
Wien. Sollten SPÖ und ÖVP bis zur Steuerreform nicht noch Überraschungen aus dem Hut zaubern: Das Reformwerk könnte in Ökonomie-Lehrbücher eingehen - als Beispiel dafür, wie sich politischer Wunsch und ökonomische Wirklichkeit widersprechen.
Wunsch: Die Steuern auf Arbeit um fünf Milliarden senken, aber keine neuen Schulden machen, heißt Nulldefizit 2016. Wirklichkeit: "Nach meiner Einschätzung kann sich das nicht ausgehen. Die Reform wird wohl teilweise auf Pump finanziert", sagt der Ökonom von ecoAustria, Ulrich Schuh.
"Zur Erreichung des angestrebten strukturellen Nulldefizits im Jahr 2016 sind entsprechende Gegenmaßnahmen erforderlich", warnt bereits der Budgetausschuss des Parlaments. Er listet kleine und große Budget-Bömbchen auf - die Steuerreform noch gar nicht inbegriffen. So sollte eine Finanztransaktionssteuer auf Börsengeschäfte ab 2016 satte 500 Millionen bringen. Das Problem: Es gibt sie noch nicht. Wenn überhaupt, spült sie ab 2016 schüchterne 100 Millionen Euro ins Staatssäckel. Wie das Finanzministerium bestätigt, werden die Erwartungen im April um 400 Millionen nach unten geschraubt. "Dann braucht es noch mehr Budget-Disziplin", heißt es aus dem Ministerium dazu. Dazu kommen 300 Millionen für den Kampf gegen den Terror und höhere Kosten für Landes-Lehrer.
Zurück zur Steuerreform. Warum nicht auf Pump? Wie der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble so schön sagte: "Regieren ist ein Rendezvous mit der Realität." Zumindest ist es ein regelmäßiges Rendezvous mit Brüssel. Denn die EU macht den Staaten Vorgaben für ihre Haushaltspolitik. Für Österreich: ein Nulldefizit 2016. Schuh kann sich nicht vorstellen, dass die EU eine Verschiebung des Nulldefizits wegen der Steuerreform akzeptieren würde. Österreich habe nicht zuletzt wegen der endlosen Abwicklung von Volksbank oder Hypo keinen Vertrauensvorschuss.
Einspruch: Die Regierung sagt doch, dass sie die Senkung der Lohnsteuer "gegenfinanziert". Was vorne weniger an Steuern reinkommt, geht hinten dank Einsparungen weniger raus (ÖVP) oder kommt durch Vermögenssteuern wieder vorne rein (SPÖ).
Milliarde I
Der Gegenfinanzierungsplan im Detail: Zu einer Milliarde finanziert sich die Steuerreform selbst, sagt die Regierung. Die Logik: weniger Steuer, mehr Geld zum Ausgeben, dadurch neue Einnahmen für den Staat, etwa über die Mehrwertsteuer. Angepeilter Selbstfinanzierungsgrad: 17 Prozent. Bei der Steuerreform 2003 unter Karl-Heinz Grasser waren es im ersten Jahr 11 Prozent. Na gut, ist man halt optimistischer. Doch Grassers Reform kam ohne gleichzeitiges Sparpaket und ohne Steuererhöhungen aus. Diesmal sollen aber vier Milliarden geholt werden, indem man Förderungen kürzt, die Mehrwertsteuer auf gewisse Güter erhöht, bei Beamtengehältern spart oder Steuerbetrüger zur Ehrlichkeit zwingt. All das fehlt den Betroffenen natürlich im Börsel. Die vier Milliarden müssen also von den fünf Milliarden abgezogen werden. Der Schub für die Wirtschaft schrumpft auf eine Milliarde.