Zum Hauptinhalt springen

Junge Muslime legen sich mit den alten Herren an

Von Clemens Neuhold

Politik

Junge Muslime fordern Rücktritt von IGGiÖ-Präsident Fuat Sanac.


Wien. Der Streit um das Islamgesetz führt nun zu einem offenen Aufstand junger Muslime gegen die Führung der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ).

Die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ) fordert den Rücktrtitt des IGGiÖ-Präsidenten Fuat Sanac und die Entmachtung der zwei stärksten türkischen Verbände, Atib und die Islamische Föderation. "Der Präsident hat es nicht geschafft, die Forderungen der Basis gebührend nachzukommen und ordentlich zu verhandeln", begründet MJÖ-Chefin Dudu Kücükgöl gegenüber der "Wiener Zeitung".

"Machen Sie Platz"

Rücktrittsaufforderungen kommen außerdem aus dem "Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft": "Viele Muslime an der Basis wünschen sich Konsequenzen", sagt Ibrahim Yavuz vom Netzwerk. "Wie konnte es zu einem schlechteren Gesetz kommen als 1912 und dann gibt es keine Konsequenzen?"

Beim Netzwerk handelt es sich um junge, intellektuelle Muslime, die lose organisiert sind. Und bereits am Freitagnachmittag hatte die islamische Religionsgemeinde Linz auf ihrer Facebook-Seite gepostet: "Wir bitten den Obersten Rat der Glaubensgemeinschaft und seinen Vorsitzenden: Machen Sie bitte Platz und treten Sie zurück!"

Kritik an Verhandlung

An der Oberfläche geht es um das Islamgesetz, das am Mittwoch im Ministerrat abgesegnet wurde und Mitte Jänner im Parlament beschlossen wird. Sanac wurde vorgeworfen, über kritische Punkte über Monate geschwiegen zu haben, obwohl er mit der Politik an einem Tisch saß. Es geht unter anderem um das Verbot der Auslandsfinanzierung von Vereinen, fehlende Mitsprache bei der Imam-Ausbildung oder die explizite Erwähnung, dass staatliches vor religiösem Recht kommt. Muslime orten eine Ungleichbehandlung zu anderen Religionen und einen Generalverdacht. Die Regierung widersprach und verwies auf zahlreiche Verbesserungen im Vergleich zu 1912 wie das Recht auf Islamische Friedhöfe, Seelsorge oder die Imam-Ausbildung.

Unter der Oberfläche handelt es sich um einen Generationenkonflikt und das Islamgesetz ist das Ventil. Hier die von älteren Männern dominierten, konservativen Verbände wie Atib oder Islamische Föderation, die sich stark an der Türkei oder ihrem europäischen Netzwerk ausrichten. Atib-Imame sind etwa von der Türkei entsandt und finanziert.

Dort junge, gut ausgebildete Muslime, die sich stark mit Österreich identifizieren und hier ihren Lebensmittelpunkt sehen. Diese nächste Generation, in denen Frauen eine starke Rolle spielen, fühlt sich von den Vereinen immer weniger vertreten.

Neue Verfassung?

Atib und die Islamische Föderation stellen aber die Mehrheit in der IGGiÖ und entscheiden über den Präsidenten. Deswegen wird die MJÖ am Montag bei einer Pressekonferenz nicht nur die Rücktrittsaufforderung wiederholen, sondern eine Neuaufteilung der Macht innerhalb der IGGiÖ fordern.

Derzeit läuft die Registrierung für IGGiÖ-interne Wahlen über die Moscheenvereine, von denen alleine Atib in ganz Österreich 65, die Islamische Föderation 45 unterhalten. 2015 steht die nächste Präsidentschaftswahl an.

Die MJÖ beklagt, dass junge Muslime, die nicht an die Vereine angeschlossen sind, automatisch ausgeschlossen sind. Deswegen brauche es eine Verfassungsreform in der Glaubensgemeinschaft.

Das Islamgesetz ist aus Sicht der MJÖ auch deswegen kontraproduktiv, weil es die IGGiÖ in der jetzigen Form und damit die Großvereine stärke.

Sanac selbst hofft noch auf Änderungen im parlamentarischen Prozess, sagte er nach dem Beschluss des Islamgesetzes. Er will noch vor Weihnachten die Gremien der Glaubensgemeinschaft einberufen. Das sehen seine jungen Kritiker jedoch nur als Beschwichtigung, weil sie vermuten, dass er gegenüber der Regierung zu nachgiebig gewesen sei.