garantenstellung unmöglich, beim Suizid zu assistieren. Was wiederum einen idealen Nährboden für kommerzielle Sterbehilfeorganisationen wie Dignitas darstellt. Mittlerweile ist die Assistenz zum Suizid laut Woopen durch höchstgerichtliche Urteile auch für Verwandte und Ärzte freigegeben - es wird aber darüber debattiert, dies gesetzlich zu beschränken. Borasio hat mit anderen Experten einen Gesetzesvorschlag entwickelt, mit dem der assistierte Suizid verboten werden soll - jedoch mit genau definierten Ausnahmen. Angehörigen soll die Beihilfe erlaubt werden, sofern sie diese einem freiverantwortlich handelnden Volljährigen leisten, ebenso sollen Ärzte nach intensiver Untersuchung, Aufklärung des Patienten, Kontrolle durch einen weiteren Arzt und einer gewissen Wartezeit ebenfalls bei der Selbsttötung assistieren können. "Der beste Schutz vor der Tötung auf Verlangen ist eine streng reglementierte Freigabe des assistierten Suizids", sagt Borasio. Dies würde auch durch Zahlen deutlich: Während in den Ländern, in denen Tötung auf Verlangen erlaubt ist, die Fallzahlen in die Höhe geschnellt sind, ist die Inanspruchnahme des assistieren Suizids gleichbleibend gering. Borasio führt hier den US-Bundesstaat Oregon an, in dem die Beihilfe zur Selbsttötung stark reglementiert ist. In der Schweiz, wo es weniger Regeln gibt, steigen die Zahlen indes.

Debatte über Suizidbeihilfe auch in Österreich?

Dort ist auch die Beihilfe zum Suizid für "lebenssatte" Ältere erlaubt. Für Borasio kommt das nicht in Frage - schließlich steige dadurch der Druck auf die ältere Generation. Woopen kann sich dies sehr wohl vorstellen. Für sie geht es um die Frage danach, wie weit der Staat bis ans Sterbebett herankommen darf.

Auch in Österreich ist diese Frage unter Experten umstritten. Das Thema Freigabe des assistierten Suizids flammt zwar immer wieder kurz auf, wird aber meist im Keim erstickt. "Wir müssen über alles reden", sagte Druml. 

Buchtipp

Das neue Buch von Gian Domenico Borasio "Selbstbestimmt sterben. Was es bedeutet. Was uns daran hindert. Wie wir es erreichen können" erscheint dieser Tage im C.H. Beck Verlag (206 Seiten, 18,50 Euro).