Wien. "Wäre morgen der Parteitag, würde Faymann nur 60 Prozent bekommen", zitierte der "Kurier" einen basiskundigen SPÖ-Funktionär. Das war im Juli dieses Jahres. Seither haben für SPÖ Vorsitzenden Bundeskanzler Werner Faymann (54) die Zeit und der Koalitionspartner ÖVP gearbeitet. So merkwürdig es klingt, Reinhold Mitterlehner hat mit seinen 99,1 Prozent, mit denen ihn die ÖVP-Delegierten am 8. Oktober als neuen Obmann ausgestattet haben, die beste Vorarbeit für den Kanzler geleistet. Dieser stellt sich kommenden Freitag beim 43. Bundesparteitag der SPÖ der Wiederwahl. 640 Delegierte werden Freitag und Samstag unter dem Generalthema "Sozial denken. Lohnsteuer senken" Druck für eine Steuerreform machen.

Der Vorsitzende geht mit einem historisch niedrigen Ergebnis von 83 Prozent aus 2012 in diese Abstimmung. Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass am Ende nicht die von besagtem Funktionär im Sommer prognostizierten 60 Prozent - und damit das Aus für den Vorsitzenden - stehen werden. Der Neustart der ÖVP engt für die kritischen Geister in der Sozialdemokratie den Handlungsspeilraum ein. Jetzt ist nicht die Zeit, den eigenen Chef zu schwächen - und damit die Position der SPÖ gegenüber dem Koalitionspartner auszuhöhlen. Zumal die Debatte über die Steuerreform noch keineswegs zugunsten der SPÖ entschieden ist und man nicht nur einem starken ÖVP-Obmann, sondern auch einem überaus gewichtigen und wortgewaltigen ÖVP-Finanzminister Durchsetzungsstärke beweisen muss.

Die Ausgangssituation für die Sozialdemokratie ist nicht wirklich gut - von Stimmengewinnen kann sie seit Jahren nur noch träumen. Kommendes Jahr wird in vier Bundesländern - Wien, Oberösterreich, Steiermark, Burgenland- gewählt. Und da ist eigentlich nur das Burgenland eine sogenannte "g’mahte Wies’n" für die SPÖ. In Wien will Michael Häupl zwar wieder eine absolute Mandatsmehrheit holen, aber derzeit, scheint es, ist er davon weiter entfernt denn je. Von der Koalition im Stadtparlament der Bundeshauptstadt profitieren eher die Grünen. In der Steiermark tritt Franz Voves für die SPÖ wieder an. Es wird eine Zitterpartie - deshalb hat er die Partei beim jüngsten Landesparteitag geöffnet. Die Wiener Strukturen sind dem steirischen Landeschef zu antiquiert. Im Industrieland Oberösterreich droht die Arbeiterpartei, unter 20 Prozent zu rutschen.