Wien. SPÖ und ÖVP verabschieden sich von ihrem Herzstück der geplanten Demokratiereform. Auch in Zukunft wird auf ein erfolgreiches Volksbegehren keine automatische Befragung des Volkes folgen. Die Zeit sei dafür noch nicht reif, hieß es am Montag bei der Präsentation der Vorschläge der Regierungsparteien. Das Projekt wurde "auf Eis" gelegt.

Eigentlich liegt seit 2013 ein Demokratiepaket von SPÖ, ÖVP und Grünen im Parlament, das die Einführung von verpflichtenden Volksabstimmungen über Gesetze, wenn ein entsprechend erfolgreiches Volksbegehren vorangegangen ist, vorsieht.

Doch in der Debatte im Rahmen der parlamentarischen Enquete habe sich herausgestellt, dass viele grundrechtliche Probleme "nicht zur Gänze gelöst werden" konnten, sagte SPÖ-Verfassungssprecher Peter Wittmann. Und sein ÖVP-Gegenüber Wolfgang Gerstl ergänzte: Eine Zweidrittelmehrheit sei wegen sehr unterschiedlicher Positionen nicht machbar gewesen, daher "muss ich dieses Gesetzesvorhaben heute auf Eis legen". Man lasse "im Kern alles beim Alten", monierte die grüne Verfassungssprecherin Daniela Musiol. Den Grünen sei es ein Anliegen, die Bürger "zwischen den Wahlen auch mitentscheiden zu lassen". Musiol äußerte den Verdacht, dass sich SPÖ und ÖVP "in der Enquetekommission wohl die meiste Zeit die Ohren zugehalten" hätten, sonst "hätte das Ergebnis anders ausschauen müssen".

Abschlussbericht im September

Auf Landes- und Gemeindeebene aber will man weitergehende direktdemokratische Instrumente ermöglichen - für Themen, bei denen die Gesetzgebung Landessache ist. Dazu gehören etwa Gemeinde- und Baurecht, Raumordnung, Sozialhilfe oder Teile des Elektrizitätswesens. Man schaffe dort mehr Mitsprache, wo die Bevölkerung besonders involviert sei, erläutere Gerstl.

Anstatt Bürger mit einer Befragung über ein fertiges Gesetz vor vollendete Tatsachen zu stellen, will man sie nun früher in die Gesetzwerdung einbinden, lautet die Koalitions-Strategie. Begutachtungsverfahren etwa sollen auf öffentlichen Plattformen diskutiert, die dortigen Beiträge in Anlehnung an Facebook auch "geliked" werden können. Via "Crowdsourcing" sollen die Bürger auch eigene Ideen einbringen können so ein weiterer Vorschlag. Initiatoren von Volksbegehren sollen ein Rederecht in Ausschüssen und Plenarsitzungen erhalten, wenn ihr Begehren behandelt wird. Für informierte Bürger als Voraussetzung der Partizipation soll politische Bildung ebenso wie das - noch nicht beschlossene - Informationsfreiheitsgesetz sorgen.

Für die Grüne Musiol ist Crowdsourcing nur eine "verbesserte Begutachtung" von Gesetzesvorhaben, aber mitnichten ein direktdemokratisches Instrument. An sich seien die Vorhaben auf Länderebene "äußerst vage", zumal die wesentlichen Entscheidungen auf Bundesebene fielen.

Die Enquetekommission trifft sich im September zu ihrer letzten Sitzung, dann soll auch der Abschlussbericht folgen.