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Spuck mich glücklich

Von Jelena Pantic, Nour Khelifi und Schadi Mouhandes

Politik
Ein teuflischer Gefährte,meinen manche.Corbis

Andere Sitten andere Bräuche, anderer Aberglaube. Im Balkan spuckt man auf Kinder und im Nahen Osten fürchtet man sich vor dem Wiehern von Eseln. Auch in Wien wird der eine oder andere Aberglaube praktiziert. Eine Navigationshilfe.


Wien. Wenn Sie jemandem auf den Straßen Wiens ein Kind bespucken sehen, müssen Sie nicht gleich das Jugendamt verständigen. Es könnte sich um ein abergläubisches Ritual handeln. Viele Menschen vom Balkan, aus dem Nahen Osten und Nordafrika halten stark an ihrem Aberglauben fest.

Sie legen großen Wert auf glücksbringende Praktiken und haben diese regelrecht perfektioniert und an die heutige Zeit und deren Umstände angepasst. Also empfiehlt es sich, sich auf dem Weg zum Glück und Vermeidung von Unglück, an tunesische Väter, syrische Mütter und serbische Großmütter zu halten. Ihre Nachkommen wissen es natürlich besser und glauben eigentlich nicht daran. Dennoch befolgen sie diverse Riten - denn sicher ist sicher.

Arme schwarze Tasche: Die Frauen Ex-Jugoslawiens beispielsweise achten stets penibel darauf, ihre Taschen nicht auf dem Boden abzustellen. Der Aberglaube besagt, dass eine Tasche auf dem Boden Armut magisch anzieht. Als weiblicher Gast in einem solchen Haushalt wird frau vermutlich von den Gastgeberinnen energisch, fast schon empört aufgefordert, ihre Tasche auf dem Sofa abzulegen oder sie im Vorzimmer aufzuhängen. Oft heben die Gastgeberinnen die Tasche aber auch einfach selbst auf und murmeln nur etwas von wegen Boden, Tasche und kein Geld haben.

Glückswasser: Die 22-jährige Dragana war ziemlich verwirrt, als ihr am Tag ihrer Führerscheinprüfung die Großmutter mit einem Glas Wasser durchs Stiegenhaus folgte. "Geh du nur weiter", war Omas Antwort auf die leicht verstörte Miene ihrer Enkelin. Als Dragana den ersten Schritt durch die Eingangstür machte, hörte sie wie Wasser hinter ihr verschüttet wird. Ihre Oma hatte es ihr nachgeschüttet, damit sie Glück bei ihrer Prüfung hat. Diese soll so flüssig wie Wasser verlaufen, so die Botschaft dahinter. Wenn aber gerade die österreichischen Nachbarinnen im Stiegenhaus plaudern und zusehen, wird notfalls eben nur die Klospülung betätigt.

Schuhsohle gen Erde: Eine Einladung zum Speisen bei einer arabischen Familie und einem anschließenden Tee auf der Couch gehören zu den normalen Gastfreundlichkeiten dieser Kultur.

Bei einem nach Pfefferminz duftenden Tee wird es gern einmal ganz behaglich, und ehe man sich versieht, liegt man zurückgelehnt mit übereinander geschlagenen Beinen auf der Couch. Dies ist eine der unhöflichsten Gesten im arabischen Raum. Denn die Schuhsohle gilt als unrein, und Unreines hat nur auf seinesgleichen zu zeigen. Aus dem Grund werden in arabischen Ländern die Schuhe nach dem Ausziehen nie nach Belieben hingeworfen, sondern immer fein säuberlich hingestellt, mit der Schuhsohle nach unten gerichtet.

Kinder bespucken:Wenn
man kleinen Kindern vom Balkan Komplimente machen möchte, sollte man sich an gewisse Spielregeln halten. Es bringt nämlich angeblich Unglück, ein Kind einfach so als hübsch zu
bezeichnen. Man fürchtet, dass das gut gemeinte Kompliment sich in das Gegenteil umkehren könnte. Daher wird das in etwa so gehandhabt: "Was für ein schönes Kind!" und dann wird leicht auf das Gesicht des süßen Fratz gespuckt. Natürlich nicht wirklich, das Spucken wird nur angedeutet. Wenn Sie aber sehen, dass ein serbisches Baby einen roten Faden auf dem - zumeist linken - Handgelenk trägt, müssen Sie nicht mehr spucken - dann ist das Kind schon geschützt.

