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Ein richtungsweisender Landtag

Von Jan Michael Marchart

Politik

Die Wiener Gemeindeärzte forderten Donnerstagabend noch eine kräftige Gehaltsaufbesserung.


Wien. Seit Wochen rumort es bei den Wiener Spitalsärzten. Der Grund dafür ist die neue Arbeitszeitregelung, die in den Spitälern des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV) ab Juli in Kraft treten soll. Donnerstagabend wurde ein letztes Mal verhandelt, bevor unter anderem das neue Gehaltsschema für die Gemeindeärzte den Landtag heute, Freitag, passiert. Bei der letzten Diskussionsrunde am Dienstag herrschte in der Geldfrage Dissens, wie der Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, Hermann Leitner, nach dem Gespräch am Dienstag kundtat. Da soll sich noch etwas tun.

Die Ärzte wollten eine noch deutlichere Anhebung der Grundgehälter. Nämlich von 29 auf 50 Prozent, war aus dem Rathaus zu hören. Darin sollten sämtliche Zulagen, etwa für Nachtdienste, enthalten sein. Das Gehalts-Plus würde pro Jahr über 67 Millionen Euro kosten. Das war der Gewerkschaft und der Stadt zu viel. Die Ärztekammer verneinte diese Forderung auf Nachfrage. Am Abend kam es zu einer Teileinigung. Details sind aber keine bekannt.

Engpässe beim Patienten

In den Gemeindespitälern sollen künftig außerdem weniger Ärzte arbeiten. Ein Drittel der Nachtdiensträder wird dafür eingespart. Wie das funktioniert? Die Patientenversorgung wird in den Tag hineinverlegt. Bisher begann der Nachtdienst in KAV-Spitälern um 13 Uhr. Nun soll die Tagesarbeitszeit von 7 Uhr bis 19 Uhr gehen. Dann erst beginnt der Nachtdienst. In Zukunft werden mehr Patienten in den Nachmittagsstunden versorgt. Der Personalbedarf soll dadurch sinken, was zum Aufreger führt. Denn im neuen Modell zur Ärztearbeitszeit ist vorgesehen, 382 Vollzeitstellen nach einer genauen Evaluierung der Bereiche bis 2018 einzusparen. Laut Vertrag werden womöglich Dienstverträge nicht verlängert, Stellen nicht nachbesetzt und die Aufnahme von Turnusärzten reduziert. 47 Millionen Euro sollen durch die Umschichtungen frei werden.

Die Gemeindeärzte befürchten bei kürzerer Arbeitszeit und gleichzeitiger Reduktion des Personals einen Engpass in der Patientenversorgung. Dieser Punkt war maßgeblich für die rund 90 Prozent der Gegenstimmen bei der Urabstimmung für das Modell, das Stadt, Gewerkschaft, KAV und Ärztekammer geschnürt haben. Ein vernichtendes Votum.

Die Wiener Ärztekammer wies stets darauf hin, dass man Nachtdiensträder nicht mit Vollzeitstellen gleichsetzen kann und ein Stellenabbau dieser Art "eine Milchmädchenrechnung" sei. Der KAV müsse dementsprechende Strukturen schaffen. "Erst dann kann man über einen punktuellen Stellenabbau reden", sagt Leitner. Die Ärztekammer fordert dem Vernehmen nach eine deutlich geringere Personalreduktion.

Ob Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) davon abrückt, blieb fraglich. Möglich schien eine Verlängerung der Frist. Wobei Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer interveniert: "Selbst wenn man die Frist des Abbaus verlängert, geht die Rechnung nicht auf. Wenn Wehsely Stellen abbauen möchte, muss sie auch die Anzahl an Patienten verringern." Bei den Themen Arbeitsbedingungen und Arbeitszeit soll es bei den Gesprächen am Donnerstag eine Einigung gegeben haben.

Beschluss muss heute sein

Dass die neue Arbeitszeitregelung der Gemeindespitäler heute im Landtag beschlossen wird ist von immenser Bedeutung. Denn der nächste Landtags-Termin wäre erst am 2. Juli. Da gilt die 48-Stunden-Woche aber schon. Mit oder ohne Änderungen. Mit anderen Worten: Die Ärzte würden damit zwar kürzer arbeiten, allerdings mit Gehaltseinbußen. Aber freilich ist es nicht nur eine Geldfrage. Die Patientenversorgung wird spätestens dann auf die Probe gestellt, hört man aus der Ärztekammer und KAV-Kreisen.

Wobei das Problem weit früher beginnt. In den KAV-Spitälern sind momentan keine Einbußen bekannt, da der Durchrechnungszeitraum von 17 Wochen noch läuft. Ab Mai wird mit längeren Wartezeiten gerechnet. Vor allem, weil keiner der Mediziner eine Einverständniserklärung unterschrieben hat und länger arbeiten wird. In Österreich kommt es wegen der neuen Arbeitszeitregelung generell zu längeren Wartezeiten bei Operationen oder in Ambulanzen. Manche werden sogar für einige Zeit geschlossen.

Seit 2003 gibt es die EU-Richtlinie, nach der die Ärzte in einem Durchrechnungszeitraum von 17 Wochen nicht mehr als 48 Stunden arbeiten dürfen. Österreich hat sie allerdings erst im September des Vorjahres beschlossen. Auf EU-Druck, da hohe Strafgelder drohten. Nur mit einer freiwilligen Einverständniserklärung (Opt-out) dürfen Ärzte länger arbeiten. Diese Übergangsmöglichkeit endet allerdings 2021. Dann ist Schluss mit bis zu 72 Wochenstunden. Die waren in Österreichs Spitälern keine Seltenheit.

Durch die neue Arbeitszeitregelung dürfen die Ärzte nur noch 48 Stunden in der Woche arbeiten. Dadurch verlieren sie Zuverdienste wie Nachtdienste und Überstunden, die bis zu einem Drittel ihres Einkommens ausmachen. Salzburg, Steiermark, Oberösterreich und Kärnten haben bereits eine Einigung. Vorarlberg und Tirol haben sich auf eine Übergangslösung geeinigt. Im Burgenland hat man noch keine Lösung gefunden. Im Wiener AKH, das mit dem Bund und als Uni-Klinik mit dem Rektorat verhandelt, fehlt jedwede Einigung.