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Schelling drängt auf Reformschub

Von Brigitte Pechar

Politik

Regierung zurrt bei Klausur neue Pakete fest: Verwaltung, Pensionssystem und Arbeitsmarkt werden reformiert.


Wien. "Verlassen Sie sich darauf, 2016 wird es ein (strukturelles, Anm.) Nulldefizit geben." Finanzminister Hans Jörg Schelling ist überzeugt, dass die Regierung sowohl eine steuerliche Entlastung von 5 Milliarden Euro als auch die Einhaltung des Budgetpfades schafft. Vorausgesetzt, dass die Begehrlichkeiten in den Ressorts sich in Grenzen halten und der Reformeifer erhalten bleibt.

Denn die Wünsche sowohl in der Bevölkerung als auch seitens der Stakeholder in den unterschiedlichsten Bereichen sind vielfältig: flächendeckende Einrichtung von Ganztagsschulen; die tägliche Turnstunde; mehr Lehrer für Teamteaching; Schulen, die ein breites Sport- und Freizeitprogramm auch von der Infrastruktur her ermöglichen; ein zweites Kindergartenjahr gratis, Akademisierung von Kindergartenpädagogen; mehr psychologische und ärztliche Betreuung in den Gefängnissen, um Verwahrlosungen zu verhindern; mehr Seelsorger und Psychologen, um einer Radikalisierung der Jugendlichen in den Gefängnissen vorzubeugen; Ausbau von Hospizeinrichtungen und Palliativstationen; Psychotherapie auf Krankenschein; mehr Geld für Integration; Ausbau der Kurse für Arbeitslose; Unterstützungen bei der Wiedereingliederung in den Beruf. Die Liste ist unvollständig und ließe sich in extenso verbreitern.

"Genug der Reden"

Von all dem ist jetzt einmal gar nicht die Rede. Vielmehr geht es darum, die Auswirkungen der schwachen Konjunktur und den Einnahmenausfall durch die Steuerreform zu kompensieren. "Zur Unterstützung der Ziele bekennt sich die Bundesregierung zu Reformen in den Bereichen Verwaltung, Förderungen, Arbeitsmarkt und Pensionen, wie sie unter anderem bereits im Regierungsübereinkommen festgelegt wurden." So steht es in dem beschlossenen Ministerratsvortrag vom Dienstag. Aber Finanzminister Schelling ist fest entschlossen, keine Zeit verstreichen zu lassen und nach dem Muster der Steuerreform auch hier vorzugehen: Es werde mit den Ressortministern ein Zeitplan ausgearbeitet und ein Projektmanagement aufgesetzt. Bei der Regierungsklausur kommende Woche Montag und Dienstag in Krems soll genau das festgezurrt werden. "Am Ende steht ein Paket, das termingerecht geliefert wird", sagte Schelling Dienstag Abend bei einem Hintergrundgespräch mit Journalisten.

Laut Steuerreform soll eine Verwaltungs- und Förderreform 1,1 Milliarden Euro zur Gegenfinanzierung beisteuern - der Bund wird davon zwei Drittel, die Länder ein Drittel schultern. So werden zum Beispiel ab 2016 auf Bundesebene alle Förderungen eingefroren. Jedes Ressort könne selbst entscheiden, wie es damit umgehe. Die Förderungen für Forschung und auch jene mit einer Co-Finanzierung (betrifft alle EU-Förderungen) seien davon nicht betroffen, beruhigte Schelling.

In der Verwaltung werde das so erledigt, wie man es bei der Gesundheitsreform vorgezeigt habe: Die Kostensteigerung soll von 2,7 Prozent auf 1,7 Prozent gedämpft werden. Schelling erwartet alleine daraus von 2016 bis 2020 drei Milliarden Euro. Das gehe nicht alleine durch natürliche Personalabgänge, sondern müsse sich auch im Sachaufwand widerspiegeln.

Die Umsetzung der Vorschläge des Rechnungshofs und der Aufgabenreformkommission würden durch ein Monitoring begleitet. So könne jeder Bürger sehen, was umgesetzt werde. Denn nach 20 Jahren der Debatten um eine Verwaltungsreform könnten die Menschen das nicht mehr hören. "Wir müssen von den Ankündigungen zu Resultaten kommen", betonte Schelling.

