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"Ich hätte mir mehr Mut gewünscht"

Von Bettina Figl

Politik

Bei der Lehrerausbildung sollen PHs und Unis kooperieren. Die unterschiedlichen Kulturen der Institutionen erschweren es.


Damit die "Lehrerausbildung neu" flächendeckend und wortident an den Pädagogischen Hochschule (PH) und den Universitäten angeboten werden kann, müssen die Lehrpläne adaptiert werden. Agnieszka Czejkowska, Professorin an der Uni Graz, war Teil jener Arbeitsgruppe, die vergangene Woche ihre Arbeit an dem neuen Curriculum beendet hat. In der Steiermark, Kärnten und dem Burgenland soll die gemeinsame Ausbildung für alle Lehrer 2015/2016 starten.

"Wiener Zeitung": Im Vorjahr haben Sie den neuen Lehrplan für angehende Lehrer im Süd-Ost-Verbund (Steiermark, Kärnten, Burgenland) mitentwickelt, der sich nun in Begutachtung befindet. Wie sieht das neue Curriculum aus?Agnieszka Czejkowska: Wir haben ein Curriculum entwickelt, das wir an den PHs und Unis gemeinsam anbieten werden. Studierende können sich dann aussuchen, welche Inhalte sie beispielsweise an der Uni Graz, der PH Burgenland, der PH Kärnten oder der Uni Klagenfurt studieren. Natürlich wird das von der Realität eingeholt werden, aus rein praktischen Gründen. Wenn ich in der Region nur eine Ausbildungsstätte habe, werde ich wahrscheinlich eher an jenen Ort ziehen, an dem das Angebot an Universitäten und PHs größer ist.

Was waren die Schwierigkeiten bei der Einigung auf ein Curriculum?

Problematisch war, dass die Unis und PHs dazu angehalten sind zu kooperieren, aber kaum jemand hat sich vorher überlegt, wie das organisatorisch zu schaffen ist. Viele Gesetze mussten geändert werden, oft haben Hochschulgesetze dem Universitätsgesetz widersprochen und umgekehrt. Politische Entscheidungen wurden auf die Institutionen abgewälzt. Dass der Süd-Ost-Verbund als Paradebeispiel gilt, hat mit dem Engagement der involvierten Personen, vor allem den Rektorinnen und Rektoren zu tun. Das war bemerkenswert.

Sind Unis und PHs wirklich zwei so verschiedene Welten?

Das hängt vom Standort ab, die Uni Graz, die PH Steiermark und die KPH (kirchliche Pädagogischen Hochschule der Diözese Graz-Seckau) haben immer schon sehr gut kooperiert. In Wien sind das so verschiedene Kulturen, da war Zusammenarbeit bisher kaum möglich. Aber auch im Süd-Ost-Verbund mussten wir Kompromisse eingehen. Die Auffassungen darüber, wie Fächer aussehen und was Lehrerausbildung können soll, sind sehr unterschiedlich.

Es heißt, die Lehrerausbildung an der Uni sei theoretisch und jene an den PHs praktisch. Warum verwehren Sie sich dieser Diskussion?

Ich würde mir wünschen, dass diese Diskussion endlich beendet wird. Die PHs bieten nachweislich mehr Praxis, besonders zu Beginn des Studiums. Die universitäre Ausbildung sieht das eher am Schluss vor und beträgt ein Jahr. Unterschiede gibt es sicherlich im institutionellen Selbstverständnis. Die PHs sind dem ministeriellen Einfluss sicher viel stärker ausgesetzt. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Autonomie den Unis bei aller Kritik daran auch viele Freiheiten gebracht hat. Da tun wir uns leichter.

Was muss bis Ende des Jahres noch geklärt werden?

Das neue Lehramtsstudium hat viele neue Inhalte und Schwerpunkte, etwa inklusive Pädagogik oder Diversitätsmanagement in den Klassen. Die Frage ist, wer diese Inhalte unterrichten und wer die neuen Ausbildner ausbilden wird? Nach wie vor sind organisatorische Fragen offen. Die Idee der Zusammenarbeit von Institutionen, die völlig unterschiedlich organisiert sind und eine andere Tradition haben, ohne die Rahmenbedingungen zu klären, ist eine Zumutung. Es hieß nur: PHs und Unis sollen zusammenarbeiten. Ich hätte mir mehr Mut gewünscht. Man kann darüber streiten, ob die PHs in die Unis eingegliedert hätten werden sollen. Aber was bringt es, wenn man auf schulischer Ebene eine Angleichung sucht, aber beide Institutionen bestehen bleiben und verschiedenen Ministerien unterstellt sind?

Wie lange können sich Studierenden zwischen neuem und altem Studienplan entscheiden?

Die Übergangsfristen stehen noch nicht fest. Aber es wird Übergangsphasen geben. Noch zu klären ist, wie das Inskriptionsprozedere verwaltet wird. Und das meine ich: Auf dem Papier ist alles eine nette Idee, aber wir bemerken in der Umsetzung, dass die Administration die Vorherrschaft übernimmt. Inhalte werden immer mehr daran ausgerichtet, was organisatorisch möglich ist. Durch die Kooperation mit den PHs wird das mehr, denn diese sind sehr bürokratisch aufgestellt.

Ist aus der Diskussion um die Curricula auch etwas Positives entstanden?

Wir haben viel über Bestehendes gesprochen, die unterschiedlichen Zugangsweisen kennengelernt, wir waren angehalten, einander in unseren institutionellen Zugängen zu verstehen. Daraus sind mitunter neue Kooperationen entstanden, aber sicherlich auch Distanzierungen.

Werden Unis und PHs in Hinblick auf Studierende künftig voneinander lernen?

Schwierig zu sagen. PHs servicieren die Studierenden stark. Ich beobachte das mit Erstaunen und Sorge. Studierende sollten eine Wahl- und Entscheidungsmöglichkeit haben. Wir können und sollen ihnen nicht alles vorgeben. Es sind Erwachsene, die bereits sehr früh Verantwortung für Kinder übernehmen. Ich habe schon den Eindruck, dass an den Unis Studierende eher zur Autonomie angehalten werden und weniger hierarchiehörig sind. Manchmal werden sie freilich auch allein gelassen, das hat aber mitunter etwas mit der Unterfinanzierung und dem Massenbetrieb der Unis zu tun. So betrachtet werden auch Lehrende in Stich gelassen.

Und wie ist es um die Autonomie an den Schulen selbst bestellt?

Schule ist immer noch sehr hierarchisch strukturiert. Viel Entscheidung und Verantwortung liegt bei einer Person. Dennoch sehe ich durchaus positive Entwicklungen, denn es ist eine feudale Vorstellung, dass eine Person in einem so komplexen Umfeld alles überblickt und entscheidet. Allerdings fehlt mir hier auch völlig das Verständnis für die katastrophale Budgetlage: Will man Strukturen ändern, kann man nicht ständig Mittel kürzen.

Agnieszka Czejkowska ist Professorin für LehrerInnenbildung und Schulforschung an der Uni Graz und Hochschulrätin an der PH Burgenland.
Sie hat 2012 das Institut für Pädagogische Professionalisierung begründet. Sie entwickelt Lehrkonzepte für die universitäre Ausbildung
und Evaluationsforschungsangebote für Schulen.