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"Hang zur Voodoo-Politik"

Von Simon Rosner

Politik

Budgetexperte und Grün-Politiker Bruno Rossmann sieht Gefahr für Kürzungen, wenn Finanzierung nicht hält.


"Wiener Zeitung": Die Regierung hat am Dienstag ihre Steuerreform und Maßnahmen zur Gegenfinanzierung präsentiert. Muss man sich um das Budget für 2016 Sorgen machen?Bruno Rossmann: Alle Steuerreformen haben das Problem, dass der Entlastungseffekt sofort, die Gegenfinanzierung erst mit Zeitverzögerung eintritt. Ein anderer Effekt im Hinblick auf das Budget 2016 ist aber, ob die Gegenfinanzierung tatsächlich auch mit den entfallenden Steuereinnahmen übereinstimmt. Da habe ich Zweifel.

Was genau zweifeln Sie an?

Die Bereiche Förderungen und Verwaltung sind noch gar nicht spezifiziert, anderes wird möglicherweise nicht kurzfristig und nicht in dieser Höhe eintreffen, etwa durch die Steuerbetrugsbekämpfung. Was mit Sicherheit überhöht ist, ist die Selbstfinanzierung, weil die Tarifentlastung sehr stark in der Mitte und oben entlastet. Das führt aber dazu, dass die Konsumeffekte nicht so ausfallen werden, dass die berechneten Selbstfinanzierungseffekte eintreten werden. Und für das Budget 2016 kommt noch ein weiterer Effekt hinzu: die konjunkturelle Schwäche.

Ihr ehemaliger Parteichef Alexander Van der Bellen hat einmal den Begriff Voodoo-Politik geprägt. Sind 1,9 Milliarden Euro aus dem Kampf gegen Steuerbetrug und 850 Millionen aus Selbstfinanzierung Voodoo?

Es hat den Hang zur Voodoo-Politik. Erstens dürfte die Selbstfinanzierung nur bei 200 bis 300 Millionen Euro liegen und zweitens sind Maßnahmen für die Verwaltungsreform so oft angekündigt worden, dass ich Zweifel haben muss, dass die Regierung sie diesmal umsetzen wird.

Was passiert, wenn es sich nicht ausgeht?

Österreich hat die Ziele des Fiskalpakts bereits verschoben. Das bedeutet aber auch, dass die EU-Kommission sehr genau schauen wird, ob Österreich 2016 die Ziele erreichen wird. Insofern ist der Druck sehr hoch.

Was dann? Kürzungen?

Die Gefahr, dass Ausgabenkürzungen zur Gegenfinanzierung verwendet werden, sehe ich schon. Die Reformen im Pensionsbereich bedeuten ja auch Kürzungen von Leistungen. Aus Verteilungsstudien wissen wir, dass bei Kürzungen auf der Ausgabenseite tendenziell niedrige Einkommen stärker betroffen sind als höhere.

Wie würden Sie das vorgestellte Paket einordnen? Sozialdemokratisch gefärbt? Eher wirtschaftsliberal?

Ich würde das so beantworten: Die Gewinner sind sicher die Reichen und Superreichen, denn die werden am wenigsten zur Kasse gebeten. Die Regierung will uns zwar das Gegenteil weismachen, aber das stimmt einfach nicht. Klare Verlierer sind untere Einkommen und Frauen, denen nur ein Drittel der Entlastung zugutekommt. Eine ganztags beschäftigte Verkäuferin wird bezogen auf ihr Nettoeinkommen weniger stark entlastet als ein Nationalratsabgeordneter, das kann doch nicht sein! Und wer noch draufzahlt, ist die Umwelt durch das Fehlen von ökologischen Steuern.

Ein paar kleine Türen hat die Regierung für Verhandlungen noch offen gelassen. Sie wird bei einigen Gesetzesänderungen eine Zweidrittelmehrheit benötigen. Werden die Grünen für eine Zustimmung eine stärkere Ökologisierung fordern?

Das ist einer der Punkte. Das Mindeste, was wir wollen, ist eine Betrugsbekämpfung, die nicht im kleinen Bereich verhaftet bleibt, sondern dort zugreift, wo die großen Fische Steuern hinterziehen.

Die Regierung hat es aber auch auf den alltäglichen Pfusch abgesehen.

Das ist grundsätzlich auch sinnvoll, es hat ja auch mit Steuergerechtigkeit zu tun. Wenn das aber zu Kontrollen führt, die zu weit gehen, wäre das schon problematisch. Ich sehe aber nicht ein, warum Steuerhinterziehung als Kavaliersdelikt betrachtet wird.

Wo würden die Grünen einsparen, sollte es sich 2016 nicht ausgehen?

Wir sehen große Einsparungsmöglichkeiten bei umweltschädlichen Subventionen, etwa bei der steuerlichen Begünstigung für Dienstwägen. Oder auch bei Doppelförderungen. Das ist jetzt kein Riesenpotenzial, aber es wären mehrere Hundert Millionen Euro.

Die Grünen fordern ja aber auch mehr Ausgaben, vor allem im Sozial-, Bildungs- und Wissenschaftsbereich. Allein bei den Unis sind wir schon im Milliardenbereich?

Die Milliardenbeträge bei den Unis sind nur die kumulierten Beträge. Eine andere Möglichkeit wäre aber, dass man stärker in Umschichtung denkt. Brauchen wir wirklich so viel Geld in der Landwirtschaftsförderung? Brauchen wir wirklich so viel bei umweltschädlichen Subventionen?

Aber gibt es dazu überhaupt eine politische Debatte? Denn wenn man, zum Beispiel, die Landwirtschaftsförderungen zurückdreht, muss man akzeptieren, dass das Schnitzel teurer wird.

Natürlich braucht es eine Debatte dazu. Ich glaube aber nicht, dass alles gleich teurer werden würde. Im Gegenteil: Würde man jetzt bei schwacher Konjunktur Wirtschaftsförderungen kürzen, wäre das sogar eine Ankurbelungsmaßnahme, weil die Betriebe dann einige Investitionen vorziehen würden, um in den Genuss der Förderungen zu kommen.

Aber hinter jeder gestrichenen Förderung stehen eben auch Verlierer?

Nehmen wir doch ein Beispiel aus dem Ministerratsvortrag: Die Forschungsprämie soll auf 12 Prozent erhöht werden, das kostet 80 Millionen Euro und fördert im Prinzip nur Großunternehmen. Das ist nicht die zielgerichtete Forschung, die wir gerne forcieren würden. Hier wird Geld beim Fenster rausgeworfen. Oder: Der Kinderfreibetrag wird von 220 auf 440 Euro pro Jahr erhöht. Das kommt aber jenen, die keine Lohnsteuer zahlen, überhaupt nicht zugute. Das gehört sofort wieder rückgängig gemacht. Auch hier werden 100 Millionen Euro beim Fenster rausgeworfen.

Bruno Rossmann ist Ökonom und Budgetsprecher der Grünen im Nationalrat, dem er zwischen 2006 und 2008
und dann wieder ab 2012 angehört. Der 52-jährige Villacher arbeitet seit 1981 in der Wiener Arbeiterkammer. In der Abteilung Wirtschaftswissenschaft ist Rossmann Budgetexperte.