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Nulldefizit hält nicht

Von Marina Delcheva

Politik
© WavebreakmediaMicro /Fotolia

Die Steuerreform wird laut Fiskalrat-Präsident Felderer das Defizit erhöhen. Nulldefizit 2016 kaum möglich. Die Konjunktur erholt sich heuer nur schleppend.


Wien. Die nach derzeitigem Stand fünf Milliarden schwere Steuerreform wird für den Staatshaushalt eine immense Herausforderung. Das vom Finanzministerium angepeilte strukturelle Nulldefizit für 2016 "werden wir aus heutiger Sicht nicht erreichen können", sagt Bernhard Felderer, Präsident des österreichischen Fiskalrates, zur "Wiener Zeitung". Am Montag wird der Fiskalrat seine Berechnungen veröffentlichen.

Als Grund dafür nennt Felderer fehlende Strukturreformen, die aber notwendig sind, um die Staatsausgaben zu senken. Außerdem würde zwar die Tarifentlastung sofort wirksam werden, geplant ist diese ab 2016, die Einnahmen aus der geplanten Gegenfinanzierung würden aber "bestenfalls" zwei bis drei Jahre später schlagend werden.

Auch das Wirtschaftsforschungsinstitut rechnet in seiner Prognose nicht mit einem strukturellen Nulldefizit vor 2019. Angesichts der schwachen Konjunktur - die Nationalbank rechnet mit einem Wachstum von 0,2 bis 0,3 Prozent in der ersten Jahreshälfte - und der steigenden Arbeitslosenzahlen wird es schwierig, den eingeschlagenen Budgetpfad zu halten. Eine Entlastung in der Höhe von fünf Milliarden macht etwa 1,5 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung aus. Das ist aber noch gar nicht im Budget berücksichtigt. Deshalb wird die Tarifsenkung, zumindest am Anfang, vermutlich auch auf Pump finanziert werden müssen.

Wachstum bleibt schwach

Die Steuerreform soll auch etwas Schwung in die stockende Wirtschaft bringen. Mit 0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) fiel das Wirtschaftswachstum im Vorjahr "enttäuschend" aus, wie sich die Ökonomen der Nationalbank (OeNB) in ihrer Analyse ausdrücken. Und auch heuer ist keine nennenswerte Erholung in Sicht. Für die ersten beiden Quartale 2015 rechnet die OeNB mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von nur 0,2 und 0,3 Prozent.

Was das Wachstum angeht, steht Österreich im EU-Vergleich nicht gut da. Deutschlands Wirtschaft ist im Vorjahr um 1,5 Prozent gewachsen und soll heuer um weitere 1,4 Prozent zulegen. In der Euro-Zone wird ein Wachstum von 1,3 Prozent erwartet.

Durch niedrigere Steuern sollen die Menschen wieder mehr Geld zum Ausgeben haben und damit für Aufschwung und Arbeitsplätze sorgen. Die einfache Rechnung mehr Geld ist gleich mehr Konsum und damit mehr Wachstum könnte aber etwas schwieriger aufgehen. Durch die Steuersenkung erwarte man sich eine Kaufkraftstärkung von 850 Millionen Euro jährlich, heißt es aus Regierungskreisen. Das Geld, das den Menschen durch niedrigere Steuern im Börsel bleibt, soll in den Konsum fließen und damit die Wirtschaft beleben.

"Es gibt keine Wunder"

Mehr Kaufkraft bedeutet mehr Nachfrage, so die Theorie. Aber: "Man muss sich ansehen, wie die Reform gegenfinanziert wird und da muss gegebenenfalls dann gegengerechnet werden. Es gibt keine Wunder", so die "persönliche Meinung" von Felderer. Wenn auf der anderen Seite Steuern erhöht würden, etwa die Grunderwerbsteuer oder in Form von Streichung von Mehrwertsteuerausnahmen, könne das die Kaufkraft schwächen.

Konsum ist außerdem schwierig zu prognostizieren, weil hier immer auch psychologische Effekte mitwirken. Derzeit ist die Stimmung in Österreich durch die steigende Arbeitslosigkeit, die Unsicherheit rund um die Steueränderungen und die schwachen Investitionen getrübt. Die Konsumenten könnten sich also genauso gut entscheiden, ihr Geld für schlechte Zeiten auf die Seite zu legen.

"Die Hoffnungen auf Belebung stützen sich weniger auf die Reform, sondern auf steigende Exporte und Investitionen. Unser Hauptaugenmerk muss auf den Investitionen liegen", sagt Felderer. Und das Investitionsklima ist hierzulande mehr als getrübt. Das Investitionsniveau hat noch nicht das Vorkrisenniveau erreicht. Die Stimmung bei Investoren ist laut EU-Kommission hierzulande besonders schlecht. Grund dafür sind laut Felderer die Unsicherheiten und Diskussionen rund um die Steuerreform, Rechtsunsicherheit und hohe Abgaben. Sobald die Steuerreform beschlossen ist, könne sich das aber auch rasch ändern, weil Unternehmen dann wieder mehr Planungssicherheit hätten.

Dass die Steuerreform das Investitionsklima erhellt, darf aber bezweifelt werden. Die Pläne der Bundesregierung sehen zum jetzigen Zeitpunkt eine Tarifentlastung, also Senkung der Einkommensteuer, im Umfang von 4,9 Milliarden Euro und ein Familienpaket von 100 Millionen vor. Von der von der ÖVP geforderten Entlastung für Unternehmen scheint auf den ersten Blick nicht viel übrig geblieben zu sein.

Trotz allem ist die tatsächliche Situation in Österreich besser, als es die Stimmung derzeit vermuten lässt, so die OeNB. Die Exporte und die Industrie entwickeln sich positiv. Der derzeit schwache Euro - verglichen mit dem US-Dollar und dem Schweizer Franken -beflügelt die Exportwirtschaft, weil dadurch europäische Güter auf dem Weltmarkt billiger werden. Außerdem haben die niedrigen Energiepreise die Inflation gedrückt. Dadurch sind die Reallöhne so stark wie seit Jahren nicht mehr.