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Kein Weihnachtsfriede rund um Islamgesetz

Von Clemens Neuhold

Politik

Wer ist die Muslimische Jugend, die den Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft zum Rücktritt auffordert?


Wien. 100 Jahre nach dem ersten Islamgesetz von 1912 feiern Österreich und "seine" Muslime die Novelle des Islamgesetzes.

Von diesem hehren Plan ist nun endgültig nichts mehr übrig. Nicht nur wegen der zweijährigen Verspätung. Das Islamgesetz, das im Jänner im Parlament beschlossen wird, ist nicht mehr Gegenstand von Feierlichkeiten, sondern von Konflikten. Konflikten zwischen Regierung und Islamischer Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ), dem Dachverband der muslimischen Vereine Österreichs; und Konflikten innerhalb der Glaubensgemeinschaft selbst.

"Ein Mindestmaßan Respekt"

Muslimische Funktionäre kritisieren unter anderem, dass Sunniten und Aleviten einem Gesetz unterworfen sind; die Auslandsfinanzierung von Vereinen untersagt wird; der Einfluss auf die Hochschul-Ausbildung der Imame sinkt. Die Regierung schwächte manche Passagen nach der Begutachtungsphase ab, hält an Eckpunkten aber fest. Der Oberste Rat der IGGiÖ fühlt sich überrumpelt. "Das entspricht weder der für Österreich üblichen politischen Kultur einer modernen Demokratie, noch ist dies mit einem Mindestmaß an Respekt gegenüber den vom Gesetz Betroffenen zu vereinbaren", sagt IGGiÖ-Präsident, Fuat Sanac.

Neben diesem Konflikt mit der Regierung spitzt sich der Machtkampf innerhalb der Muslime zu. Jüngster Höhepunkt ist die Rücktrittsaufforderung der Muslimischen Jugend Österreich (MJÖ) an Sanac - die "Wiener Zeitung" berichtete exklusiv. Die MJÖ stellte nun am Montag bei einer Pressekonferenz offiziell die "Vertrauensfrage". Sanac habe bei den Verhandlungen rund ums Islamgesetz versagt. Kritik gab es noch am angeblich autoritären Führungsstil.

Sanac zeigt sich "gelassen". Das komme "von einem Verein, der bei den letzten Wahlen nur einen einzigen Delegierten aufbrachte", konterte er am Montag in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der "Austria Presse Agentur". Die MJÖ habe lediglich 50 Mitglieder für die IGGiÖ melden können und damit nur eine Delegierte erhalten, versuchte Sanac die Rolle der MJÖ zu relativieren. "Trotzdem hat diese Person durch mich einen Platz im Obersten Rat bekommen. Dort ist der Ort für inhaltliche Debatten", meinte er weiter. Neben der MJÖ gab es aber auch von Religionsgemeinden in Oberösterreich und Salzburg Rücktrittsforderungen. Das sind die örtlichen IGGiÖ-Ableger. Das wertete Sanac als "privat verbreitete Meinungen zweier Vorsitzender von Religionsgemeinden", die per Facebook verbreitet worden seien.

Hinter Sanac stehen zwei türkische Vereine in der IGGiÖ, Atib und Islamische Föderation. Die haben gemeinsam über 100 Mandate im Vergleich zu dem einen der MJÖ. Diese kritisiert die Allmacht dieser Vereine und fordert eine Wahlrechtsreform.

Wer ist die rebellische MJÖ? Sie hat sicher mehr als 50 Mitglieder. Von einer allgemeinen Vertretung der jungen Muslime Österreichs ist sie aber weit entfernt. Das mag auch daran liegen, dass sie in der Community als eher arabisch geprägt gilt. Führend aktiv sind aber auch türkische und bosnische Jugendliche.

Wie tickt die"Muslimische Jugend"?

Unter diesen Aktivisten und Aktivistinnen der MJÖ sind auffällig viele Frauen und Studenten. Die Medienauftritte sind professionell, deswegen gelingt es der MJÖ immer wieder, die behäbige IGGiÖ unter Druck zu setzen. Die Werthaltung reicht von islamisch-konservativ bis islamisch-feministisch: In der aktuellen Ausgabe des Migranten-Magazins "biber" bezeichnet der Soziologe Kenan Güngör die MJÖ so: "Einerseits zeigen sie sich gerne als eine weltoffene Interessenvertretung, die sich gegen die grassierende Islamfeindlichkeit wehrt. Anderseits aber finden nach innen hin erzkonservative Schließungsprozesse statt, die kein Problem haben, auch einem Kind mit sechs Jahren ein Kopftuch zu geben, Kinder ab der Geburt in eine voll-islamische Umgebung zu stecken, um sie vor der ,unislamischen‘ Gesellschaft zu schützen."

Die Sprecherin der MJÖ, Dudu Kücükgöl (sie hat türkische Wurzeln), meint: "Wir haben nie einen allgemeinen Vertretungsanspruch gestellt, erreichen aber alleine über unsere Camps jährlich Tausende Jugendliche." Zu Güngör meint sie: "Das ist haltlos und trägt dazu bei, islamophobe Ängste zu schüren. Bei uns in der MJÖ ist das Kopftuch nicht einmal Thema."

Finanziert werden Aktivitäten der MJÖ laut Kücükgöl aus der Jugendförderung des Bundes, der Länder und aus Mitgliedsbeiträgen. Was die Islamgesetz-Debatte über die Auslandsfinanzierung betrifft, sieht sie die MJÖ nicht vom Gesetz berührt. "Es geht uns in der Kritik um den Generalverdacht und die Folgen für unsere Kinder."