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"Es geht hier nicht um Science Fiction"

Von Brigitte Pechar

Politik

Die Vorsitzende der Bioethikkommission Christiane Druml ist mit dem Vorschlag zur Reform des Fortpflanzungsmedizingesetzes grundsätzlich zufrieden, hätte sich aber mehr Zeit für öffentliche Debatten darüber gewünscht.


Wien. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) und Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) haben sich auf die Reform des seit 1992 gültigen Fortpflanzungsmedizingesetzes geeinigt und einen Gesetzesvorschlag in Begutachtung geschickt. Darin wird die Samenspende Dritter und eine Eizellenspende erlaubt. Somit können auch lesbische Paare ihren Kinderwunsch erfüllen. Außerdem ist in drei Fällen Präimplantationsdiagnostik - bisher generell verboten - erlaubt. Leihmutterschaft bleibt weiterhin verboten. Auch alleinstehende Frauen dürfen weiterhin keine künstliche Befruchtung haben. Verboten bleibt weiters die Weiterverwendung befruchteter Eizellen (Embryonen).

Die Bioethikkommission hat zu dem Komplex der Fortpflanzungsmedizin bereits im Jahr 2012 Empfehlungen ausgearbeitet und dem Verfassungsgerichtshof dazu eine Stellungnahme abgegeben.

"Wiener Zeitung":Wie schätzen Sie den Gesetzesentwurf grundsätzlich ein?Christiane Druml:Generell muss ich sagen, dass ich zufrieden bin, dass die Bioethikkommission mit der Empfehlung, die sie 2012 abgegeben hat, sehr stark berücksichtigt wurde in diesem Entwurf. In den Erläuterungen wird ja
darauf verwiesen. Das zeigt, dass unsere Expertise ernst genommen wird. Dass es so spät zu einem
Gesetz kommt - ab 1. Jänner hätte ja ohnehin eine gewisse Liberalisierung stattfinden müssen - ist schade, weil das ein Thema ist,
wo sicher mehr öffentliche Diskussion notwendig wäre. Es ist ein gesellschaftlich so wichtiges Thema, dass dem mehr Zeit gewidmet
hätte werden sollen. Aber das hat wahrscheinlich innerkoalitionäre Gründe. Nichtsdestotrotz finde
ich es wichtig, dass es zu einer
Reform kommt - immerhin ist
das Fortpflanzungsmedizingesetz 1992 gemacht worden. Seither hat sich gesellschaftlich, medizinisch, technisch einiges verändert.

Die Liberalisierung, die ohnehin hätte kommen müssen - wie Sie das angesprochen haben -, bezieht sich auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs?

Einerseits darauf, aber der VfGH hat uns ja damals nur auf den Anwendungsbereich in Bezug auf verschiedengeschlechtliche Paare versus gleichgeschlechtliche Paare gefragt. Aber es gibt im ganzen Gesetzesentwurf viele andere Punkte, die wir diskutiert haben. So etwa die Präimplantationsdiagnostik, die Eizellspende und so weiter - was über die Stellungnahme an den Verfassungsgerichtshof hinausgeht.

Kommen wir zur Eizellenspende. Diese unterscheidet sich ja ganz erheblich von einer Samenspende. Die Samenspende ist leicht zu generieren, für eine Eizellenspende braucht es eine hormonelle Stimulation und dann einen Eingriff, um die Eizellen zu entnehmen. Junge Frauen würden damit gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt, lautet etwa eine Kritik.

Einerseits muss man sehen, dass ein Verbot der Eizellspende eine sachlich schwer zu begründende Ungleichbehandlung gegenüber der Samenspende bedeutet. Es geht ja hier nicht um Eizellspenden aus Lifestyle-Gründen, sondern für Frauen, denen es ihre ovarielle Insuffizienz verhindert, ihren Kinderwunsch zu erfüllen, und die nicht älter als 45 Jahre sein dürfen. Auch da sind verschiedene Hürden, um eine zu freizügige Anwendung zu verhindern, vorgesehen. Das heißt, sie darf nicht kommerziell genutzt werden; sie muss altruistisch durchgeführt werden; und es kommen nur Frauen, die jung genug sind, noch qualitativ hochwertige Eizellen zu haben - also unter 30 Jahren - infrage. Man kann das also nicht so sehen, dass irgendwelche armen Frauen ihre Körper in Gefahr bringen, weil sie die Spende als Mittel zum Geldverdienen sehen.

