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Der Versuch einer Modernisierung

Von Sophia Killinger

Politik

Neues Grundsatzprogramm beschlossen, minderheitenfreundliches Mehrheitswahlrecht abgelehnt.


Wien. "Django - black is back" prangt in schwarzem Schriftzug auf den Stofftaschen, die die Besucher beim ÖVP-Bundesparteitag am Dienstag in der Wiener Hofburg bekommen. Bunter hingegen - nämlich "jünger, weiblicher und moderner" will die ÖVP in ihrer Zusammensetzung werden. "Wir müssen uns verändern, weil sich die Welt verändert hat", sagte ÖVP-Parteiobmann Reinhold Mitterlehner beim 37. außerordentlichen Bundesparteitag in Hinblick auf das 20 Jahre alte Parteiprogramm. Der Kritik von Experten, das neue Parteiprogramm gehe nicht weit genug, entgegnete der Vizekanzler und Wirtschaftsminister: "Wir werfen das Alte nicht über Bord."

In den Abendstunden bekam das neue Grundsatzprogramm eine große Mehrheit. Kurz nach 21 Uhr stimmten 99 Prozent dafür. 289 Personen sprachen sich für die Neuerungen aus, drei dagegen. Wichtige Eckpunkte sind die Einführung eines mehrheitsfördernden Wahlrechts und das Bekenntnis zu einer EU-Armee. Im Bildungsbereich bekennt sich die ÖVP zum Gymnasium. Auch das neue Organisationsstatut segnete die ÖVP ab. Um den Frauenanteil in den Organen und Gremien zu stärken, wurde eine 40-Prozent-Quote in allen gewählten Gremien und bei Bundeswahlen auf Bundes- und Landeslisten ein Reißverschlusssystem beschlossen. Ebenfalls festgeschrieben wurde allerdings ein Vorzugsstimmensystem, womit die abwechselnde Listenreihung von Frauen und Männer unterlaufen werden könnte.

Schlagabtausch zwischenJung und Alt

Eine überbordende Gesetzesflut eindämmen will die ÖVP mit einer automatischen Auslaufklausel für Gesetze und Verordnungen, die ins Parteiprogramm aufgenommen wurde. Mit der sogenannten Sunset-Klausel sollen beschlossene Maßnahmen kontinuierlich auf ihre Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit überprüft werden. Staatssekretär Harald Mahrer hatte den Antrag noch kurzfristig eingebracht, die Delegierten sprachen sich mit 249 zu 51 Stimmen dafür aus. Vorbild ist Großbritannien, wo Gesetze und Verordnungen innerhalb von fünf Jahren auf ihre Sinnhaftigkeit und ihr Deregulierungspotenzial hin geprüft werden. Gibt es keine Gründe für die Beibehaltung der Maßnahmen, treten diese automatisch außer Kraft. Soll ein befristetes Gesetz weiterhin gelten, muss es erneut beschlossen werden.

Eine Stimme zu wenig für die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit erhielt indes die Verankerung eines minderheitenfreundlichen Mehrheitswahlrechts im Parteiprogramm. Die Diskussion über das Modell der Jungen ÖVP (JVP) eines Wahlrechts, mit dem die bundesweit erstplatzierte Partei 50 Prozent minus ein Mandat erhalten soll, entwickelte sich zum Streit zwischen Jung und Alt. Es sei der "Wunsch vieler", auch Kleinparteien in die Regierung einbeziehen zu können, erklärte JVP-Vertreterin Bettina Rausch. Von "Frust und Blockaden" durch das derzeitige System sprach JVP-Obmann Sebastian Kurz.

Seniorenbund-Obmann Andreas Khol verglich das Modell indes mit einem "heißen Eislutscher" oder "zitternder Entschlossenheit". Auch wenn er keine Freude über die große Koalition habe - man sollte "den Sieg an den Wahlurnen erringen und nicht über juristische Tricks", betonte er. Es sei verfassungsrechtlich äußerst problematisch, dass kleinere Parteien mit dem vorgeschlagenen minderheitenfreundlichen Mehrheitswahlrecht noch weniger Mandate bekommen würden.

Seinen Unmut über die geplante Steuerreform artikulierte der Salzburger Unternehmer und Wirtschaftsbündler Nick Kraguljac, der während seiner Rede Klatschen als auch Buh-Rufe erntete: "Die Steuerreform, wie sie derzeit vorliegt, ist ein Schas. Ich hoffe, die Spezies der Macher verdrängt die Blockierer."

In Zusammenhang mit der geplanten Erhöhung der Grunderwerbssteuer im Zuge der Steuerreform stellten Wirtschaftsbund, Bauernbund und ÖAAB einen Antrag zum Schutz des Eigentums. Dieser ist am Dienstagabend von den Delegierten des ÖVP-Bundesparteitages mit großer Zustimmung angenommen worden. 323 Personen sprachen sich dafür aus, nur vier dagegen.

"Stillstand und Klientelpolitik für Privilegierte"

Abgestimmt über das neue Parteiprogramm wurde erstmals elektronisch - ähnlich wie beim Publikumsjoker in der "Millionenshow" votierten die 420 Delegierten über die rund 40 Anträge. "Es gibt keinen Streit in der ÖVP. Die inhaltliche Auseinandersetzung bringt uns weiter", stellte Vizekanzler Mitterlehner klar. Mehr als 13.000 Personen haben sich an der Ausarbeitung des neuen Parteiprogramms unter dem Namen "Evolution Volkspartei" beteiligt. Am heutigen Mittwoch wird der Parteitag unter anderem mit einer Rede vom Philosophen Konrad Paul Liessmann sowie von Mitterlehner fortgesetzt.

Kritik am neuen ÖVP-Parteiprogramm kam von anderen Parteien: "Stillstand und Klientelpolitik für Privilegierte bleiben bei der ÖVP Programm", sagte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos. Die ÖVP habe aus den Fehlern der Zeit unter Bundesparteiobmann Wolfgang Schüssel nichts gelernt. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl sah eine "Involution ins Mittelalter".