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Entlastung für Foglar kein Grund für Lohn-Zurückhaltung

Von Brigitte Pechar

Politik

ÖGB-Präsident will Steuerreform nicht bei den kommenden Lohnverhandlungen einrechnen.


Wien. Der Industriestandort Österreich braucht nach Meinung von Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaftsbund (ÖGB) neue Impulse. Heute, Dienstag, übergeben ÖGB-Präsident Erich Foglar und AK-Präsident Rudolf Kaske an Bundeskanzler Werner Faymann und Infrastrukturminister Alois Stöger ein industriepolitisches Positionspapier mit den zentralen Forderungen der Arbeitnehmer.

"Wir haben eine Entwicklung, die mir Sorge bereitet", sagt Foglar im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Österreich müsse ein Industrieland bleiben, das Thema Industriepolitik daher politische Priorität haben, schließlich würden die hohen Gehälter im Hochlohnland Österreich hauptsächlich in der Industrie erwirtschaftet. Und deshalb der Masterplan aus Arbeitnehmerseite.

Eines machte der ÖGB-Präsident schon im Vorfeld deutlich: "Zurückhaltung bei den Lohnverhandlungen als Ausgleich für die Steuerreform wird es nicht geben." Damit reagierte Foglar auf Wünsche aus der Industrie nach moderaten Lohnrunden angesichts der zu erwartenden Steuersenkung. Auch Werner Muhm, Direktor der Arbeiterkammer, hat zuletzt zumindest indirekt in diese Richtung argumentiert und darauf hingewiesen, dass die Entlastung durch die Steuerreform zwei Lohnerhöhungen entspreche.

Foglar hält da dagegen. In der Sozialpartnerschaft gebe es den Grundsatz, wonach in Lohnrunden weder Steuererhöhungen noch Steuersenkungen eingerechnet würden. "Lohnzurückhaltung wegen einer Steuerreform ist denkunmöglich für uns. Diese Diskussion führen wir gar nicht. Wenn man von diesem Grundsatz abgehen will, wird es ernsthafte Schwierigkeiten geben." Denn damit wäre die Wirkung der Steuerreform, die Einkommen zu erhöhen, weg - genauso wie das Ziel, über eine höhere Kaufkraft die Konjunktur zu stützen.

Foglar wünscht sich im Masterplan die Stärkung des strategischen österreichischen Eigentums. Die neue Industrieholding des Bundes, die Öbib, solle nicht so wie die Vorgänger-Holding ÖIAG zu einer Privatisierungsagentur verkommen, sondern strategisch wichtige Industriebetriebe hereinholen. "Wenn wir Schlüsselunternehmen nicht in Österreich halten, werden wir es mit Arbeitsplätzen sehr schwer haben." Das Negativbeispiel sei die Telekom, die nicht mehr in österreichischer Hand sei, über die aber der Breitbandausbau im Land erfolge. Im Masterplan müssten aber auch die schulische und berufliche Bildung, wo einiges im Argen liege, bis hin zur Schaffung eines fairen internationalen Wettbewerbs - Stichwort Steuerdumping - enthalten sein.

Ein weiterer Schwerpunkt von ÖGB und AK ist das Thema Arbeitszeit, doch für diese gebe es, so Foglar, keine einfache Formel. Arbeitszeitverkürzung müsse es in verschiedenen Formen, angepasst an die jeweiligen Notwendigkeiten geben. Das gehe vom Abbau von Überstunden bis hin zur Erhöhung des Urlaubsanspruchs: "Wir brauchen ein altersgerechtes Arbeiten, wir brauchen zeitgemäße Arbeitszeitmodelle, die die höhere Produktivität berücksichtigen." Da gebe es zum Beispiel das Modell "Zeit vor Geld", also Umwandlung von Lohnerhöhung in Freizeit wie in der Elektroindustrie. "Wir brauchen aber auch im höheren Alter längere Erholungsphasen" - also sechs Wochen Urlaub. 70.000 Zeitarbeiter, so Foglar, kämen jedoch nie in den Genuss einer sechsten Urlaubswoche, weil sie nicht 25 Jahre in einem Betrieb arbeiteten. Auch gegen Arbeitsplatzverluste durch einen enormen Technologieschub im Bereich der Industrie 4.0 müsse gegengesteuert werden. In diesem Zusammenhang erinnerte der ÖGB-Präsident daran, dass in Österreich 900.000 Menschen - davon 80 Prozent Frauen - in Teilzeit arbeiten. "Das ist neben der Arbeitslosigkeit die brutalste Form der Arbeitszeitverkürzung."

Mehr Schubkraft für den Wirtschaftsstandort: Dafür plädieren auch die Wirtschaftsforscher. Allerdings sei Österreich in der Industrieproduktion kein Nachzügler gegenüber Deutschland, sagte Marcus Scheiblecker vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Auch im Vergleich zum Euroraum gerate Österreich hier nicht ins Hintertreffen. Vielmehr würden Irland und Portugal enorm aufholen. Dies verzerre das Bild von Österreich, das den Nachholprozess bereits 2011 abgeschlossen habe - noch vor den USA. Im Vergleich zu Deutschland und dem Euroraum stehe die heimische Industrie also nicht so schlecht da, Aufholbedarf sieht Scheiblecker aber im globalen Vergleich.