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"Eine Sache des Respekts"

Von Nedad Memic

Politik
Bunt und vor allem mehrsprachig ist der Unterricht in der Schule des bfi in Margareten.
© Stanislav Jenis

Am 21. Februar wird der Internationale Tag der Muttersprache zum 15. Mal begangen. Experten betonen die Wichtigkeit der Förderung der Muttersprache bei mehrsprachigen Schulkindern.


Wien. Eine Delegation von Schuldirektoren aus Serbien und Bosnien-Herzegowina besucht eine Schule in Wien. Deutsch können sie nicht, ein Dolmetscher ist aber nicht notwendig, denn zweisprachige Schüler aus der Gastgeberschule erledigen die gesamte Dolmetscherarbeit - und die Schüler des Faches Bosnisch/Kroatisch/Serbisch (BKS) an der HAK/HAS des bfi in Margareten ernten viel Lob dafür.

An dieser Schule wurde vor vier Jahren BKS als zweite lebende Fremdsprache und als Maturafach eingeführt. Die Schüler in der Klasse sprechen in der Mehrzahl Bosnisch, Kroatisch oder Serbisch als Familiensprache. Der Unterricht wird aber auch von Schülern mit einem anderen ethnischen Hintergrund bzw. auch von jenen ohne Migrationshintergrund besucht. Die Lehrerin Sabine Pawischitz zieht im vierten Jahr dieses innovativen Schulprojekts eine positive Bilanz: "Meine Schülerinnen und Schüler sind selbstbewusster geworden, sowohl was ihre Kenntnisse des Deutschen als auch des BKS betrifft", sagt Pawischitz, die selbst in der zweisprachigen burgenlandkroatisch-deutschen Sprachumgebung sozialisiert wurde.

"Die Kinder profitieren von der Mehrsprachigkeit, weil sie sowohl die Kultur ihres Heimatlandes als auch jene Österreichs kennen. Im Sprachunterricht lernen sie dann, wie sie von beiden Kulturen das Beste für sich nehmen können." Dabei sind die Zuwanderersprachen wie BKS oder Türkisch als Maturafächer in Österreich eine Ausnahme bzw. Gegenstand heftiger politischer Auseinandersetzungen. Für Pawischitz eher unverständlich: "Die Zuwanderersprachen genießen hier in Österreich einen niedrigeren Stellenwert. Auch viele Eltern, die zu uns kommen, denken, dass es für ihre Kinder vielleicht besser wäre, Spanisch oder Französisch statt BKS im Maturazeugnis zu haben." Doch wenn sich die Schüler entscheiden, BKS als Maturafach zu wählen, dann tun sie es meistens aus emotionalen Gründen oder als Wertschätzung der Kultur, aus der sie stammen. "Wenn ich mit meinen Schülern einen Lehrkörper zeichne, dann steht ihre Mutter- bzw. Familiensprache fast immer im Herzen, Deutsch haben sie meistens in den Händen", betont Pawischitz.

"Gehört in den Regelunterricht"

Für sie gehört die Muttersprache auf jeden Fall in den Regelunterricht: "Unser Schulsystem bietet momentan zwar viele Muttersprachen als Zusatzunterricht an, ich denke aber, dass man damit immer noch zu wenig Schüler erreicht." Das bestätigen offizielle Zahlen: Den Zusatzunterricht, der in 25 Muttersprachen - unter anderem Türkisch und BKS - angeboten wird, besuchten im Schuljahr 2012/2013 laut Referat für Migration und Schule im Bildungsministerium rund 32.800 Schüler. Gegenüber dem Schuljahr davor besuchten zwar um 1,5 Prozent mehr Schüler den muttersprachlichen Unterricht, aber noch immer sind es nur knapp mehr als 18 Prozent aller Pflichtschüler mit nicht-deutscher Muttersprache. Angeboten wird der muttersprachliche Unterricht in Österreich seit 1972, jedoch nur entweder als Freigegenstand oder als unverbindliche Übung ohne Benotung.

Für eine Unterstützung in den Erstsprachen im schulischen Bereich plädiert auch der Grundschulpädagoge Werner Mayer: "Die Förderung der Erstsprache ist eine grundsätzliche Sache des Respekts, unabhängig davon, ob messbare Effekte in der Zweitsprache Deutsch zu verzeichnen sind." Mayer ist Mitglied des dreiköpfigen Teams im wissenschaftlichen Projekt "Individuelle Erwerbsverläufe im sinnerfassenden Lesen mehrsprachiger SchülerInnen" im Auftrag des Bildungsministeriums und der Arbeiterkammer Wien am Institut für Sprachwissenschaft der Universität Wien.

Für die Projektleiterin Nadja Kerschhofer-Puhalo dient die Förderung der Familiensprache in der Schule der allgemeinen Kompetenzerweiterung: "Die Förderung der Familiensprachen bietet mehrsprachigen Kindern die Möglichkeit, ihre Kompetenzen in einer Sprache, die sie sonst nur in privaten Kontexten erleben, vor allem auch im schriftlichen Bereich systematisch auf- und auszubauen, anstatt diese Ressourcen brachliegen zu lassen."

Individueller Zugang wichtig

Ideal wäre eine systematische Unterstützung sowohl in der Unterrichtssprache Deutsch als auch Förderung in der Erstsprache. Dabei sind individuelle Zugänge der Kinder unbedingt zu berücksichtigen: "Schriftliche und mündliche Fertigkeiten sind in hohem Maße individuell. Wie gut wir eine Sprache sprechen, ist abhängig von der Art und Intensität sprachlicher Erfahrungen", ist die Sprachwissenschafterin überzeugt.

Die Frage, in welcher Sprache mehrsprachige Kinder gefördert werden sollen, ist nicht unbedingt primär. "Entscheidende Erfolgsfaktoren sind ein kindgerichteter und kindgerechter Input und vor allem die Möglichkeit zur sozialen Interaktion." Denn wie die Sprachwissenschafterin aus ihrer Projekterfahrung berichtet, ist es oft nicht leicht zu bestimmen, welche Sprache bei mehrsprachigen Schülern als Erst- bzw. Muttersprache gilt. "Ehen und Familien, in denen mehr als eine Sprache gesprochen wird, sind durch zunehmende Mobilität und Diversität in unserer Gesellschaft nichts Ungewöhnliches mehr. Es gibt viele Kinder mit zwei, drei oder sogar vier Familiensprachen."

Dass sich die Förderung von mehrsprachigen Erfahrungen durchaus lohnen kann, bestätigt auch Sabine Pawischitz: "Bei vielen unserer Schülerinnen und Schüler waren alle Sprachkompetenzen in BKS, die über das Familiäre hinausgingen, am Anfang einfach nicht vorhanden. Viele kannten sogar die offiziellen Grußformeln nicht. Im Unterricht haben wir es aber geschafft, ihre Grammatik- und Wortschatzkompetenzen systematisch auszubauen. Dabei würden uns alle Eltern sehr viel helfen, wenn sie mit ihren Kindern zu Hause vorurteilsfrei und natürlich die Familiensprache sprechen würden", appelliert die engagierte Lehrerin.