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Kann Kern Kanzler?

Von Clemens Neuhold

Politik

Nationalratspräsidentin Doris Bures beschert SPÖ eine Weihnachtsdebatte, die sich die Partei gerne erspart hätte.


Wien. Hat ÖBB-Boss Christian Kern das Zeug zum Kanzler? Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) meinte am Samstag im "ORF-Mittagsjournal" eher nein.

Kern sei hervorragender Bahnmanager, aber Politik wäre "nicht seine Stärke". Das wisse er sogar selber, meinte Bures, die in ihrer Zeit als Infrastrukturministerin eng mit Kern zusammenarbeitete.

Nach der Schlappe von Bundeskanzler Werner Faymann am Parteitag der SPÖ (er landete mit nur 84 Prozent Zustimmung am zweitletzten Platz seit 1945) wollte Faymann-Vertraute Bures die Ablösegerüchte mit ihrer Aussage wohl im Keim ersticken. Doch unfreiwillig säte sie erst die Saat für eine größere Kern-Debatte.

Bisher war der 48-Jährige Manager, der 2010 vom Verbund zu den Bundesbahnen wechselte, nur in der von Politikern, Journalisten und Experten bevölkerten "Wiener Blase" als rote Geheimwaffe gehandelt worden. Nun steht die Frage über die Fähigkeiten Kerns am roten Firmament und wird bis ins Burgenland kommentiert. Auf die Frage, ob Kern das Zeug zum Bundeskanzler habe, meinte der burgenländische Soziallandesrat Peter Rezar am Montag: "Ich denke schon." Wenn man sich Kanzler der Vergangenheit anschaue, habe es durchaus Tradition, dass diese aus Managementfunktionen kämen. "Für mich ist alles vorstellbar."

"VerantwortungsvollerBeruf"

Es handelt sich um jenen renitenten Rezar, der Bundeskanzler Faymann zum Hauptschuldigen für eher magere 24 Prozent bei den Europa-Wahlen 2014 erklärte.

Bereits am Wochenende zeigte sich Altkanzler Franz Vranitzky im "Kurier" über den Umgang der Partei mit Kern verwundert. "Ich habe kein Disqualifizierungselement darin gesehen, wenn jemand vor seiner politischen Tätigkeit in einem verantwortungsvollen Beruf stand."

Kern übt sich in nobler Zurückhaltung: "Chef der ÖBB zu sein ist eine der interessantesten und spannendsten Aufgaben in Österreich", ließ er am Montagnachmittag wissen. Und: "Ich sehe nach wie vor keinen Grund, mich an der aktuellen Debatte zu beteiligen."

In der Vergangenheit hatte Kern Ablösegerüchte stets dementiert. "Diese Frage stellt sich nicht. Ich weiß nicht, was die Grundlage für so ein Gerücht sein soll", hatte er etwa im Sommer dieses Jahres dem "profil" gesagt.

Das Thema dürfte die SPÖ jedenfalls über die Feiertage begleiten. Denn selbst hartgesottene Kenner der Parteienlandschaft waren überrascht. "Die SPÖ ist scheinbar von der Rolle, wenn sie so eine Debatte ohne Not lostritt", sagt Politikberater Thomas Hofer. Er kann sich das nur mit einem "blank liegenden Nervenkostüm" erklären. "Bures und Faymann sind ja keine Frischg’fangten." Angesprochen auf den Bures-Sager meinte Faymann: "Bures kennt Christian Kern besser als ich. Die wird es schon wissen." Da hätte er "Größe zeigen und das relativieren können", meint Hofer.

Schadet Kern undder Partei

Selbstbeschädigend sei die Debatte aber nicht nur für Faymann und Bures. "Das schadet auch parteiintern, eine Nachwuchshoffnung auf diese Art und Weise zu beschädigen und es schadet Kern, weil es indirekt auch dessen Arbeit bei den ÖBB infrage stellt."