Also nichts, um Geld zu verdienen?

Nein. Und es wird kein Arzt einen solchen Eingriff bei einer Frau durchführen, die nicht geeignet ist und dadurch gefährdet wird. Und natürlich muss man auch sehen, dass die Medikamente zur Stimulierung der Eizellproduktion verträglicher werden. Da ändert sich ja sehr vieles.

Geschäftemacherei ist also weitgehend ausgeschlossen?

Das muss man eben im Gesetz so darstellen, dass kein Kontakt zwischen Spender und Empfänger gegeben ist, um eben einer Geschäftemacherei vorzubeugen.

Ist es also nicht möglich, dass eine Frau, die selbst keine Kinder bekommen kann, eine Freundin bittet, ihr eine Eizelle zu spenden?

Ich glaube nicht, dass das möglich sein wird, kenne aber noch nicht alle Details.

Aber es darf kein Kontakt zwischen Eizellen-/Samenspender und Empfängerin geben?

Die Bioethikkommission hat empfohlen, dass die Kinder später die Möglichkeit haben, darüber informiert zu werden, wer die Eizellspenderin war. Damit nicht das Problem der unbekannten Herkunft gegeben ist. Wir haben damals einerseits gewünscht, dass es aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes eine Gleichbehandlung von Samenspende und Eizellspende gibt. Wir waren in der Ethikkommission mit großer Mehrheit dafür, dass die Eizellspende nur bei ovarieller Insuffizienz infrage kommt; dass es eine Altersbegrenzung gibt; und dass das bestehende Gewinnverbot für Gewebespenden auch für die Eizellspende gelten soll. Damit eben keine Geschäftemacherei passieren kann, es dürfen also keine wirtschaftlichen und sozialen Zwänge gegeben sein. All dem kommt der Gesetzesentwurf nach.

Wenn man eine Eizelle spendet, bekommt man dafür gar kein Geld?

Eine Aufwandsentschädigung oder eine Kompensation des Verdienstentganges muss es schon geben - auch ein Nierenspender muss für eine Organtransplantation nicht selbst die Kosten tragen. Aber es soll damit auch kein Gewinn verbunden sein.

Gibt es Langzeitfolgen für Kinder, die durch In-vitro-Fertilisation gezeugt wurden?

Wir haben damals für die Stellungnahme an den VfGH Studien angeschaut und haben keine Nachteile gesehen.

Die Bioethikkommission hat empfohlen, Samenspender oder Eizellenspenderinnen den Kindern bekannt zu geben.

Ja, deshalb müssen die Krankenhäuser das auch genau dokumentieren. Da gibt es ja in Österreich langjährige Erfahrung und eine sehr gute Regelung bezüglich der Samenspenderdokumentation, das kann man für die Eizellspenderinnen so übernehmen. In anderen Ländern, wo das nicht so gehandhabt wird, gibt es darüber heftige Debatten.

Wie man den Kindern das beibringt, ist eine andere Geschichte.

Ja, das ist die Frage, wie Eltern das handhaben. Bei uns haben die Kinder ab einem gewissen Alter ein Recht zu erfahren, wer ihr biologischer Vater - später auch ihre biologische Mutter - war. In anderen Ländern gibt es sogar eine Verpflichtung, die Kinder darüber zu informieren. Das sind Dinge, die man in einer Gesellschaft diskutieren muss. Das haben wir jetzt leider nicht getan.

Der Entwurf geht über die Empfehlungen des VfGH hinaus. Reicht der vorliegende Entwurf dennoch aus, hätte man nicht viel weiter gehen müssen?