Die Riten der türkisch-nahöstlichen Region entstammen meist aus der vorislamischen Zeit, in der sehr an Magie, Geister und Dämonen geglaubt wurde. Einige dieser Riten werden bis heute noch unwissend praktiziert.

Gebrochener Flügel: Im türkischen Raum ist es nicht gern gesehen, wenn Brotkrümel auf den Boden fallen. Denn am Boden liegende Essensreste werden von den Flügeln der Engel beschützt. Falls man also aus Versehen auf diese treten sollte, werden die Flügel der Engel beschädigt. Dieser Aberglaube soll auf unsere Wegwerfgesellschaft aufmerksam machen. Frei nach dem Motto "Wer das kleine nicht ehrt, ist das große nicht Wert".

Badende Geister: Ein weiterer Aberglaube aus dem Nahen
Osten ist der an Geister. Jeden
Abend schwirren Geister, auch "Dschinns" genannt, in der Nähe von Gewässern aus und treiben dort ihr Unwesen, weshalb die meisten Wiener aus dem Nahen Osten sich nachts nicht an der Donau die Beine vertreten wollen.

Auch in den nordafrikanischen Ländern sind viele abergläubische Riten vorzufinden, die sich im alltäglichen Leben fest verankert haben. Die meisten dieser Riten sind auch im arabischen Raum vorzufinden. Einige Rituale sind rein kulturell bedingt, andere jedoch haben einen islamisch-religiösen Hintergrund und sind im Koran nachzulesen. Doch hier verschmelzen Kultur und Religion zusammen, wo es fraglich wird, was im religiösen Kontext steht und was nicht.

Fische im Fundament: Urlaubern aus dem Maghreb sind bestimmt die auffälligen Fisch- und Handmotive an Türen oder als landestypische Urlaubsmitbringsel aufgefallen. Fische oder die Hand der Fatima, auch Hamsa genannt, sind symbolträchtige Motive im Maghreb. Sie dienen zum Schutz gegen jegliches Unheil und vor dem bösen Auge, auch unter dem Namen Nazar bekannt. Der Fisch ist phönizischen Ursprungs und soll für den Haussegen und Nachwuchs sorgen. Die Fischknochen oder Gräten werden entweder in das Fundament eingegossen, in ästhetischer Form über Türen angebracht oder in kleine Amulette eingearbeitet. Darüber hinaus sind diese Zeichen häufig als dekorative Motive auf Geschirr, als Malerei über Eingangstüren und als Tattoos bei den Berberinnen zu finden.

Teuflischer Esel:Manche Tiere, wie schwarze Katzen, gelten nicht nur im europäischen Raum als Unheilbringer. An der Spitze Nordafrikas werden Eulen und deren Buhlaute als schlechtes Omen wahrgenommen. Die Laute eines Esels jedoch stehen für des Teufels Werk, weswegen die Nähe des Esels vermieden wird, sobald jener sich akustisch bemerkbar macht.

Kostbares Salz: Verlangen Sie von Ihrem tunesischen Nachbarn kein Salz, denn da hört die Nachbarschaftsliebe bei Menschen aus dem Maghreb auf. Das Gewürz steht nämlich für Wohlstand und Reichtum. Seine kostbaren Habseligkeiten schenkt man schließlich ungern her. Aus diesem Grund wird Salz nicht an Nachbarn weitergegeben. In Ländern wie Tunesien finden sich nur vereinzelt Menschen, die ihre Mitbewohner um Salz bitten.

Nicht nur hierzulande ist das Verschütten von Salz verpönt, auch bei Nordafrikanern ist das nicht gerne gesehen, denn dieses Malheur steht für potenzielle Armut.