Wien. (kill) Österreichs Rechtsanwälte üben Kritik an zu kurzen Begutachtungsfristen von Gesetzen. Die vom Bundeskanzleramt empfohlenen sechs Wochen seien in zahlreichen Fällen nicht eingehalten worden. "Der Gesetzgeber erlässt übereilt Gesetze. Man hat den Eindruck, dass der Gesetzgeber Angst vor Experten in der Zivilbevölkerung hat und diese ausbremsen will", sagt Rupert Wolff, Präsident der Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (Örak).
Als Negativbeispiel nennt er die Begutachtungsfrist zur Urheberrechts-Novelle von 2. bis 12. Juni 2015. Eine Frist von weniger als zwei Wochen stelle keinen angemessenen Zeitraum für eine akribische Untersuchung eines Gesetzesentwurfes dar. Mit einem Fristsetzungsantrag haben SPÖ und ÖVP dafür gesorgt, dass die umstrittene Novelle am heutigen Dienstag - und damit vor der Sommerpause - im Nationalrat beschlossen wird. Die Opposition hatte sich noch Diskussionen gewünscht, die Neos hatten etwa ein Expertenhearing gefordert.
Die Interessenvertretung der Rechtsanwälte fordert verpflichtende "Good Governance"-Regeln für Gesetzgebungsverfahren - diese sollen etwa beinhalten, dass Institutionen und Personen, die eine Stellungnahme abgegeben haben, über nachträgliche Änderungen des ursprünglich zur Begutachtung ausgesandten Gesetzesentwurfes informiert werden müssen. Als positive Beispiele heben die Rechtsanwälte die sechswöchigen Fristen des Strafrechts- und Erbrechtsänderungsgesetzes hervor.
Teurer Gang vor Gericht
Gleichzeitig ortet die Rechtsanwaltskammer in ihrem Wahrnehmungsbericht 2014/15 eine Regulierungsflut, etwa im Asyl- und Fremdenrecht: Zum 13. Mal in zehn Jahren wurde das Fremdenrecht heuer novelliert. "Selbst Experten kennen sich kaum mehr aus", so Wolff. Für Betroffene sei es so gut wie unmöglich, die aktuelle Gesetzeslage zu durchblicken. "Wird Asylsuchenden keine menschenwürdige Unterbringung geboten, verletzt das Grundrechte", sagt der Örak-Präsident.
Ein Dorn im Auge sind Wolff "massive Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte". So schaffe das geplante Staatsschutzgesetz erweiterte, teilweise unverhältnismäßige Eingriffsbefugnisse der Behörden in die Privatsphäre der Bürger, beispielsweise durch V-Leute, also Vertrauenspersonen außerhalb des Behörden-Apparats.
Außerdem kritisiert die Örak zum wiederholten Male die hohen Gerichtsgebühren in Österreich und fordert eine Deckelung. Besonders bei hohen Streitwerten seien die Gebühren eine Barriere für den Zugang zum Recht.
Bei einem Streitwert von 2,5 Milliarden Euro - wie im Fall der BayernLB gegen die Republik Österreich - werden laut Wolff alleine in erster Instanz knapp 30 Millionen Euro an Pauschalgebühr fällig. In Deutschland würde nur ein Bruchteil dessen anfallen, nämlich 329.000 Euro. "Das Gerichtsgebührensystem in Österreich ist dem Wirtschaftsstandort abträglich", so Wolff.