Die Empfehlungen der Bioethikkommission vor zwei Jahren gehen viel weiter als der nunmehrige Gesetzesentwurf. Wir haben eine Liberalisierung auch für alleinstehende Frauen empfohlen, das wird jetzt abgelehnt wegen der Gefahr der Leihmutterschaft. Wir haben auch empfohlen, dass die übrig gebliebenen Embryonen - also jene, die für den Kinderwunsch eines Paares nicht mehr verwendet werden -, nicht zwingend vernichtet werden, sondern, dass sie für hochwertige Forschungsprojekte eingesetzt werden können. Wir haben auch zu Präimplantationsdiagnostik für Savior Siblings - also Geschwisterkinder als Spender von Zellen oder Gewebe - als Einzelfallentscheidung geraten, wenn es eben keine andere Form der Lebensrettung gibt. Dann haben wir auch weitere Studien über die Möglichkeit eine Embryonenspende empfohlen, die jetzt im Gesetzesentwurf überhaupt nicht angesprochen wird. In Deutschland ist das zum Beispiel möglich. Da hätte man durchaus überlegen können, das zu erlauben.

Wird Präimplantationsdiagnostik, die weiterhin nur in einigen spezifischen Fällen erlaubt werden soll, nicht ohnehin schon praktiziert?

Nein, Präimplantationsdiagnostik ist noch verboten. Aber
jeder Reproduktionsmediziner schaut mit blankem Auge die befruchteten Eizellen an und wird diejenigen, die sich in der Petrischale nicht so entwickeln, wie es sein soll, gar nicht verwenden. Es ist ab 1. 1. 2015 die Präimplantationsdiagnostik in drei spezifischen Fällen möglich, geht aber auch nicht so weit, wie wir es empfohlen haben. Diese soll nur zulässig sein, wenn nach zwei oder drei Anwendungen keine Schwangerschaft herbeigeführt werden kann; wenn zumindest drei ärztlich nachgewiesene Schwangerschaften mit einer Fehl- oder Totgeburt spontan enden; und wenn aufgrund einer genetischen Disposition eines Elternteils die Gefahr besteht, dass es zu einer Fehl- oder Totgeburt oder zu einer Erbkrankheit des Kindes kommt.

Die Menschen haben diffuse Ängste im Zusammenhang mit Reproduktionsmedizin. Da schwingt die Angst vorm Klonen, vor der Nutzung des Menschen als Ersatzteillager oder vor Designerbabys mit.

Mit Klonen hat das nichts zu tun. Das sind Science-Fiction-Szenarien. Hier geht es nicht um Designerbabys - ein Begriff, den ich ablehne -, sondern um die Erfüllung eines Kinderwunsches von Paaren, die leiden, weil sie keine Kinder bekommen können. Um die Ermöglichung einer Medizin, die überall in Europa Anwendung findet, nur bei uns nicht. Wir haben jetzt immer noch diesen Werteunterschied, dass man einen Schwangerschaftsabbruch fast bis zum Tag der Entbindung durchführen kann, wenn eine medizinische Indikation vorliegt, aber
keine Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf. Es werden Embryos ohne Präimplantationsdignostik verpflanzt und dann als Föten, wenn sie behindert sind, abgetrieben. Das ist ein Wertewiderspruch.

Wie sinnvoll wäre ein Monitoring von Kindern, die durch Reproduktionsmedizin gezeugt wurden?

Ich glaube schon, dass Datenerfassung wichtig ist. Ich bin zu sehr der Wissenschaft verpflichtet, um das nicht gutzuheißen. Und vor allem kann man damit auch die Gegner beruhigen und zeigen, dass die Kinder eine gleich gute Entwicklung haben wie andere auch. Immerhin ist es schon eine Weile her, dass Louise Joy Brown geboren wurde. (Brown war das erste Retortenbaby und wurde 1978 in Oldham bei Manchester geboren, Anm.) Dagegen ist gar nichts zu sagen - das wäre sogar wichtig.

Zur Person

Christiane Druml

(geboren 1955) ist Juristin und Bioethikerin.
Seit 2007 ist sie Vorsitzende der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt. Seit Oktober 2011 ist sie außerdem Vizerektorin für Klinische Angelegenheiten der Medizinischen Universität Wien.