Zum Hauptinhalt springen

"Regierung muss Prioritäten setzen"

Von Brigitte Pechar

Politik

Budgetexpertin Schratzenstaller fordert Regierung auf, Länder bei Reformen in die Pflicht zu nehmen.


Wien. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) legt dem Ministerrat heute, Dienstag, den Finanzrahmen für die Jahre 2016 bis 2019 vor. Zwar ist alles noch streng vertraulich, aber einiges kann schon im Vorhinein festgestellt werden: Große Reformen wird auch dieser Finanzrahmen nicht beinhalten, vermuten Wirtschaftsexperten. Vielmehr wird der geltende Finanzrahmen auch diesmal im Wesentlichen fortgeschrieben werden - einziger Konfliktpunkt sind die für die Ermöglichung der Steuerentlastung von 5,2 Milliarden Euro nötigen Ausgabenbremsen.

2014 strukturelles Nulldefizit nach EU-Kriterien

Ziel bleibt jedenfalls ein strukturelles Nulldefizit im kommenden Jahr - also ein Defizit von 0,45 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt, das konjunkturelle Schwankungen und Einmalausgaben berücksichtigt. Schon 2014 konnte laut Finanzministerium ein strukturelles Nulldefizit laut EU-Kriterien von 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung (die EU akzeptiert ein strukturelles Defizit von bis zu 0,54 Prozent als Nulldefizit) erreicht werden. Der alte Finanzrahmen hatte für 2014 ein strukturelles Defizit von 1 Prozent vorgesehen.

Budgetexpertin Margit Schratzenstaller vom Wirtschaftsforschungsinstitut fehlt eine Prioritätensetzung der Regierung, wie sie der "Wiener Zeitung" sagte. Die großen Themen Fördersystem, Pensionsalter, Gesundheits- und Spitalwesen müssten mit den Ländern gemeinsam angegangen werden. "Das sind nicht nur Aufgaben der Regierung", mahnte sie. Zwar seien in einzelnen Bereichen schon Fortschritte erzielt worden, allerdings fehle es am Willen, große Schritte zu setzen. Die Erhöhung des Pensionsalters sei nicht nur Aufgabe der Regierung, da sieht Schratzenstaller auch die Unternehmen in der Pflicht, ältere Arbeitnehmer nicht in die Pension zu drängen.

Der neue Finanzrahmen muss neben der Steuerreform auch den Ausfall der im bisherigen Finanzrahmen eingepreisten Finanztransaktionssteuer von jährlich 500 Millionen Euro ab 2016 Euro ausgleichen. Da es dafür auf europäischer Ebene bisher keine Einigung gibt, muss diese Einnahmequelle vorerst gestrichen werden.

Zur Erinnerung: Die Steuertarifreform soll die Steuerzahler ab nächstem Jahr mit 4,5 Milliarden Euro entlasten. Die Familien sollen 100 Millionen zusätzlich erhalten, die Niedrigverdiener erhalten 400 Millionen Euro über eine Negativsteuer, 200 Millionen sind für die Attraktivierung des Wirtschaftsstandortes geplant.

Gegenfinanziert soll die Steuerreform durch Bekämpfung von Steuerbetrug (1,9 Milliarden Euro), Einsparungen in der Verwaltung und bei Förderungen (1,1 Milliarden), durch Streichung von Ausnahmen im Steuerrecht (900 Millionen Euro) und ein Solidarpaket (400 Millionen Euro) - zum Beispiel ein befristeter Beitrag von Spitzenverdienern - werden.

Die 1,1 Milliarden Euro müssen jetzt im Finanzrahmen konkret abgebildet werden - darüber ist in der vergangenen Woche innerhalb der Koalition schon ein heftiger Streit ausgebrochen, denn 500 bis 600 Millionen Euro davon sollen durch Einsparungen im öffentlichen Dienst geholt werden, rund 200 Millionen Euro durch Kürzung oder Streichung von Förderungen - die restlichen 400 Millionen müssen die Länder durch Maßnahmen in ihren Verwaltungen beitragen.

Debatte mit Lehrern und Beamten muss geführt werden

Wo in der Verwaltung der Hebel angesetzt wird, ist noch völlig offen. Zur Diskussion steht wieder einmal die Anhebung der Unterrichtszeit für Lehrer um zwei Stunden pro Woche, was mit rund 360 Millionen Euro bewertet wird. Aber die fehlen dem Unterrichtsressort ohnehin schon in der Kassa. Bisher rettete sich dieses durch die Stundung der Mieten für Schulgebäude an die Bundesimmobiliengesellschaft. Unterstützung erhielt Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) vom Finanzminister, der darüber eine "offene Diskussion" führen will. "Es wäre im Sinne der Schüler, dass die Lehrer in den Schulen für sie da sind", sagte Schelling in der "Tiroler Tageszeitung". In der Vorwoche hatte sich Innenministerin Johanna Mikl-Leitner als ÖAAB-Chefin schützend vor die Beamten gestellt, aber ihr Parteifreund Schelling, der von der Wirtschaftskammer kommt, sieht das anders. Er verlangt sehr wohl einen Beitrag auf der Personalebene.

Der mehrjährige Finanzrahmen legt fest, wie viele Mittel für die politischen Prioritäten über einen Zeitraum von vier Jahren hinweg aufgebracht werden sollen. Der Finanzrahmen beschränkt die Ausgaben für einen festgelegten Zeitraum und definiert die für jede Hauptausgabenkategorie verfügbaren Höchstbeträge.

Er schafft somit sowohl den politischen Rahmen als auch den Haushaltsrahmen. Und er liefert der Europäischen Kommission Grundlagen zur Bewertung der Mitgliedstaaten.

In Österreich wird der Finanzrahmen in der Regel über vier Jahre erstellt, der Finanzrahmen des EU-Haushalts wird über sieben Jahre, mindestens aber über fünf Jahre geregelt.

Wissen: Finanzrahmen