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Die Einnahmen- Ausgaben-Rechner

Von Marina Delcheva

Politik

Koalition will Eingangssteuersatz auf 25 Prozent senken, bei Gegenfinanzierung setzt SPÖ auf Vermögenssteuern, ÖVP auf Einsparungen in Verwaltung.


Wien. Im März 2015 soll die Steuerreform stehen. Bisher scheinen sich allerdings die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP eher in Uneinigkeit und gegenseitigen Sticheleien zu verstricken. Die SPÖ hat am Montag ihr Steuerpapier vorgestellt, das sich großteils mit den Forderungen von Gewerkschaft und Arbeiterkammer deckt. Die wesentliche Forderung zur Gegenfinanzierung: eine Millionärsabgabe und vermögensbezogene Steuern. Von der ÖVP kommt diesbezüglich ein klares Nein. Diese stellt heute ihr Steuerkonzept vor. Die Christdemokraten möchten lieber bei den Ausgaben sparen und auch Unternehmen entlasten. Da sieht wiederum die SPÖ rot. Ab dem 17. Dezember muss sich dann die politische Verhandlungsgruppe rund um Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner auf einen gemeinsamen Vorschlag einigen. Dieser soll am 17. März präsentiert werden.

Angesichts der so unterschiedlichen Wünsche und Gegenfinanzierungsvorschläge wird die Einigung zur Zerreißprobe. Denn die Einnahmen- und Ausgabenvorschläge beider Parteien unterscheiden sich stark. Das fängt schon beim Volumen für die Steuerreform an. Die SPÖ möchte eine Entlastung von 5,9 Milliarden, vor allem auf der Arbeitnehmerseite. ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling hält an den bei der Regierungsklausur vereinbarten fünf Milliarden fest.

Reichensteuer versusMehrwertsteuer

Das am Montag präsentierte SPÖ-Steuermodell schlägt eine Steuerentlastung der Arbeitnehmer von insgesamt 5,9 Milliarden Euro plus eine Entlastung der Familien im Umfang von 150 Millionen vor. Zwei Milliarden davon sollen durch vermögensbezogene Steuern in die Staatskassen fließen. So will die SPÖ eine Schenkungs- und Erbschaftssteuer von 25 Prozent ab einer Million mit einer progressiven Steigerung auf 35 Prozent ab zehn Millionen durchsetzen. Ein Beispiel: Wer eine Wohnung im ersten Wiener Bezirk erbt, die 1,1 Millionen Euro wert ist, soll 25.000 Euro an Erbschaftssteuer zahlen. Also 25 Prozent auf den Betrag, der über der Million liegt.

Zusätzlich soll es eine Millionärsabgabe von 0,5 Prozent ab einer Million und ein Prozent ab zehn Millionen geben, wieder auf den Differenzbetrag über der Million.

Dass die SPÖ mit dem Vorschlag bei der ÖVP punktet, ist aus jetziger Sicht unwahrscheinlich. Schelling hat immer wieder betont, die Reform ohne neue Steuern, vor allem ohne Reichensteuern, finanzieren zu wollen. Dafür hat die ÖVP eine Mehrwertsteuerreform ins Spiel gebracht. In der Expertenkommission zur Steuerreform sei darüber diskutiert worden, einige Ausnahmen vom 20-prozentigen Normsteuersatz zu streichen. Derzeit gilt ein Mehrwertsteuersatz von zehn Prozent unter anderem auf Lebensmittel, Wohnen, Medikamente, Bücher oder Tourismus-Nächtigungen; zwölf Prozent gelten etwa für den Ab-Hof-Verkauf von Wein.

Schelling hat bestätigt, dass er sich eine Teil-Abschaffung der begünstigten Steuersätze vorstellen kann. Zwar sollen die Waren des täglichen Bedarfs, also Essen, unangetastet bleiben. Eine Abschaffung der Begünstigung bei Büchern, Zeitungen, Theaterkarten, in der Gastronomie und dem Ab-Hof-Verkauf ist für die ÖVP offenbar vorstellbar. Trotz scharfer Kritik von Gewerkschaft, Verlegern und Tourismusvertretern, gibt eine OECD-Studie den Überlegungen Rückenwind. Die OECD hinterfragt generell den Sinn von reduzierten Mehrwertsteuersätzen und meint, dass diese eher wohlhabenden Familien zugute kommen. Eine Abschaffung sei vor allem bei Hotelaufenthalten, Restaurant-, Theater- und Kinobesuchen sowie Büchern sinnvoll. Eben dort, wo auch die ÖVP Spielraum sieht.

