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Zu Hause

Von Julia Beirer

Politik
Die WG-Bewohner Faiz Razuli, Thomas Haider und Sabine Dworak (v.l.n.r.).
© Beirer

Der afghanische Flüchtling Faiz Rasuli ist in eine WG am Währinger Gürtel gezogen. Die "Wiener Zeitung" hat ihn besucht.


Wien. Zu Hause. Das ist nicht nur ein Ort, sondern auch ein bestimmtes Gefühl, ein gewisser Geruch und eine besondere Atmosphäre. Mit der Initiative "Flüchtlinge Willkommen" versuchen David Zistl, Otto Simon und Martina Buchinger, Asylwerbern dieses Gefühl zurückzugeben. Die "Wiener Zeitung" berichtete von einem ihrer ersten Treffen im Jänner. Mittlerweile konnten fünf Wohnungen in Wien und jeweils drei in Salzburg, Burgenland und der Steiermark an Flüchtlinge vermittelt werden.

Faiz Rasuli ist in eine dieser Wohnungen gezogen. Der 22-Jährige ist vor knapp drei Jahren aus Afghanistan geflüchtet und hatte ab diesem Zeitpunkt kein Zuhause mehr. Seit 1. Mai wohnt er im 9. Bezirk in einer Vierer-WG mit dem Softwareentwickler Thomas Haider und der Wissenschafterin Sabine Dworak, die sich die Wohnung am Währinger Gürtel im März gekauft haben. "Wir wollten nicht alleine hier wohnen. Deshalb haben wir aus den beiden großen Räumen einfach vier kleinere Zimmer gemacht", sagt Sabine Dworak.

Ein Zimmer haben sie an ihren früheren Mitbewohner vergeben und das andere Zimmer stand noch leer. "Wir haben über Freunde von ,Flüchtlinge Willkommen‘ erfahren und unseren Kontakt an die Initiative weitergegeben", sagt Thomas Haider. Das war vor ungefähr einem Monat. Es ging alles sehr schnell, denn eine Woche später war Rasuli schon zur Wohnungsbesichtigung und zu einem ersten Kennenlernen vorbeigekommen. Wieder eine Woche später konnte er bereits einziehen.

Insider-Witze und Putzplan

"Mit ,Flüchtlinge Willkommen‘ zeigen wir, dass sich jeder beteiligen kann, um die Unterbringung der Flüchtlinge zu verbessern", sagt David Zistl. Die kürzlich errichteten Zeltlager, wie etwa in Erdberg, in die Flüchtlinge von den Erstaufnahmestellen übersiedelt wurden, bezeichnet er als menschenunwürdig. "Europa bezeichnet sich selbst immer als Kontinent der Menschenrechte. Im Umgang mit Flüchtlingen wird aber klar, dass die Menschenrechte so wie in Österreich nicht eingehalten werden", sagt Zistl. Er kritisiert, dass in einem der reichsten Länder Europas Menschen in Zeltlagern untergebracht werden müssen.

Sabine Dworak und Thomas Haider teilen sich jetzt mit Faiz Rasuli einen Wohnzimmertisch. Sie scherzen miteinander und haben schon ihre Insider-Witze. "Es ist noch alles ein bisschen provisorisch. Wir haben noch nicht alles eingerichtet und es fehlen Kleinigkeiten wie zum Beispiel ein Putzplan. Aber es läuft schon richtig gut", sagt Dworak. Rasuli wirkt entspannt. Immer wieder lacht er laut auf und macht Scherze. "Jetzt ist alles viel besser", sagt er.

Asylantrag wurde abgelehnt

In seiner neuen WG bewohnt Rasuli ein Acht-Quadratmeter-Zimmer, in dem ein Hochbett steht. Am Fenster stehen ein Schreibtisch und ein Sessel, daneben ein Regal mit Büchern. Der Kleiderkasten ist vor dem Zimmer am Gang aufgebaut, damit Rasuli mehr Platz hat. "Wir haben den Dachboden meiner Eltern durchstöbert und so die Möbel für Faiz gefunden", sagt Dworak.

