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Rauchverbot bringt Shisha-Tod

Von Clemens Neuhold

Politik
Shisha-Welten: Das Baku (l. oben, r. unten) wird auch der nikotinfreie Tabak nicht vor dem Verbot schützen, die Erkurt-Brüder vom Selcuklu fürchten um Existenz.
© Stanislav Jenis

Die Shisha-Szene boomt, aber mit dem Rauchverbot löst sich das junge Business in Rauch auf.


Wien. "Jeder Jugendliche braucht Shisha. Ohne sie kann ich nicht leben", sagt der 22-jährige Maxamid F. Er kommt bis zu fünf Mal pro Woche in die Selcuklu Shisha-Lounge im 15. Bezirk. Seine Sucht gilt nicht dem Nikotin, sondern der Atmosphäre. Maxamid zieht die Shisha-Bar jedem Segafredo und jeder Disco vor. Nach der Arbeit chillt er lieber stundenlang im orientalischen Fauteuil, nuckelt an der Pfeife und schaut mit seinen Jungs Fußballmatch.

Shisha ist Kult, nicht mehr nur bei Migranten-Kids und nicht mehr nur in den Gürtelbezirken. Geschätzte 50 Shisha-Lounges gibt es alleine in Wien. Zählt man Vereinslokale und Shisha-Bereiche in Bars dazu, hat eine Recherche der "Wiener Zeitung" über 200 Lokalitäten ergeben. Und es kommen laufend neue hinzu. Alleine im Umkreis der bekannten Baku-Lounge bei der U-Bahn-Station Nußdorfer Straße entstehen gerade drei neue Shisha-Bars. Junge Migranten der zweiten oder dritten Generation brechen aus dem immer gleichen Kebab-Business aus und verschulden sich für den Traum von der eigenen Shisha-Welt.

Aus der Traum. Mit dem ab Mai 2018 geltenden Rauchverbot wird sich die boomende Shisha-Szene in Rauch auflösen. "Die Regelungen des Rauchverbotes erstrecken sich auch auf die Verwendung von Wasserpfeifen", heißt es im Gesetz, das Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner am Freitag präsentierten.

Eray Erkurt (27) und sein Bruder Ibrahim (33) sind fassungslos. "Wir stehen unter Schock. Wir haben viel Arbeit und Geld ins Selcuklu gesteckt und ernteten gerade die Früchte. Hätten wir das gewusst, wir hätten gar nicht erst begonnen." Zwischen uns glüht die Kokosnusskohle. Der Traube-Minze-Tabak unter der Folie hinterlässt beim Ausatmen einen fruchtigen Geschmack im Rachen.

Im Baku, wo auch Rapid- oder Austria-Kicker ihre Shisha paffen, ist Besitzer Martin "Lee" (27) ebenso fassungslos. "Ohne Shisha kann ich zusperren. Die Leute kommen doch nur deswegen. Ich habe eine hohe Ablöse bezahlt, einen Kredit laufen und zehn Angestellte." Für ihn besonders bitter: Er hat längst auf nikotinfreien Tabak umgestellt. "Die Kunden merken das gar nicht." Und er könnte sich auch vorstellen, verstärkt auf aromatisierte "Steine" zu setzen. Diese sind mit Molasse vollgesogen und erzeugen Rauch ohne Tabak. Auf Nachfrage stellt das Gesundheitsministerium aber klar: "Bei einem Rauchverbot ist beides verboten, ob Tabak enthalten ist oder nicht." Oder wie Gesundheitsministerin Oberhauser sagt: "Alles, was verdampft und vernebelt, egal ob mit oder ohne Nikotin, fällt darunter." Das inkludiert neben der E-Zigarette auch die E-Shisha.

Bestens informiert sind die Hans-Dampfer der Shisha-Szene über ein deutsches Gerichts-Urteil, das Wasserpfeifen mit Steinen trotz Rauchverbots erlaubte. "Wir orientieren uns doch immer an Deutschland", klammert sich Lee an seine Wasserpfeife wie an einen rettenden Strohhalm. Doch das generelle Dampfverbot macht die Hoffnung zunichte. "Das Urteil ist nicht mit unserer Rechtslage vergleichbar", sagt das Ministerium. Das Gesetz verbaut auch ein weiteres Schlupfloch, das in der Shisha-Szene erwogen wird: die Umgründung der Shisha-Bars in Vereine. "Klargestellt wird auch, dass sich das Rauchverbot auch auf Vereins- und Versammlungslokale erstreckt, unabhängig davon, ob gerade eine öffentliche Veranstaltung stattfindet", heißt es im Gesetz. Somit fallen in Wien nicht nur die 50 Lounges, sondern alle 200 Shisha-Klubs unter das Verbot. Und weiter: "Die Gründung eines Vereins zur Umgehung eines Gesetzes ist gemäß Vereinsrecht sittenwidrig. Folglich ist die Vereinsgründung mit diesem Ziel nicht erlaubt."

Betroffen ist auch Nancy Friedenthal vom gleichnamigen Tabakfachgeschäft im Westbahnhof. Sie hat sich auf Shisha-Tabak wie den beliebten Al Fakher aus Dubai und auf Shisha-Zubehör spezialisiert. "Ich finde das schade. Die jungen Leute sitzen gerne in Shisha-Bars zusammen. Das ist etwas sehr Soziales und besser, als wenn sie saufen gehen oder sich zudröhnen. Tragisch ist das auch für die jungen Migranten, die viel Geld investiert haben. Einer dieser jungen Männer hat gerade erst vergrößert."

Maßlos enttäuscht sind die Jungunternehmer von der Politik und Wirtschaftskammer. "Zu uns ist nie jemand gekommen. Setzen sich die Schwarzen nicht für die Unternehmen ein? Erst vor einem Jahr haben sie uns ein Werbeplakat für die Beibehaltung der Raucherzonen vorbeigebracht und uns brutal gesagt, dass das so bleibt", sagt Lee. "Und wir haben drauf vertraut." Auf Nachfrage geht der Gastro-Chef Helmut Hinterleitner gar nicht erst auf das spezielle Schicksal der Shisha-Bars ein, sondern wettert allgemein gegen das Rauchverbot.

Kampflos will man sich nicht geschlagen geben. "Wir werden uns mit anderen Shisha-Lokalen zusammentun und rechtlich etwas tun. Vielleicht gehen wir auch auf die Straße", sagen die Erkurts. Die letzten Rauchzeichen der Shisha-Szene?