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"Die Basis kocht"

Von Clemens Neuhold

Politik

Vom roten Mantra Millionärssteuer wird bei der Steuerreform nicht viel übrig bleiben. An der Basis rumort es, die roten Gewerkschafter geben sich pragmatisch.


Wien. Die verstorbene Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) bezeichnete sie als "größte Bürgerinitiative im Parlament in den letzten 20 Jahren". 55.307 Unterschriften für eine Millionärssteuer, die ihr der damalige SPÖ-Oberösterreich-Chef Josef Ackerl Anfang 2010 überreichte. Bald darauf wurde das Motto "Millionärssteuer für mehr Gerechtigkeit" SPÖ-Parteilinie. Von Bundeskanzler Werner Faymann abwärts forderten die Parteigranden mantraartig eine Vermögenssteuer und eine Erbschaftsteuer, um die Schieflage zwischen Arm und Reich zu begradigen.

Häupl und die Hautvon der Wurst

Kein Wunder, dass zwei Wochen vor der Steuerreform der parteiinterne Druck auf substanzielle Vermögenssteuern aus Oberösterreich besonders stark ist. Ackerl: "Viele meiner Freunde an der Basis - von jung bis alt - werden es vom Ergebnis abhängig machen, ob sie sich weiter in der Partei engagieren. Sie sagen: ‚Wenn sie das nicht bringen, können sie mich gerne haben.‘" Recht optimistisch ist er aber nicht. "Ich habe das Gefühl, dass die Leute an der Parteispitze nicht ganz dahinter stehen und deswegen nicht ernsthaft verhandelten", schießt er sich namentlich auf Wiens Bürgermeister Michael Häupl ein. Dieser hat die klassische Vermögenssteuer in einem Interview einem Kompromiss mit der ÖVP geopfert. "Die Wurst hinhängen und dann bekommt man nicht einmal die Haut, das wäre inakzeptabel."

Eine zweite "klassische" Vermögenssteuer ist die Erbschafsteuer. Zwar sprechen sich Häupl und SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann weiterhin dafür aus; eine rote Linie in den Verhandlungen ist aber auch sie nicht. Die oberösterreichische Parlaments-Abgeordnete Daniela Holzinger schreibt in ihrem Blog: "Ein Aufgeben der Forderung nach klassischen Vermögensteuern wäre nicht nur ein Rückschlag im Verhandlungspoker, sondern eine Selbstaufgabe der Arbeiterbewegung."

Sollte die Steuerreform ohne Millionärs- Erbschafts- und Schenkungssteuern kommen, kündigt sie an, im Parlament nicht zuzustimmen.

Sie will auf Seite derer stehen, die "meist im ehrenamtlichen Bereich an der Basis und (noch) mit glühender Überzeugung gesegnet sind". Die bekämen "das Fett ab", wenn die Millionärssteuern nicht kämen. "Der Frust ist sehr hoch, die Basis kocht, kann sich aber nirgends einbringen. Das wird früher oder später explodieren", sagt SJ-Oberösterreich-Chefin, Fiona Kaiser. Sie wollte das Thema Vermögenssteuern noch vor der Präsentation Steuerreform breit diskutieren. Zusammen mit weiteren drei Mitgliedern des Bundesvorstands forderte sie eine Sondersitzung noch diese Woche.

Aus der SPÖ-Bundeszentrale gibt es dazu eine Absage: "Der nächste Vorstand ist heute in zwei Wochen", also mit dem fertigen Ergebnis. Das Verhandlungsteam für die Steuerreform sei ohnedies vom Bundesvorstand eingesetzt worden und informiere laufend. Dahinter steckt auch die Angst, dass Details aus den Verhandlungen an die Öffentlichkeit gelangen.

"Die SPÖ muss endlich eine rote Linie definieren. Je länger sie das herauszögert, desto mehr Leute rennen ihr davon", sagt Kaiser.

Gegen rote Linien bei einzelnen Vermögenssteuern war von Anfang an die rote Gewerkschaft. Die Devise lautet: Im Vordergrund steht die Entlastung, die sich die Arbeitnehmer aber nicht selbst zahlen dürfen.

Die pragmatische Linie ist verständlich: Der Gewerkschaftsbund ÖGB war von Anfang an die treibende Kraft hinter der Steuerreform und hat 800.000 Stimmen dafür gesammelt, um Druck aufzubauen. Entsprechend groß ist der Druck nun auf die Gewerkschaft selbst. "Auf ein Scheitern legt es niemand an, sonst gibt es Neuwahlen", heißt es aus Gewerkschaftskreisen. ÖGB-Boss Erich Foglar habe sich "nie so exponiert mit konkreten Steuern und war hier wesentlich zurückhaltender als Werner Faymann".

Neu auf den Tisch gelegt hat die SPÖ nun eine höhere Kapitalertragssteuer auf Dividenden, die derzeit bei 25 Prozent liegt. Ein führender Gewerkschafter sagt zur "Wiener Zeitung": "Das ist natürlich zu wenig für eine spürbare Entlastung. Ich würde eine Erbschaftsteuer präferieren, danach schaut es aber derzeit überhaupt nicht aus." Die Entlastung "zu nehmen" sei aber ein Muss für den ÖGB.

Sektion 8 überraschend pragmatisch

Was meint Ackerl? Er kapriziert sich nicht auf die Erbschaftsteuer. Eine 35-prozentige KESt auf hohe Vermögen wäre ihm aber zu wenig. "Wertzuwächse über einer Million müssten ordentlich besteuert werden."

Überraschend nüchtern gibt sich die Vorsitzende der linken Wiener SPÖ-Splittergruppe "Sektion 8", Eva Maltschnig. "Ich sehe das pragmatisch. Man muss ausrechnen, was die Menschen bekommen und was sie zahlen." Wenn die Grenze für den Spitzensteuersatz doch nicht erhöht wird, es dafür aber eine Negativsteuer und eine höhere Dividenen-KESt gebe, würde das "Sinn machen".

Im Regierungsprogramm mit der ÖVP stehe schon nichts von einer Vermögens- oder Erbschaftsteuer. "Das hätte man sich vorher überlegen müssen, ob einem das genügt. Es gibt ein Leben abseits der großen Koalition."