Die meiste Zeit verbringt Rasuli an seinem Schreibtisch. Er macht gerade den Hauptschulabschluss nach. "Wenn alles gut geht, bin ich in einem Jahr damit fertig. In Mathe tue ich mir schwer, das ist nicht so mein Ding, aber Sabine hilft mir oft", sagt Rasuli.

Der Flüchtling war die vergangenen Jahre in Niederösterreich untergebracht. Gemeinsam mit vier anderen Asylwerbern teilte er sich dort ein Zimmer mit 20 Quadratmetern. Mitte März wurde ihm subsidiärer Schutz zugesagt. Das bedeutet, dass sein Asylantrag abgelehnt wurde. Die Begründung: Er werde in seinem Heimatland, Afghanistan, nicht verfolgt. Sein Leben und seine Unversehrtheit seien dort aber bedroht. Deshalb hat er Anspruch auf einen befristeten Schutz vor Abschiebung. "Ich darf jetzt ein Jahr hier bleiben, danach kann der Antrag verlängert werden", sagt Rasuli.

Subsidiärer Schutz ermöglicht auch freien Zugang zum Arbeitsmarkt und den Anspruch auf Mindestsicherung. "Nachdem ich den Bescheid bekommen habe, habe ich mich gleich auf die Suche nach einer WG gemacht und mich bei ,Flüchtlinge Willkommen‘ angemeldet", sagt Faiz. Insgesamt habe er drei Wohnungen besichtigt. "Die ersten beiden waren zu teuer, aber bei Sabine und Thomas bezahle ich 240 Euro und das geht sich aus", sagt Faiz. Die beiden Wohnungsbesitzer hätten von jedem Mieter gleich viel verlangt. "Es war uns wichtig, dass wir die Zimmer zu einem fairen Preis vermieten", sagt Sabine Dworak.

Miete selbst finanziert

"Um die Finanzierung der Miete kümmern sich die Wohngemeinschaften selbst, aber das war bis jetzt noch nie eine Hürde", sagt Zistl. Die Leute haben meistens einen Aufruf über die sozialen Netzwerke gestartet und im Familien- und Freundeskreis gefragt, ob jemand bereit wäre, finanzielle Unterstützung zu leisten. "In einer Wohnung wurden für die Miete von acht Monaten 2400 Euro benötigt und das konnte innerhalb von einem Tag zusammengetragen werden. Das ist schon sehr beeindruckend", sagt Zistl. Die Initiatoren von "Flüchtlinge Willkommen" stehen den Wohngemeinschaften auch mit Rat und Tat zur Seite, wenn es um die Finanzierung der Miete geht.

Seit kurzer Zeit bietet "Flüchtlinge Willkommen" auch Beratungsstunden bei der Sozialarbeiterin Eva Linkseder an. Sie soll einerseits eine beratende Funktion für Menschen einnehmen, die ein Zimmer an Asylwerber vermieten wollen und erste Informationen möchten.

"Eva Linkseder lebt derzeit selbst in einer Wohngemeinschaft, in die wir einen Flüchtling vermitteln konnten und hat daher gute Erfahrungswerte", sagt Zistl. Andererseits wird sie auch die Nachbetreuung übernehmen und drei Wochen nach dem Einzug die Wohngemeinschaften besuchen und sich nach der aktuellen Lage erkundigen. "Sollte es in den Wohnungen Probleme geben, können sich die Bewohner zukünftig an unsere Sozialarbeiterin wenden", sagt Zistl.

Sabine Dworak, Thomas Haider und Faiz Rasuli haben auch über den Fall gesprochen, dass es mit dem Zusammenleben nicht klappen könnte. "Wir haben ausgemacht, dass Faiz jetzt fix sechs Monate dableiben kann, und sollte es nicht passen, besprechen wir das dann, aber wir sind ganz zuversichtlich, dass es weiterhin gut läuft", sind sich die Vermieter einig.

Weitere Informationen zur Initiative "Flüchtlinge Willkommen" unter:
www.fluechtlinge-willkommen.at