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Englisch für Anfänger

Von Eva Stanzl

Wissen
Lingua franca der Universitäten: Wenn alles auf Englisch stattfindet, fallen Sprachbarrieren für internationale Forscher.
© TU Graz/Lunghammer.

Die Technische Universität Graz stellt ihre Master-Studien auf Englisch um. Vizerektor Horst Bischof erklärt, was das bedeutet.


Boston/Graz/Wien. Im Wettbewerb um die besten Forscher aus aller Welt hat sich die Technische Universität (TU) Graz ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Im Rahmen einer Internationalisierungsstrategie stellt sie sukzessive ihre Master-Studien auf Englisch um. Seit diesem Semester werden Vorlesungen und Seminare in englischer Sprache abgehalten und müssen schriftliche Arbeiten darin verfasst werden. Damit ist die TU Graz im deutschsprachigen Raum nicht alleine: Die ETH Zürich hat mit der Umstellung auf Englisch schon vor acht und die TU München vor fünf Jahren begonnen. Was dazu alles gehört, erklärte Horst Bischof, Vizerektor für Forschung der TU Graz, der "Wiener Zeitung" jüngst am Rande des "Austrian Research and Innovation Day" in Boston.

"Wiener Zeitung":Um für internationale Forscher attraktiver zu sein, lässt die TU Graz Sprachbarrieren fallen und stellt Ihre Studien auf Englisch um. Was müssen Sie dazu alles unternehmen?Horst Bischof:Als wir vor drei Jahren das neue Rektorat starteten, haben wir uns die Internationalisierung als strategisches Projekt auf die Fahnen geheftet. Der wahrscheinlich größte Teil davon ist die Umstellung der Studien auf Englisch. In den Doktoratsstudien ist dies bereits vollbracht, nun folgen die Masterstudien. Angefangen haben wir dieses Semester mit Informatik, Pharmazeutischen Wissenschaften, Chemie und Management. Das Ziel ist, mehr internationale Studierende nach Graz zu holen, denn wir fürchten, angesichts der Demografie irgendwann nicht genug eigenen Nachwuchs zu haben, um den Bedarf an Diplom-Ingenieuren zu decken. Als Einzugsgebiet stellen wir uns insbesondere Südosteuropa vor. Die Umstellung ermöglicht auch eine andere Berufungspolitik: Wenn Professoren nicht notwendigerweise Deutsch sprechen müssen, können wir unsere Berufungspolitik anpassen. Denn dann ist der Teich, in dem wir fischen, viel größer, und dadurch steigt auch die Qualität. Im Fach Informatik kommt schon jetzt die Hälfte der Bewerber aus dem angelsächsischen Raum.

Sie besuchten den "Austrian Research and Innovation Day" in Boston, um für Ihre Uni zu werben und österreichische Forscher in den USA für eine Rückkehr zu interessieren. Wie waren die Reaktionen: Will jemand nach Graz kommen?

Wir haben derzeit keine Stellen ausgeschrieben, die auf das Profil jener Österreicher in den USA passen, die wir kennen. Wir sind hier, um zu netzwerken und zu erfahren, wer auf dem Markt ist. Nur so können wir Forscher gezielt anschreiben, wenn Stellen frei werden. In der Vergangenheit haben wir ausgeschrieben, ohne uns zu informieren, was der Markt hergibt. Oft kamen Bewerbungen, die nicht der Qualität entsprachen. Dann wurde ein zweites Mal ausgeschrieben und wir bekamen wieder niemanden. Jetzt machen wir es wie die US-Universitäten und betreiben mehr Headhunting.

Welche Hürden stellen sich für eine Uni noch, wenn sie die Studiensprache verändert?

Es ist sehr viel mehr, als dass Professoren nur ihre Vorlesungen auf Englisch halten. Der größere Teil der Arbeit sind Formulare auf Englisch und Schulungen für das Verwaltungspersonal, das die Sprache können muss. Auch die Betreuer unserer Werkstätten müssen ein Mindestmaß Englisch sprechen. Sekretärinnen bekommen Kurse und haben die Möglichkeit, eine Zeit lang an amerikanischen Unis mitzuarbeiten, um ein Verständnis für Internationalität zu gewinnen. Denn die Umstellung hat keinen Sinn, wenn das Verwaltungspersonal nicht mitmachen will oder sagt: Das macht uns mehr Arbeit als vorher.

Wir müssen alle Leute mitnehmen und überzeugen. In jeder Senatssitzung haben wir mindestens eine halbe Stunde lang unser Internationalisierungsprojekt erklärt. Trotzdem gibt es immer noch Professoren, die dagegen sind. Jene, die partout nicht wollen, müssen nun primär Bachelor-Studien unterrichten, die in Deutsch bleiben. Das motiviert wiederum - das Ganze ist ein Motivationsprozess, zwingen kann und darf man da niemanden.

Reden dann alle an der TU Graz wie Arnold Schwarzenegger?

Wir geben uns nicht der Illusion hin, dass alle Oxford-Englisch sprechen werden: Die Sprache der Wissenschaft ist ja nicht Englisch, sondern schlechtes Englisch. Das gesamte Projekt ist zudem auf zehn Jahre angesetzt und nicht von heute auf morgen. Bei Fakultätssitzungen zeichnet sich aber schon jetzt ein interessantes Phänomen ab: Sie dauern auf einmal nur halb so lange, weil jeder nur das sagt, was wirklich wichtig ist.

Wie viel Ihrer Professoren stemmen sich gegen das Projekt?

Unter den Lehrenden ab dem Alter von 60 sprechen viele sehr schlecht Englisch und tun sich schwer, aber das ist auch eine Frage der Zeit. Mittlerweilestammen 40 Prozent unserer Professoren aus anderen Ländern. Allerdings sind viele aus Deutschland und wir wünschen uns mehr Durchmischung: je mehr Wettbewerb, desto höher die Chancen auf Qualität. Derzeit absolviert ein Drittel unserer Studierenden ein Semester im Ausland, wir wollen diese Zahl auf mindestens zwei Drittel heben. Zudem schreiben wir den Fakultäten vor, dass sie jährlich mindestens fünf bis sechs Gastprofessoren holen müssen und dass eine gewisse Anzahl an Professoren ins Ausland gehen muss, um zu forschen. Weiters suchen wir zehn Unis für strategische Partnerschaften, etwa die TUs München oder Sankt Petersburg, die ETH Zürich und die NTU in Singapur.

Wie viel kostet das Internationalisierungsprojekt?

Wir sind die erste Uni Österreichs, die das so flächendeckend angeht. In der vergangenen Leistungsvereinbarungen haben wir vom Ministerium fünf Millionen Euro dafür bekommen und den neuen Leistungsvereinbarungen müssen wir dieses Volumen noch einmal investieren.

Zur Person

Horst Bischof

(47) ist Vizerektor für Forschung und Professor für Maschinelles Sehen an der Technischen Universität (TU) Graz. Er studierte Computerwissenschaften an der TU Wien und an den Universitäten Bochum und Ljubljana.