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Russland-Gerüchte um die OMV

Von Reinhard Göweil und Simon Rosner

Politik

Abberufung von Roiss wackelt rechtlich, Gerüchte um russische Interessenten.


Wien. Der Börsenkurs der OMV der vergangenen drei Monate erinnert ein wenig an den Querschnitt der Hahnenkammabfahrt. Seit dem Sommer, als die Querelen innerhalb des Vorstandes offenkundig wurden, gab die Aktie um fast ein Drittel nach. Als in der Vorwoche durchsickerte, dass Vorstandschef Gerhard Roiss und der fürs Gasgeschäft zuständige Hans-Peter Floren gehen sollen, ging es mit der Aktie noch einmal deutlich bergab. Womit die Gemeinsamkeiten mit der Streif ein Ende haben: In Kitzbühel ist die Talsohle klar definiert, an der Börse bekanntlich nicht.

Die Sitzung des OMV-Aufsichtsrats am Dienstag soll Klarheit schaffen und ein wenig Ruhe in den Mineralölkonzern bringen. Es schaut aber nicht danach aus. Die Ablöse von Gerhard Roiss wird vor allem von der staatlichen ÖIAG betrieben, also Rudolf Kemler und dessen Aufsichtsratschef Siegfried Wolf. Der Syndikatspartner der ÖIAG bei der OMV, die Abu Dhabis mit der Investmentgesellschaft IPIC, haben nur klargestellt, dass sie eine saubere Lösung wünschen. Eine aktive Rolle im Aufsichtsrat spielen sie nicht, ist zu hören.

Nur: Der ÖIAG-Aufsichtsrat kann dem OMV-Aufsichtsrat aktienrechtlich keine Aufträge erteilen. Wenn Kemler also heute den Antrag auf vorzeitige Ablöse von Roiss stellt, wovon auszugehen ist, muss er dies sorgsam begründen. Ein schweres Zerwürfnis innerhalb des Vorstandes der OMV wäre so eine Begründung. Dann müsste Roiss freilich gleich gehen. Allerdings soll er nach den derzeitigen Plänen erst Mitte 2015 ausscheiden. "Das ist rechtlich kaum zu argumentieren, außer Roiss geht freiwillig. Da ihm sein Abgang aber über die Medien ausgerichtet wurde, ist diese Freiwilligkeit unglaubwürdig", sagte ein Wirtschafts-Anwalt unter Zusicherung der Anonymität.

Russische Gerüchte

Sollte Roiss sofort abberufen werden, würde wohl der jetzige Finanzvorstand David Davies interimistisch die Geschicke der OMV leiten. Als künftiger Finanzvorstand wurde am Montag Thomas Winkler genannt. Der Telekom-Manager sitzt im (sich selbst erneuernden) Aufsichtsrat der ÖIAG mit beruflichen Verbindungen nach Russland. Wie auch ÖIAG-Aufsichtsratschef Siegfried Wolf, der am Firmen-Imperiums von Oleg Deripaska beteiligt ist, eines russischen Oligarchen.

Und dazu passt ein Gerücht, dass am Montag unter Investmentbankern die Runde machte: Um die OMV aus der misslichen Lage im Gas-Geschäft zu befreien, sollen russische Investoren an einem Einstieg bei der OMV interessiert sein. Die OMV sucht unter anderem im Schwarzen Meer nach Gas, was in Russland durchaus skeptisch betrachtet wird.

Für jeden Investor ist die OMV wegen der herrschenden Streitereien ein attraktives Objekt, der Unternehmenswert ist seit 2013 von 11,4 auf 8 Milliarden Euro gefallen.

Das könnte sich bald ändern, denn Abu Dhabi hat - in der gemeinsamen Petrochemie-Tochter Borealis - in den Emiraten eine große Operation aufgezogen. Vom dort zu Verfügung stehenden billigen Erdgas würde auch die OMV profitieren. Abu Dhabi will daher Borealis weitgehend übernehmen.

