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Auf dem Nullpunkt

Von Simon Rosner

Politik

Die Wirtschaft ist im dritten Quartal nicht mehr gewachsen, obwohl viele Gegenmaßnahmen getroffen wurden. | Es bleibt nur eine Hoffnung: die Steuerreform. Doch die ist längst zum Gordischen Knoten geworden.


Wien. Es ist ja nicht so, dass nicht geschraubt werden würde. Die Arbeiter schrauben an den Maschinen, die Politiker an Maßnahmen zur Konjunkturbelebung und die Ökonomen an ihren Wirtschaftsprognosen. Diese jedoch werden ständig weiter nach unten geschraubt, seit Monaten wird über die zunehmende Eintrübung der Konjunktur berichtet, nun ist es gänzlich finster geworden. Laut Wirtschaftsforschungsinsitut (Wifo) ist Österreichs Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal gegenüber dem Vorjahr nicht mehr gewachsen, das Nullwachstum ist erreicht.

Es bleiben jedoch nicht mehr viele Möglichkeiten, um gegenzusteuern. Was geht, wurde oder wird gemacht, zum Beispiel im Außenhandel. Eben erst war eine hochrangige Delegation mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner an der Spitze in China, die Internationalisierungsoffensive "Go International" wurde um 2,5 Millionen Euro erhöht. Wie Walter Koren, Chef der Außenwirtschaft Austria erzählt, werden bereits mit der Hälfte aller Messeauftritte Märkte in Übersee angesprochen. "Hier gibt es das größte Potenzial", sagt Koren. Allein, auch in den Schwellenländern sind die Zeiten des Hyperwachstums vorbei. "Die Brics-Story ist vorüber", sagt Marcus Scheiblecker vom Wifo. In der Außenhandelsbilanz Österreichs gibt es bei diesen Ländern ein klares Minus.

In den USA geht’s aufwärts

Eine Chance sind die USA, denn dorthin ist das Wirtschaftswachstum zurückgekehrt. Im dritten Quartal gab es ein sattes Plus von 3,5 Prozent. Aufgrund ihrer föderalen Struktur sind die USA allerdings ein sehr schwieriger Markt, oder eigentlich: viele schwierige Märkte.

Wie bei den Exporten meldet das Wifo auch bei den Bruttoanlageninvestitionen ein Minus im dritten Quartal (-1,1 Prozent). Und das, obwohl die Zinsen niedrig und die Kredite daher günstig sind. "Mehr kann man eigentlich nicht mehr tun", sagt Scheiblecker. Es ist hier vor allem die pessimistische Erwartung der Unternehmen, die bremst. Wenn diese nämlich annehmen, dass sie eher weniger als mehr Produkte verkaufen werden, investieren sie nicht in neue Maschinen, die dann - im Idealfall - von neuen Beschäftigten bedient werden.

Die Regierung fördert zwar Investitionen, allerdings sind die Anreize eher klein und wirklich nachhaltige Stimuli sind in der gegenwärtigen budgetären Lage einfach nicht leistbar. Bei ihrer Klausur hat sich die Regierung auf eine Reihe von Maßnahmen zur Entbürokratisierung geeinigt, ob die dadurch lukrierten Einsparungen für die Unternehmen in Investitionen fließen, ist freilich eine andere Frage.

Banken mit Nachfrageproblem

Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl hat am Donnerstag zum wiederholten Mal neue Finanzierungsformen wie Crowdfunding eingemahnt, doch am entsprechenden Gesetz wird erst gebastelt, es soll im ersten Halbjahr 2015 stehen. "Das Risikokapital ist ein Problem", sagt Scheiblecker. In diesem Fall könnten tatsächlich neue Finanzierungsformen helfen. Doch die Banken haben aufgrund der schlechten Konjunktur in erster Linie ein Nachfrageproblem bei den Krediten.

Wenig Positives gibt es auch vom Bauwesen zu vermelden, hier meldet das Wifo im dritten Quartal ein Minus von 0,9 Prozent im Vergleich zum zweiten Quartal, wo es auch schon nach unten ging. Und das im Sommer. Auch hier ist mehr oder weniger alles getan, was getan werden konnte. Im Vorjahr wurde ein Konjunkturpaket beschlossen, das vor allem in diesem und dem nächsten Jahr wirken soll, im Rahmen der Regierungsklausur wurden nun auch 300 Millionen Euro zum Ausbau des Breitbandes von 2017 auf 2016 vorgezogen, wobei Förderzusagen bereits im kommenden Jahr geleistet werden und deshalb auch schon gebaut werden kann.

Ganz leicht im Plus befindet sich der private Konsum (0,2), der aber insgesamt seit Ausbruch der Krise ein echtes Sorgenkind ist. Auch hier sollte die Niedrigzinspolitik wirken - eigentlich. Denn Sparen macht gegenwärtig wenig Sinn, dafür wären Konsumkredite günstig. "Das Umfeld für einen Konsumboom wäre da", sagt Ökonom Scheiblecker. Wäre da nicht die Entwicklung der Löhne und der kalten Progression.

Insofern ist die Steuerreform so etwas wie die letzte Hoffnung in Sachen Aufschwung. Am Donnerstag präsentierte der ÖGB die Ergebnisse der Petition für eine Reform, die von 882.184 Menschen unterschrieben wurde. Für ÖGB-Chef Erich Foglar hat die Entlastung der Arbeitnehmer eine höhere Wichtigkeit als die Erreichung des strukturellen Defizits. Ob dieses ein oder zwei Jahre früher oder später erreicht werde, sei nicht entscheidend, sagt er. Seiner Meinung nach könne es auch gar nicht erreicht werden, wenn die Wirtschaft schrumpfe. "Es ist höchste Zeit für eine Reform", sagt Foglar.

Große Reform

Bleibt den Arbeitnehmern mehr in der Börse - so die Erwartung -, steigert das den Konsum. Wirklich signifikant wirkt das allerdings nach Ansicht von Ökonomen nur bei unteren Einkommensschichten, wo jede Ersparnis sofort in den Konsum wandert. Doch die Steuerreform ist größer angelegt, sie soll alle entlasten, weshalb das Volumen bei mindestens fünf Milliarden Euro liegen soll. Vorerst gibt es allerdings nur eine Einigung auf das Volumen und Adressaten dieser Entlastungen: Es sollen alle Beschäftigten profitieren. Die Finanzierung dieser Steuerreform steht freilich in den Sternen. Und das ist das Kernproblem: je größer die Reform, desto schwieriger die Einigung. Je länger die Umsetzung dauert, desto weniger wird sich der private Konsum verbessern.

Es sei denn, die Wirtschaft springt anderswo an, besonders im Hauptexportland Deutschland. Dann würde sich der Außenhandel erholen, die Unternehmen wären investitionsfreudiger, könnten ihren Mitarbeitern bessere Löhne zahlen und der Staat hätte mehr Ressourcen für eine Steuerreform. Die Ökonomen rechnen aber eher mit einem dauerhaft niedrigen Wachstum, das Idealszenario ist also unwahrscheinlich. Und das ist das Besorgniserregende: Bis auf die Steuerreform hat die Politik schon mehr oder wenige alle Atouts ausgespielt.