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Erfolgsstory mit Vorbehalt

Von Bettina Figl

Politik

Quote und Monitoring: An den Unis gibt es hohe Standards zur Gleichstellung. Andere Institutionen wie die FHs hinken nach.


Wien. 2007 - also vor weniger als zehn Jahren - war Ingela Bruner erste Rektorin des Landes. Aufgrund von "Mobbing und massiven Einschüchterungsversuchen", wie sie es beschrieben hat, legte sie die Funktion an der Spitze der Universität für Bodenkultur (Boku) aber bald wieder zurück. Soziologin Angela Wroblewski forscht am IHS zur Lage der Frauen in der Wissenschaft und beschreibt im Interview, wie Frauen an den Universitäten und Fachhochschulen (FHs) nach wie vor mit Barrieren kämpfen.

"Wiener Zeitung": Mit Edeltraud Hanappi-Egger als WU-Rektorin wird bald jede dritte Uni in Österreich von einer Frau geleitet. Wieso kann man dennoch nicht von einer reinen Erfolgsstory sprechen?Angela Wroblewski: In Hinblick auf Beteiligung von Frauen, auch in Top-Positionen, ist es eine Erfolgsstory. Da hat sich an den Universitäten in relativ kurzer Zeit viel getan. Das aber mit erfolgreicher Gleichstellung gleichzusetzen, wäre verkürzt. Die Zugangsbarrieren wurden reduziert, aber in anderen Bereichen hat sich wenig getan, etwa in der Studienwahl: Wir haben immer noch wenige Frauen, die sich für einen technischen Studienzweig entscheiden.

Wie erklären Sie sich, dass nur 28 Prozent der angehenden Ingenieure an den Unis Frauen sind?

Mit subtilen Exklusionsmechanismen. Studien zeigen, dass sich Frauen wieder zurückziehen, weil sie sich nicht willkommen fühlen.

Wo müsste man ansetzen?

Zentral ist die Ausbildung. Lehrpersonen müssten reflektieren, wie sie handeln. Es geht nicht nur darum, dass Mädchen die Mathematikkompetenz abgesprochen wird, sondern um den allgemeinen Umgang. Hier gibt es bisher wenig Bewusstsein und Sensibilität.

Wie würden Sie den Job der Wissenschafterin beschreiben?

Als spannend und herausfordernd, aber frauen- und familienfeindlich. Man muss zeitlich völlig flexibel und mobil sein, viel publizieren. Die Arbeitszeiten, die denen eines Vollzeitjobs weit übersteigen, werden als größtes Hindernis für eine wissenschaftliche Karriere beschrieben. Um Frauen zu gewinnen und zu halten, aber auch um generell den Beruf attraktiv zu gestalten, muss sich das ändern. Work-Life-Balance ist nicht mehr nur ein Frauenthema.

Inwieweit kann der öffentliche Dienst von der Gleichstellungspolitik der Unis lernen?

Zum Beispiel bei der Quotenregelung: Die Kontroll- und Sanktionsmechanismen sind starke Instrumente, da sind die Unis Vorreiter. Wir brauchen aber einen übergreifenderen Gleichstellungsdiskurs. Unis agieren nicht im luftleeren Raum, sie sind durch externe Rahmenbedingungen beeinflusst.

An Unis gibt es eine Frauenquote für Gremien, FHs müssen die Geschlechterausgewogenheit lediglich "anstreben".

Das ist im FH-Gesetz sehr weich formuliert. Die Formulierung ist zwar ähnlich, aber der Verpflichtungsgrad ist niedriger: Anders als an den Unis gibt es kein Monitoring und keine Arbeitskreise, die ein Veto bei der Zusammensetzung des Gremiums einlegen könnten. Es ist von FH zu FH unterschiedlich, wie Gleichstellung gehandhabt wird. Wenn der hohe Standard der Universitäten auch für FHs, die Pädagogischen Hochschulen und die außeruniversitäre Forschung gelten würde, wäre das ein Fortschritt.

Wo orten Sie Mängel?

Oft werden Ziele für Frauenförderung und -gleichstellung von den Ministerien vorgegeben. An einigen Unis ist Gleichstellung Teil des Profils. Andere thematisieren sie nur in dem Ausmaß, in dem es sein muss. Da gibt es keine ambitionierten Ziele, es wird mit Vorgaben so umgegangen, dass möglichst wenig Wirbel entsteht. Das wirkt sich auf die Umsetzung der Maßnahmen aus. Es wäre ratsam, Teile des Budgets abhängig davon zu vergeben, ob Frauen gefördert oder gleichgestellt werden.

Zwischen 2002 und 2009 gab es elf Prozent mehr Frauen in Wissenschaft und Forschung. Das ist immer noch unter dem EU-Schnitt von 33 Prozent. Wieso?

Es war ein niedriges Startniveau. Seit Anfang der Nullerjahre sind Frauen in der Mehrzahl bei den Absolventinnen, das wirkt sich auch im Zugang zum Berufsfeld Wissenschaft aus. Aber es ist noch ein langer Aufholprozess.

Diskriminierung ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, Sie fordern einen breiteren Gleichstellungsdiskurs. Gibt es den nicht?

Ich nehme ihn nicht wahr. Gleichstellung wird wie eine heiße Kartoffel weitergereicht: Manche Unis machen für fehlende Kinderbetreuung die Gesellschaft oder die Gemeinde verantwortlich, für die Studienwahl die Schule. Die Schulen sagen, die Kindergärten sind zuständig. Jede Institution muss sich überlegen, was ihr Beitrag sein kann.

Die erste Rektorin Ingela Bruner hat ihr Amt wegen Mobbing niedergelegt. Wäre das heute denkbar?

Natürlich. Es ist bis heute nicht selbstverständlich, dass Frauen in diese Positionen kommen.

Werden Frauen anders bewertet?

Professorinnen erzählen, dass sie stärker nachweisen müssen, dass sie exzellent sind, um nicht in den Verdacht zu kommen, sie seien Quotenfrauen. Frauen stehen sicher stärker unter Beobachtung. Aber es ist Tatsache, dass sie jetzt da sind. Ich gehe davon aus, dass das in Zukunft etwas verändern wird.

Angela Wroblewski
geb. 1969, ist Soziologin am Institut für Höhere Studien (IHS). Ihr Forschungsgebiet sind Gleichstellungsmaßnahmen in Wissenschaft und Schulen.