Dagegen hat sich Roiss stets gewehrt. In der Aufsichtsratssitzung stehen daher auch strategische Angelegenheiten auf dem Tagesprogramm - eigentlich -, doch wird um diesen Punkt wohl noch debattiert werden. Aus Aufsichtsratskreisen ist Unmut darüber zu vernehmen, dass womöglich strategische Entscheidungen getroffen werden, noch ehe ein neuer Vorstand bestellt ist.

Niedriger Ölpreis

Strategische Entscheidungen sind jedenfalls seit der Neuausrichtung der OMV vor drei Jahren nötig. Da das Tankstellen- und Raffinerie-Geschäft zusehends an Bedeutung verloren hat, setzte die OMV 2011 auf die Erschließung und Förderung neuer Ölfelder. Entsprechend wichtig ist diese Sparte nun - aber sie ist auch mit einem höheren unternehmerischen Risiko behaftet. Nicht immer sind Entwicklungsprojekte so erfolgreich wie erwartet, zudem stellt der derzeit niedrige Ölpreis ein Problem für die OMV dar.

Da man 2011 mit der strategischen Neuausrichtung relativ spät dran war, drückt der seit Juli kontinuierlich sinkende Ölpreis die Margen. Zwar wird allgemein erwartet, dass das nur eine vorübergehende Entwicklung ist, doch die Realität hält sich eben nicht immer an Erwartungen. Umso wichtiger wird für die OMV daher sein, die Explorationsgeschäfte sehr genau zu prüfen und darauf zu achten, dass es keine Kostenüberschreitungen und Zeitverzögerungen gibt. Bis es mit dem Ölpreis wieder bergauf geht, könnte nämlich noch dauern. Denn es ist vor allem die Eintrübung der Konjunktur in Europa, die dämpfend auf den Preis wirkt, und besonders fröhlich sehen die Prognosen für das kommende Jahr nicht aus.

Billiges Gas

Nur ein kleiner Trost für die OMV ist, dass der Ölpreis an die Preise für das russische Gas gekoppelt sind. Dieses bezieht die OMV dank langfristiger Verträge von der Gazprom, war damit zuletzt aber kaum noch wettbewerbsfähig. Vor allem durch das günstige Schiefergas in den Vereinigten Staaten sind die Marktpreise stark gesunken, weshalb die OMV mit ihrem Gasgeschäft derzeit ein Minus schreibt. Allerdings spielt es mittlerweile im gesamten Konzern eine eher untergeordnete Rolle. Und es soll noch weiter an Bedeutung verlieren, wie offenbar aus einem Papier der Unternehmensberater McKinsey hervorgeht.

Die Marktlage für das OMV-Gas kann sich natürlich auch wieder verändern. Ursprünglich sollte ja auch der Handel mit CO2-Zertifikaten dazu führen, dass Kohlekraftwerke bei der Energieerzeugung eine finanzielle Benachteiligung erfahren, allerdings erweist sich das System als nicht tauglich. Durch den Preisverfall der Zertifikate feiert Kohle entgegen den Erwartungen ein Comeback als Energielieferant, was den klimapolitischen Zielen Europas entgegensteht.

Finanzminister ist sauer

"Ich habe es nicht gerne, wenn durch solche Vorgangsweisen ein Wertverlust entsteht", sagte Schelling. Der Staat hält über die ÖIAG 31,5 Prozent an der OMV, hat allerdings seit der Reform der Staatsholding unter der schwarz-blauen Regierung kaum noch Einfluss. Ein neues Gesetz soll dies wieder ändern, und zwar möglichst bald, noch im ersten Quartal 2015. Nicht nur der Aufsichtsrat, auch der ÖIAG-Vorstand soll dabei unter die Räder kommen.

Bei der heutigen Sitzung wird es wesentlich auf die Belegschaftsvertreter ankommen. Die sind zwar sauer auf Roiss, weil er nicht gerade als Gewerkschaftsfreund gilt, doch der aktuelle Zwist hat mittlerweile volkswirtschaftliche Auswirkungen. Wenn die Betriebsräte der OMV nicht für die Roiss-Ablöse stimmen, wackelt die Mehrheit im Aufsichtsrat. Und der ÖGB ist auf die ÖIAG noch mehr sauer als auf Roiss.