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Gewinner und Verlierer

Von Marina Delcheva

Politik

Niedrigverdiener und Arbeitnehmer werden entlastet - Freizeit wird teurer - kleine Betriebe, Anleger und Spitzenverdiener zahlen drauf.


Wien. Anna M. arbeitet als Friseurin in Wien und verdient circa 1500 Euro brutto. Ab 2016, wenn die Steuerreform in Kraft tritt, bleiben der jungen Frau jährlich 434 Euro mehr. "Naja, ein Monat Miete. Nicht so schlecht", sagt sie. Die Gewinner der Tarifentlastung in der Höhe von 4,9 Milliarden Euro sind auf den ersten Blick Klein- und Mittelverdiener mit einem Gehalt von weniger als 4500 Euro brutto monatlich.

Etwa 90 Prozent der geplanten Entlastung entfallen auf diese Gruppe. Wer 1400 Euro brutto im Monat verdient, spart sich künftig fast die Hälfte der Lohnsteuer. Bei einem Einkommen von 2100 Euro brutto beträgt die Lohnsteuersenkung 30 Prozent. Auch Pensionisten und Kleinstverdiener, die weniger als 11.000 Euro jährlich bekommen, können sich künftig mehr Geld beim Finanzamt abholen. Die Negativsteuer für Geringverdiener wird von 110 auf 400 Euro jährlich erhöht. Pensionisten bekommen künftig eine Steuergutschrift von 110 Euro pro Jahr.

Familien sollen jährlich im Umfang von 100 Millionen Euro von der Steuerreform profitieren. In welcher Form, das ist noch nicht bekannt. Unternehmer profitieren dem Vernehmen nach in der Höhe von 500 Millionen Euro von der Tarifentlastung, weil sie dadurch ebenfalls weniger Einkommenssteuern zahlen.

Von der neuen Brutto-Netto-Rechnung muss aber jener Teil abgezogen werden, den die Bürger quasi selbst bezahlen. Um die Entlastungen zu finanzieren, sollen unter anderem eine Reihe Ausnahmen im Steuerrecht gestrichen werden. Fallen soll etwa die steuerliche Erleichterung für Dienstwagen. Ausgaben für private Pensions-, Unfall- oder Lebensversicherungen sowie für Wohnraumbeschaffung und -sanierung sollen in Zukunft nicht mehr absetzbar sein.

Schellings Veltliner ab Hof7 Cent teurer

Und eine Reihe von verminderten Mehrwertsteuersätzen werden von derzeit 10 auf 13 Prozent angehoben. Künftig werden Kino-, Museums- und Theaterkarten, Schnittblumen, Hundefutter, Schwimmbadbesuche und Hotelnächtigungen teurer. Auch der Ab-Hof-Verkauf von Wein wird ab 2016 mit 13 statt mit 12 Prozent besteuert. Künftig kostet also beispielsweise eine Flasche des Grünen Veltliners "Messwein" von Finanzminister Schellings Weingut Herzogenburg sieben Cent mehr im Ab-Hof-Verkauf, wir eine Anfrage der "Wiener Zeitung" ergab.

Die Ausnahmenstreichung soll 250 Millionen Euro zusätzlich in die Kassa spülen. Das bringt vor allem Hoteliers auf die Palme. "Unsere Wettbewerbssituation verschlechtert sich schlagartig", beklagt die Österreichische Hoteliervereinigung, weil in Deutschland ein Steuersatz von sieben Prozent auf Hotelnächtigungen gelte.

Ein extra Zuckerl soll es auch für die Wirtschaft geben. Neben der fünf Milliarden schweren Reform verspricht das Finanzministerium 100 und dann 200 Millionen Euro für Unternehmen. Konkret soll die steuerlichte Begünstigung der Mitarbeiterbeteiligung von derzeit 1460 auf 3000 Euro pro Jahr ausgeweitet werden. Außerdem wird die Forschungsprämie von zehn auf zwölf Prozent erhöht. "Das ist ein Signal an die Leitbetriebe, die ja eine sehr wichtige Funktion für Österreich haben", so Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, zur "Wiener Zeitung". Außerdem zeigt er sich erfreut, dass die Schenkungs-, Erbschafts- und Vermögenssteuern "abgewendet" wurden.

Kleine Betriebe undAnleger als Verlierer

Das Wirtschaftspaket soll auch kleine Betriebe entlasten, etwa in Form von vereinfachten Steuererklärungen oder noch nicht näher erläuterten Finanzierungspaketen. Von einer Forschungsprämie und Mitarbeiterbeteiligungen profitieren kleine Kaffeehäuser, Designbüros oder Imbissbuden aber eher nicht.

Anna M.s Chef, der Besitzer des Friseursalons, der nicht namentlich genannte werden möchte, freut sich nicht so recht über die Steuerreform. "Ich bin skeptisch, wie das jetzt mit den Registrierkassen wird und was mich das zusätzlich kosten wird", sagt er. Außerdem seien "leider" die Lohnnebenkosten, die er für seine zwei Angestellten berappt, nicht gesenkt worden.

Die Bundesregierung möchte 1,9 Milliarden der Reform durch Betrugsbekämpfung finanzieren. Darunter fällt beispielsweise die Einführung der Regeistrierkassenpflicht ab einem Jahresumsatz von 15.000 Euro, mit wenigen Ausnahmen. Die soll 900 Millionen zusätzlich bringen. Das trifft vor allem kleine Betriebe, die es bisher nicht sehr ernst mit der Steuermoral genommen haben. Außerdem sollen Finanzbehörden künftig bei Abgabenprüfungen auch ohne Gerichtsbeschluss die Konten von Unternehmen einsehen dürfen. Daraus erhofft man sich 700 weitere nicht verteuerte Millionen.

Mit der Einführung des Spitzensteuersatzes auf 55 Prozent ab einem Einkommen von einer Million Euro jährlich dürften auch die knapp 400 Menschen, die das in Österreich betrifft, nicht zufrieden sein. Damit liegt Österreich übrigens im EU-Spitzenfeld, was den Spitzensteuersatz betrifft. Neben der Millionärssteuer light hat die SPÖ auch eine Erbschaftssteuer light durchgebracht. Bei Erbschaften und Schenkungen steigt die Grunderwerbssteuer auf 3,5 Prozent, wenn das Grundstück mehr als 300.000 Euro kostet. Außerdem wird die Immobilienertragssteuer für Zweit- und Drittwohnsitze auf 30 Prozent angehoben.

Die Erhöhung der KESt auf Dividenden und Wertpapiererträge auf 27,5 statt 25 Prozent soll 150 Millionen zusätzlich bringen. Das trifft naturgemäß private Anleger, aber auch Unternehmen, die über Anleihen und Beteiligungen zu Kapital kommen. "Statt Eigenkapital zu fördern, erschwert man den Zugang", sagt Börse-Vorstandsmitglied Birgit Kuras. Die Erhöhung treffe auch den Mittelstand, zum Beispiel jene Personen, die eine fondsgebundene Lebensversicherung abgeschlossen haben.