Pläne gegen Steuerfluchtvernachlässigt

Die SPÖ rechnet in ihrem Steuermodell vor, dass eine weitere Milliarde durch die Bekämpfung von Steuerbetrug eingenommen werden kann, etwa durch die Registrierkassenpflicht. Dies habe auch das Finanzministerium bestätigt, heißt es aus der SPÖ. Auch die ÖVP formuliert vage, dass durch die Bekämpfung von Steuerbetrug mehr Geld in die Staatskassa fließen soll.

Das Thema Steuervermeidung von Großkonzernen, also das Verschieben von Konzerngewinnen in Steueroasen, findet in keinem Steuerkonzept Platz. "Dieser Teil ist ausgeklammert" bei der Gegenfinanzierung der Steuerreform, sagt Otto Farny von Arbeiterkammer. Er ist Mitglied der Expertenkommission zur Steuerreform. Die OECD soll 2015 ein Papier zur Vermeidung von Steuerflucht auf internationaler Ebene vorstellen. Man wolle die OECD-Vorschläge abwarten und dementsprechend danach in Österreich Maßnahmen Vorschlagen, so Farny.

Einig sind sich hingegen die Koalitionspartner bei der Frage nach Einsparungen im Verwaltungsbereich. Das SPÖ-Steuerpapier sieht eine Milliarde Einsparungspotenzial bei der Verwaltung, beim Finanzausgleich und den Förderungen. Die ÖVP, die heute ihr Steuerpapier präsentieren wird, könnte den Sparstift hier noch höher ansetzen. Einig sind sich beide Parteien über die steuerliche Verschärfung bei Dienstwägen, die zumindest 50 Millionen Euro bringen soll.

Fraglich ist, wie viel beim vielgepriesenen Bürokratieabbau überhaupt zu holen ist. Eine im Sommer eingesetzte Expertenkommission soll der Regierung ein Papier vorgelegt haben, das in diesem Bereich Einsparungspotenzial von 150 bis 400 Millionen Euro vorrechnet.

Bei den Pensionen klafft aber weiterhin eine große Lücke. Bundeskanzler Faymann hat der ÖVP abermals eine Abfuhr beim Automatismus erteilt; also bei der automatischen Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters an die steigende Lebenserwartung. "Die SPÖ ist wie die Mehrheit der Bevölkerung der Meinung, dass kein Automat entscheiden sollte, sondern die gewählte Politik", so Faymann. "Tatenlose Beschwichtigung ist die schlechteste Automatik. Das ist der wahre Zynismus", konterte Vizekanzler Mitterlehner.

ÖVP lässt Spitzensteuersatz erst ab 100.000 Euro wirken

Die Arbeiterkammer und die Gewerkschaft fordern in ihrem Steuerkonzept eine reine Arbeitnehmerentlastung im Umfang von 5,9 Milliarden Euro. So soll der Eingangssteuersatz auf 25 Prozent statt 36,5 gesenkt werden, es soll mehr und flachere Steuerstufen geben und die Negativsteuer soll auf 450 Euro jährlich angehoben werden. Das fordert auch die SPÖ. Im aktuellen Modell kommt sie der ÖVP insofern entgegen, als auch Familien entlastet werden sollen. Woher die veranschlagten 150 Millionen dafür kommen sollen, sagt die SPÖ nicht. Außerdem soll man bei Betriebsübernahmen zehn Jahre Zeit bekommen, die Erbschaftssteuer zu bezahlen.

Auch die ÖVP sieht in ihrem Konzept eine Reform der Tarifstufen vor. Auch sie setzt den Eingangstarif bei der Lohnsteuer bei 25 Prozent für Jahreseinkommen von 11.000 bis 16.000 Euro an. Diese Tarifstufe war schon akkordiert. Statt der bisherigen drei Steuertarife mit 36,5 sowie 43,2 und 50 Prozent will die ÖVP sechs Tarife. Laut "Presse" 25, 30, 35, 40, 47 und 50 Prozent. Der Spitzensteuersatz von 50 Prozent soll aber erst ab einem Jahreseinkommen von 100.000 Euro statt bisher ab 60.000 Euro gelten.

400 Millionen Euro will sich der Finanzminister durch Streichung von Steuerausnahmen holen. Und von Maßnahmen bei der Verwaltung erwartet die ÖVP gar Einsparungen in Milliardenhöhe - aber natürlich nicht sofort. Rasch wirksam sollen da auch 400 Millionen Euro sein.