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"Wir wollten etwas tun"

Von Eva Zelechowski

Politik
Katja Kaminski und ihre Familie schauen nicht weg: "Es ist an der Zeit, Fairness zuzulassen."
© Privat

Katja Kaminski hilft mit ihrer Familie in einer Flüchtlingspension - wo es nötig ist.


Tirol. "Am Anfang waren die Menschen wahnsinnig misstrauisch. Sie dachten, wir wollen eine Gegenleistung", erinnert sich Katja Kaminski an die ersten Kontakte in der Flüchtlingsunterkunft. Das verletzte sie zwar, aber sie wollte nicht mehr einfach nur zusehen. Vor einigen Monaten wurde die 30-jährige Deutsche, die mit ihrer Familie bei Wörgl in Tirol lebt, auf die Flüchtlingspension "Gruberhof" im oberbayrischen Kiefersfelden aufmerksam. Schnell waren ein paar Säcke mit Kinderkleidung gepackt und hingebracht. "Wir wollten etwas tun", sagt sie. Beim nächsten Besuch brachten die Kaminski-Sprösslinge ihre Halloween-Ausbeute.

Inzwischen seien sie und ihr Partner wichtige Ansprechpersonen. Mehrmals in der Woche besuchen sie die Pension und helfen bei Behördengängen und Übersetzungen. "Wir fragen einfach: ‚Was brauchen Sie?‘" Ebenso wichtig sei es, ein offenes Ohr zu haben und den Menschen das Gefühl zu geben, willkommen zu sein. Denn die Flüchtlinge sind im Ort stark mit Rassismus konfrontiert, werden ignoriert und nicht gegrüßt. "Es ist beschämend, vor allem, wenn man bedenkt, was die Menschen erleiden mussten, bevor sie hier gelandet sind."

Katja Kaminski, Autorin und Mitarbeiterin von Amnesty International, ist "fest davon überzeugt, dass mehr Menschen Flüchtlingen helfen würden, wenn sie Ideen oder Anstöße von außerhalb bekämen." Als sie über die Solidaritätsaktion "Mut statt Wut" der "Wiener Zeitung", deren Ziel es ist, über solche Positivbeispiele aus der Bevölkerung zu berichten, stolperte, habe sich die Familie entschlossen, ihre Geschichte zu erzählen. Die Kaminskis leben zivilgesellschaftliches Engagement seit Jahren aktiv im Alltag - ob im Einsatz für Tier- und Menschenrechte. Demonstrationen oder Besuche in Obdachlosenheimen: Für die vierjährige Tochter Ronja und den zehnjährigen Sohn Samuel sei das "schon völlig normal".

Die meisten Menschen schwanken zwischen Mitgefühl und Unterstützung. Schwierig, tatsächlich Hilfe anzubieten. Oft bleibt es beim Mitfühlen, wegschauen ist einfacher. Anders in Katja Kaminskis Familie. Die junge Frau gehört im "Gruberhof" inzwischen quasi zum Inventar. Für die rund 50 Personen, die hier seit April vergangenen Jahres untergebracht sind, ein willkommenes freundliches Gesicht.

Leben auf engstem Raum

Um die Flüchtlingsunterkunft im Grenzgebiet zu Österreich herrschte anfangs großer Wirbel. Die Sorge wie so oft: die Quote. Der Gemeinderat stufte die Einquartierung von 50 Asylwerbern für eine Gemeinde mit knapp 7000 Einwohnern als zu hoch ein. Die Integration von teilweise schwer traumatisierten Menschen aus Krisengebieten sei nicht in die Hände der kleinen Inntalgemeinde zu legen. Im Oktober 2013 beschloss der Landkreis, eine Sozialarbeiterin im Gruberhof zu beschäftigen. Für mindestens 15 Stunden. Zu wenig, kritisierte Susanne Podchul von der Diakonie Rosenheim.

Die freiwillige Helferin Katja Kaminski sieht das ähnlich. Es gebe viel zu tun in der Flüchtlingspension. Die Menschen leben auf engstem Raum zusammen, teilweise wohnen ganze Familien in einem kleinen Raum. Einmal in der Woche sehe eine Sozialarbeiterin nach dem Rechten. "Sie soll sich um die Post kümmern, psychologische Betreuung gibt es überhaupt nicht", erzählen ihr die Bewohner.

Die meisten Heimbewohner kommen aus Syrien, Afghanistan, Nigeria und Pakistan. "Wir konzentrieren uns auf die Mütter. Der wohl härteste Fall ist eine hochschwangere Frau mit zwei Kleinkindern, das Dritte erwartet sie im Februar." Ihr Ehemann sei in einem 600 Kilometer entfernten Flüchtlingslager untergebracht. Sie können sich aufgrund der abgenommenen Visa nicht mehr sehen. "Jetzt liegt es an uns, mit den Behörden und Organisationen in Kontakt zu treten. Wir versuchen einen Umverteilungsantrag zu stellen, damit die Familie zusammen sein kann", sagt Kaminski.

Es fehlt an vielen Ecken

Es fehle an vielen Ecken: Einige Frauen und Kinder kommen bei den kühlen Temperaturen nur in Badeschlapfen an bloßen Füßen zum Spielplatz. "Also kaufen wir Schuhe ein und Spielzeug für die Kinder", sagt Katja Kaminski. Besonders für die Kinder sei es wichtig, früh soziale Kontakte zu knüpfen, damit Freundschaften entstehen können.

Auf ehrenamtliches Engagement der Bürger hatten Gemeinde und Diakonie gehofft. Ob in Form von Deutsch-Nachhilfe oder Betreuung der vier Kinder, die auf dem "Gruberhof" wohnen. Von ganz alleine läuft es allerdings nicht. Jemand muss als Initialmotor starten - in dem Fall hieß er Katja Kaminski. "Wir haben einen Spendenaufruf auf Facebook gestartet und waren überwältigt von der Hilfsbereitschaft. Es kamen so viele Sachspenden, dass wir zu einem Ende der Spenden aufrufen mussten."

"Mut statt Wut" - Solidaritätsprojekt der "Wiener Zeitung"