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Aufnehmen verboten

Von Bettina Figl

Politik
Mitschrift vs. Mitschnitt: An der WU Wien wurde in Vorlesungen immer häufiger gefilmt. Nun ist die Videoaufzeichnung nur mit Erlaubnis des Lehrenden erlaubt.
© fotolia/WavebreakMediaMicro

Urheberrecht großes Thema an Unis: WU Wien erlaubt Video- und Tonaufzeichnungen nur in "gut begründeten Einzelfällen".


Wien. Druckstellen an den Fingern vom vielen Mitschreiben? Die neue Studentengeneration hat eher Probleme mit dem oft gebeugten Nacken und den vom vielen Tippen geschundenen Sehnenscheiden. Im Zeitalter der Digitalisierung ändern sich aber nicht nur die Krankheitsbilder. Video- und Audioaufnahmen in Hörsälen sind keine Seltenheit, für viele gehört die Mitschrift der Vergangenheit an - irgendwer wird‘s schon online stellen.

Die Wirtschaftsuniversität (WU) Wien will dem Trend nun Einhalt gebieten, indem sie die digitalen Aufzeichnungen untersagt. Kürzlich wurden Studierende in einem E-Mail darauf hingewiesen, dass Ton- oder Videoaufnahmen von Lehrveranstaltungen "grundsätzlich nicht gestattet sind". Lehrende dürften Aufzeichnungen zwar erlauben, doch man ersuche um Verständnis, dass diese Genehmigungen "voraussichtlich nur in gut begründeten Einzelfällen erteilt werden". Ursprünglich berief sich die WU Wien auf das Urheberrecht - denn der Vortrag eines Lehrenden im Rahmen einer Lehrveranstaltung ist ein Sprachwerk und damit urheberrechtlich geschützt. Doch inwieweit dieses für eine öffentliche Vorlesung gilt, darüber gehen die Rechtsmeinungen auseinander.

Keine Einigkeit bei Rechtsfrage

Das Urheberrecht gestattet den privaten Gebrauch für Studienzwecke, sagt der Jurist Michel Walter. Durch die technische Aufzeichnung eines Lehrveranstaltungsvortrages wird bereits eine Vervielfältigung des Werkes vorgenommen, entgegnet ein Sprecher des Wissenschaftsministeriums. Demnach sei der Lernzweck im Rahmen des privaten Gebrauchs nicht gedeckt, da dieser "ausschließlich der Befriedigung persönlicher Bedürfnisse wie der eigenen Unterhaltung oder Erbauung und jener von Freunden, Bekannten und Verwandten dient". In jedem Fall haben Universitäten das Recht, Mitschnitte aufgrund des Hausrechts einzuschränken - wie es im Falle der WU Wien geschieht.

"Uns ist schon klar, dass die Möglichkeit besteht, zum privaten Gebrauch mitzuschneiden", sagt Edith Littich, Vizerektorin für Lehre an der WU Wien, auf Nachfrage der "Wiener Zeitung". "Lehrende und Studierende sind aber nicht dazu da, abgefilmt zu werden. Wir wollen nicht, dass Lehrende oder Studierende heimlich gefilmt werden und Videos dann ohne Einwilligung auf Youtube gestellt werden", erklärt Littich. Sie verweist auf das breite E-Learning-Angebot der WU Wien und sagt, viele Lehrende würden Vorlesungen von sich aus ins Netz stellen.

Wie sie mit von Studierenden in Eigenregie hergestelltem Videomaterial umgehen, handhabt jede Hochschule anders: An der Uni Wien gibt es etwa keine allgemein gültige Regelung. Während an der WU Wien die Lehrenden im Einzelfall zustimmen können, ist an der Uni Wien die Ablehnung eher die Ausnahme als die Regel. An der Politikwissenschaft gibt es Videos und Folien online, Philosophiestudenten können auf Vorlesungen in Form von Podcasts online zugreifen. International gibt es den Trend zu MOOCs, Gratis-Kursen im Netz. Und auch an der WU Wien heißt es immer öfter Mitschneiden statt Mitschreiben: In Finance-Vorlesungen stellen die Vortragenden zwar manche Folien online, aber nicht alle. "Die Lösungen der Rechenbeispiele fehlen im Netz", erzählt eine Studentin, da Vortragende sichergehen wollen, dass ihre Vorlesungen auch im digitalen Zeitalter besucht werden.

Längst wird mit Skripten und Mitschriften in sozialen Netzwerken wie Facebook gehandelt: "Wir haben eine offizielle Gruppe, und dann noch eine, in der der Tutor nicht dabei ist", erklärt eine weitere WU-Studentin. Diese Weitergabe digitaler Mitschnitte widerspricht eindeutig dem Urheberrecht.

Online-Lernmaterialien stellen die Unis vor große Schwierigkeiten hinsichtlich Datenschutz und Urheberrecht, weiß auch die Hochschulkonferenz. In ihrem Bericht empfiehlt sie neben enger Zusammenarbeit von Hochschulen, Studentenvertretern und Wissenschaftsministerium "gegebenenfalls eine Novelle des Urheberrechtsgesetzes". Die Nutzung der Inhalte von Vorlesungen auf elektronischem Wege, etwa in MOOCs, sei im österreichischen Urheberrecht derzeit "unbefriedigend abgebildet", so das Wissenschaftsministerium. Es werde mit dem Justizministerium diesbezüglich verhandelt, für heuer ist eine Reform des Urheberrechts geplant (derzeit ist eine Gesetzesnovelle bezüglich Leistungsschutzrecht in Begutachtung).

ÖH gegen Uni-Handhabe

"Studierenden muss das Recht eingeräumt werden, für den Privatgebrauch Vorlesungen mitzuschneiden und Inhalte aufzunehmen. Das darf nicht von der Kulanz der jeweiligen Hochschule abhängig sein", so Bernhard Lahner vom Vorsitzteam der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH). Und was sagen die WU-Studierenden zu der neu definierten Handhabe? Viele wissen noch gar nichts davon und zücken prompt ihr Smartphone, senken den Nacken, und checken ihre E-Mails. Welch Sinnbild für’s Studieren 2.0.

MOOC steht für "massiver offener Online-Kurs" und bezeichnet kostenlose Kurse im Netz, die meist auf Universitätsniveau sind. Sie kombinieren traditionelle Formen der Wissensvermittlung wie Videos, Lesematerial und Problemstellungen mit Foren, in denen Lehrende und Lernende miteinander kommunizieren und Gemeinschaften bilden können. Audiothek der Philosophie-Studenten: https://audiothek.philo.at

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