Bonus-/Malus-System kommt

Die Themen Pensionen und Arbeitsmarkt liegen beide in den Händen von Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Dieser will heute im Detail darüber informieren. Aber sehr wahrscheinlich ist, dass das seit 2013 heiß diskutierte Bonus-/Malus-System für Betriebe kommen wird. Damit sollen ältere Arbeitnehmer länger im Job gehalten werden. Betriebe, die bei der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer unter dem Branchendurchschnitt liegen, sollen Strafe zahlen. Jene, die darüber liegen, Förderungen erhalten. Im Grunde soll das Bonus-/Malus-System eine kostenneutrale Lösung sein.

Was den Arbeitsmarkt betrifft, hat der Finanzminister nur sehr allgemein angemerkt, dass es nicht unbedingt darum gehe, die Mittel zu kürzen, sondern Ineffizienzen zu eliminieren. Aber eines richtete er seinem Kollegen Hundstorfer aus: "Was nicht geht, ist: Noch mehr Geld in Ineffizienzen zu pumpen."

Und schließlich steht auch der Bereich der Bildung auf der To-do-Liste der Regierung. Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek verhandelt über ein Paket zur Schulverwaltung. Im Großen und Ganzen wird die Verlagerung der Verwaltung aller Lehrer zu den Ländern in neun Bildungsdirektionen diskutiert. Lehrinhalte und Controlling bleiben beim Bund. Die Schulen sollen am meisten von dieser Reform profitieren, sie sollen zum Schlüssel für den neuen Bildungsaufbruch werden: Die Schulleiter - nicht zwingend Lehrer - sollen ihre Lehrer selbst aussuchen können, sie sollen teilweise über Finanzmittel verfügen, um Anschaffungen beziehungsweise Lehrerhonorare austarieren zu können. Sie sollen Schulschwerpunkte festlegen und Schulzeiten sowie Unterrichtszeiten autonom festlegen können. Das alles bei fixen Schulöffnungszeiten.

Aber in der Bildung wird vermutlich kein Geld zu holen sein, da kommt es eher darauf an, dass die 8 Milliarden des Unterrichtsbudgets auch bei den Schülern ankommen.

Was die Gegenfinanzierung von 1,9 Milliarden Euro aus der Betrugsbekämpfung betrifft, ist Schelling - trotz sehr vieler Unkenrufe von Experten und Opposition - sicher, sie heben zu können. Dazu würden 500 neue Mitarbeiter eingestellt.

Höhere Steuer als eingepreist

Am Mittwoch eröffnete der Chef der s-Bausparkasse, Josef Schmidinger, dass der Finanzminister von anderer Seite sogar mehr zu erwarten hätte, als veranschlagt. Mit der neuen Grunderwerbsteuer verteuert die Regierung nämlich das Schenken und Erben von Immobilien. "Ich schätze, das wird über 300 Millionen Euro bringen", sagte Schmidinger. Die Regierung schätzt 35 Millionen.

"Ein durchschnittliches Einfamilienhaus kostet heute 250.000 bis 300.000 Euro und in diesem Bereich greift der Fiskus zu", argumentierte Schmidinger. Die Umstellung der Steuerbemessungsgrundlage vom weitaus billigeren Einheitswert aus den 70er-Jahren auf den tatsächlichen Verkehrswert (Marktwert) einer Immobilie soll laut Regierung 35 Millionen Euro pro Jahr einspielen. Dieser angegebene Wert sei "weit untertrieben", so Schmidinger. "Ich nehme an, dass 85 Prozent der Fälle mehr Steuern bezahlen werden."

Beim Erben und Schenken von Immobilien im Familienverband war bisher ein ermäßigter Grunderwerbsteuersatz von 2 Prozent auf den dreifachen Einheitswert aus den 70er-Jahren fällig. Künftig gilt der aktuelle Marktwert der Immobilie als Basis. Bis zu einem Wert von 250.000 Euro sind laut Neuregelung 0,5 Prozent (bisher 2 Prozent) Grunderwerbsteuer fällig, bis zu 400.000 Euro 2 Prozent und über 400.000 Euro 3,5 Prozent. Ab einem Marktwert der Immobilie über 400.000 Euro erhöht sich der Steuersatz von derzeit 2 auf 3,5 Prozent.