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Grüssi, Herr Kommissär

Von Walter Hämmerle

Politik

Für zahlungsunfähige Gemeinden gibt es ein klares Prozedere.


Wien. Jeder Schuldner kann sich überschulden. Dass diese simple Logik auch für die öffentliche Hand gilt, wissen wir zwar aus der Geschichte: Österreich musste in den letzten Jahrhunderten gleich fünfmal den Offenbarungseid leisten, Spanien gar siebenmal (als Herrscherhaus dürften die Habsburger den einschlägigen Rekord halten), getroffen hat es sogar die Engländer, das war allerdings im 14. Jahrhundert; streng genommen war auch das Ende des Bretton-Woods-Abkommens 1971 durch die USA die einseitige Aufkündigung einer Zahlungsverpflichtung.

Trotz dieser Faktenlage hat sich in Österreich die Möglichkeit einer Zahlungsunfähigkeit des Staats aus dem öffentlichen Bewusstsein verabschiedet. Erst mit der De-facto-Pleite Kärntens beginnt sich dies langsam zu ändern. Und seit Anfang der Woche liegt auch der Satz von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner auf dem Tisch, man müsse über ein Insolvenzrecht für die Länder nachdenken. Dass ein solches auch für den Bund fehlt, vergaß er freilich zu erwähnen.

Zwar kein Insolvenzrecht, sehr wohl aber ein eingespieltes Prozedere für den Fall der Zahlungsunfähigkeit existiert dagegen für die derzeit 2102 Gemeinden in Österreich (die Zahl verringerte sich aufgrund der Zusammenlegungen in der Steiermark erheblich). Und das in den Grundzügen schon seit der Monarchie: Das zuständige Zivilgericht entschied damals, welches Vermögen der Gemeinde für eine Bedienung der Gläubiger herangezogen und welches vor dem Zugriff geschützt wurde.

Dass Gemeinden ihre Geschäfte nicht rechtskonform und ordnungsgemäß führen, geschieht zwar nicht häufig, aber doch immer wieder. Der spektakulärste Fall der letzten Jahre war das steirische Fohnsdorf, wo ein unrentabler Thermenbau eine ohnehin schon marode Kommune 2010 in den finanziellen Orkus stürzte.

Am Zug ist in solchen Fällen die Landesregierung, die den Gemeinderat auflöst, den Bürgermeister absetzt und einen Regierungskommissär einsetzt, der dann die Geschäfte führt. Als Aufsichtsbehörde ist das Land zu diesem Vorgehen verpflichtet. Kontrolliert wird das Gebaren der Kommunen von der Gemeindeaufsicht des Landes und der jeweiligen Bezirkshauptmannschaft; Prüfkompetenzen haben weiters der Bundesrechnungshof für Gemeinden mit über 10.000 Einwohner sowie - in manchen Bundesländern zumindest - die Landesrechnungshöfe für alle kleineren.

Regierungskommissärals ultima ratio

Den Stein für ein Eingreifen der Aufsichtsbehörde ins Rollen bringen auch heute noch die Zivilgerichte, indem ein Gläubiger auf Zahlung einer Schuld klagt und die Gemeinde dem nicht nachzukommen imstande ist. Die Aufsichtsbehörden sind jedoch nicht weisungsberechtigt gegenüber den Gemeinden, weil diese selbstständige Körperschaften sind.

Die Einsetzung eines Regierungskommissärs ist - als schwerstes zur Verfügung stehendes Geschütz der Aufsicht - demokratiepolitisch eine heikle Sache, immerhin werden die gewählten Gremien, also Gemeinderat und Bürgermeister, entmachtet. Deshalb ist ein solch radikaler Schritt nur die ultima ratio, zumal die Aufsichtsbehörden angewiesen sind, schonend vorzugehen.

Die Notwendigkeit umfassender Kontrolle sowie verbindlicher Regeln im Falle einer Zahlungsunfähigkeit wird deutlich, wenn man weiß, wie viel Risiko auch in den Gemeinden schlummert. Laut Rechnungshof halten die Kommunen zwar im Unterschied zu den Ländern auf dem Papier ihre Haftungsobergrenze von 8,442 Milliarden Euro ein, faktisch lasse dies jedoch keinerlei Rückschluss über die tatsächlichen in den Bilanzen und ausgegliederten Unternehmungen schlummernden Risiken zu. Hinzu kommt ein Wildwuchs an föderalen Vorgaben und Bestimmungen.

Immerhin: Seit Einführung des nationalen Stabilitätspakts 2012 soll sich nicht nur das politische Bewusstsein für die Problematik, sondern auch die tatsächliche Lage deutlich verbessert haben.