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Zwei neue Schulfächer

Von Petra Tempfer

Politik
Eine wertschätzende Beziehungskultur ist laut Margret Rasfeld (r.) die Basis für das Lernen. Rasfeld war mit ihren Schülerinnen Paulina Unfried (l.) und Ivi Kussmaul zu Gast bei den "Alpbach Talks".
© Simon Rainsborough

Die deutsche Bildungsexpertin Margret Rasfeld setzt auf die zwei von ihr kreierten Fächer "Herausforderung" und "Verantwortung": In diesen lernen Kinder wirklich für das Leben.


Wien. An Margret Rasfelds Schule herrscht eine wertschätzende Beziehungskultur, sagt sie, die Basis für das Lernen. Jeder Schüler habe einen Lehrer als persönlichen Tutor, an den er sich mit seinen Problemen wenden kann. Es gibt keine fixen Prüfungstermine, keine Noten, keinen Druck. Und doch "reicht das nicht aus, um die Schüler auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorzubereiten", sagte Rasfeld Montagabend im Rahmen der "Alpbach Talks" in der Albertina, zu denen das Europäische Forum Alpbach gemeinsam mit der "Wiener Zeitung" und der Bildungs-NGO "jedesK!ND" geladen hatte (die "Wiener Zeitung" hat berichtet).

Der Grundtenor der Veranstaltung: "Wir leben im 21. Jahrhundert, Schule ist aber im 19. Jahrhundert stehengeblieben", sagte Rasfeld im Gespräch mit dem "jedesK!ND"-Bildungsaktivisten Daniel Landau. Um Schüler adäquat vorzubereiten, bietet die Mitbegründerin der Initiative "Schule im Aufbruch" daher an der Evangelischen Schule Berlin Zentrum, die sie leitet, für die 13- bis 15-Jährigen zusätzlich zwei von ihr kreierte Fächer an: "Herausforderung" und "Verantwortung". "Dabei lernen die Schüler, mit der Ungewissheit umzugehen."

Der "krasseste Lernmoment"

Was genau hinter diesen Fächern steckt, ließ Rasfeld bei den "Alpbach Talks" zwei ihrer Schülerinnen selbst erklären. "Das Fach ,Herausforderung‘ zieht sich über drei Wochen Unterrichtszeit pro Jahr. Jeder Schüler hat 150 Euro zur Verfügung und kann damit machen, was er will. Also eine Radtour oder segeln gehen", sagte die 16-jährige Paulina Unfried. Mitschülerin Ivi Kussmaul hatte sich gemeinsam mit anderen Schülern für eine Radtour in Schweden entschieden. Ihr "krassester Lernmoment", wie sie es nennt: "Wir haben uns im Wald verfahren und sind total verzweifelt, weil wir auch keine Smartphones mitnehmen durften. Der Weg, für den wir uns schließlich entschieden haben, war der falsche. Aber ich habe gemerkt: Es ist besser, sich für irgendeinen Weg zu entscheiden - auch wenn es der falsche ist -, als gar nichts zu tun und zu verzweifeln."

Beim Fach "Verantwortung" wiederum geht es darum, eine Aufgabe im Gemeinwesen zu übernehmen. Die 15-jährige Ivi Kussmaul veranstaltete einen Tanzkurs für Grundschüler. "Es war total anstrengend, alle unter Kontrolle zu halten", erzählt sie heute. Und: "Ich habe das Gefühl, wirklich etwas zu leisten, kennengelernt. Das hatte ich beim Satz des Pythagoras nicht."

Die Schule der Zukunft brauche die Wende vom "du sollst" zum "ich kann", so Rasfeld. Weg von der reinen Wissensvermittlung hin zum Erkennen seiner Potenziale. In der 2007 gegründeten Evangelischen Schule Berlin Zentrum werden die Klassen der 13- bis 15-Jährigen in Kleinteams geführt, die sich den Lernstoff selbst erarbeiten. Lehrer unterstützen sie dabei. Sobald sie sich bereit fühlen, machen sie eine Prüfung.

Komplettes System umstellen

So nehme man die Angst aus dem System, sagte Rasfeld. Allein: Wie schafft man die Wende hin zur Schule ohne Angst? Diese Frage dominierte die zahlreichen Wortmeldungen aus dem Publikum der "Alpbach Talks", Rasfelds Antwort war eindeutig: Man müsse sich endlich trauen, das komplette System umzustellen. "Irgendwann muss man mit den alten Mustern brechen."

Die Angst sei es allerdings auch, die viele Eltern dazu veranlasse, ihr Kind eine normale Schule besuchen zu lassen. Die Angst davor, dass es mit dem Bildungsniveau der anderen nicht mithalten kann. Diese ist aber offenbar unbegründet. Denn Rasfelds Schüler absolvieren ebenfalls sämtliche zentrale Prüfungen sowie später die Zentralmatura. Alle bis auf zwei hätten bisher den Abschluss geschafft. In Österreich habe zwar bereits ein Wandel eingesetzt, dieser basiere aber noch immer auf zahlreichen Schulversuchen. Es liege an den inspirierten Schulleitungen, die Initiative zu ergreifen.