
Wien. Er feierte jüngst seinen 65. Geburtstag, denkt aber offenbar nicht an Pension. Gewerkschafter und Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm zählt zu den einflussreichsten SPÖ-Funktionären, unter anderem als Ezzes-Geber für den Bundeskanzler. Im Interview mit der "Wiener Zeitung" skizziert er deutlich seine Vorstellungen für die anstehenden Reformen auf dem Arbeitsmarkt, beim Finanzausgleich und auch bei der Einlagensicherung.
"Wiener Zeitung":Sind Sie mit der Arbeit der Regierung zufrieden?
Werner Muhm: Seitdem Reinhold Mitterlehner Vizekanzler ist, geht in der Regierung gemeinsam etwas weiter. Die Steuerreform war ein Erfolg für den ÖGB und die AK, aber eben auch für die Regierung. Und die davor lange blockierte ÖIAG-Reform ist ebenfalls herzeigbar. Was bei der Telekom Austria passiert ist, ist jetzt unmöglich. Wir wünschen uns nun einen Geschäftsführer in der ÖBIB (Nachfolger der Staatsholding ÖIAG, Anm.) mit wirtschaftspolitischem Verständnis.
Was sagen Sie zu den Vorgängen um die Casinos Austria? Die ÖBIB will weitere Anteile kaufen.
Wenn die ÖVP die Casinos arrondieren will, meine ich, dass es dafür bedeutendere Unternehmen geben würde.
Es gibt Kritik an der Steuerreform wegen der unklaren Gegenfinanzierung.
Ich finde die Gegenfinanzierung okay. Die Entlastung der Einkommen kommt zur richtigen Zeit. Die wesentliche Differenz zu Deutschland liegt ja im schwachen Privatkonsum. Und da Österreich in der EU an zweiter Stelle bei der Teilzeitbeschäftigung ist, war es auch wichtig, Menschen zu entlasten, die keine Lohnsteuer bezahlen.
Es gibt den Plan, bei Betriebsübergaben die Grunderwerbssteuer von 3,5 auf 0,5 Prozent zu senken. Ist das schon fix?
Da kann ich nur ÖVP-Chef Mitterlehner zitieren, der bei den Steuerverhandlungen einmal sagte: Was in der Zeitung steht, kommt so sicher nicht. Wir haben noch keinen Gesetzesentwurf, aber das wird so nicht kommen.
Auch die Einlagensicherung steht vor einer Reform. Unterstützen Sie dabei Finanzminister Schelling?
Für uns sind zwei Dinge dabei wesentlich. Erstens wollen wir als Konsumentenschützer ein einheitliches System - und kein sektorales. Ein Fonds für alle Banken, egal, zu welchem Verband die jeweils gehören. Und zweitens fordern wir, dass es bei einer Systemkrise unter bestimmten Voraussetzungen auch möglich ist, diesen Einlagensicherungsfonds mit einer Haftung der Republik auszustatten. Damit wäre es dem Fonds leichter möglich, Kredite im Ernstfall aufzunehmen. Das würde das Vertrauen der Sparer stärken.
Das Vertrauen in die Banken ist ja derzeit eher gering.
Über die Hypo möchte ich in der jetzigen Situation nichts sagen, aber wir unterstützen den Finanzminister bei den Volksbanken. Es kann nicht sein, dass die Volksbanken vollkommen aus ihrer Verantwortung entlassen werden. Es muss sichergestellt sein, dass etwaige Überschüsse aus der Abwicklung der ÖVAG im Budget landen. Und sollte Geld fehlen, müssen die Volksbanken dafür geradestehen und nicht wieder der Steuerzahler.
Kommen wir zum politischen Schwergewicht der kommenden zwölf Monate, der Reform des Finanzausgleichs mit den Ländern. Die Verhandlungen dazu haben gerade begonnen, 2017 soll er in Kraft treten. Was erwarten Sie sich?
Erstens muss der, der bezahlt, auch entscheiden. Und es braucht eine erhebliche Reform des Faktors 9, also auch eine klare Aufgabentrennung. Mit dem Finanzausgleich muss es eine Föderalismusreform geben.
Wie soll das gehen?
Der Bund muss dabei gestärkt werden sowie die Städte und Gemeinden. Ein Beispiel: Das Land Oberösterreich nimmt über Abgaben den Gemeinden 1,6 Milliarden Euro weg und gibt ihnen 600 Millionen Euro wieder zurück. Dieses sinnlose Karussell muss beendet werden. Oberösterreich hat ein Jahresbudget von 4,8 Milliarden, davon stammen 3,4 Prozent aus eigenen Einnahmen. Daneben gibt es Landtage, deren Tätigkeit zu 55 Prozent aus Resolutionen an die Bundesregierung und zu 25 Prozent aus Resolutionen an die Landesregierung bestehen. Die Länder sind nur mit sich selbst beschäftigt. Der Rest entfällt auf den Faktor 9.
Die Landeshauptleute betonen, dass sie immer mehr Aufgaben übernehmen müssen und daher auch mehr Geld aus dem Steuertopf benötigen.
Dann schauen wir zuerst einmal an, was wir in Österreich neunmal haben: Bauordnungen, Polizeistrafgesetze, Reisegebührenvorschriften, Chancengleichheitsgesetze, Vergabegesetze, Veranstaltungsgesetze, Wahlrechtsgesetze, Spekulationsverbotsgesetze, Glücksspielautomatengesetze, Bienenzuchtgesetze - und das ist nicht alles. Was die Länder dagegen nicht tun, ist etwa, regionale Zentren zu schaffen.
Sollen die Länder Steuerhoheit erhalten?
Österreichs ist so klein, das macht volkswirtschaftlich keinen Sinn. Die Grundsteuer auf Gemeindeebene, das kann ich mir vorstellen, dass es hier zu einer Differenzierung kommt.
Sie sind Ökonom. Warum steigt in Österreich die Arbeitslosigkeit, obwohl sie in Europa sinkt?
Die Arbeitslosigkeit ist importiert. Der Zuzug ist nach wie vor stark. Wir haben in Österreich genauso viele Deutsche, wie Österreicher im zehnmal so großen Deutschland arbeiten. Der bisher fehlende Mindestlohn hat vor allem aus den neuen Bundesländern Menschen nach Österreich getrieben. Wir hoffen, dass mit der Einführung des Mindestlohns nun dieser Druck geringer wird. Qualifikation spielt eine große Rolle, ohne Zweifel. Und ich plädiere für eine enttabuisierte Diskussion zur Arbeitszeitverkürzung. Für den Arbeitsmarkt gibt es keine leichten Antworten.