Wien. Traiskirchen war schon vor dem Besuch der Journalisten ein surrealer Ort. Weiße Flüchtlingszelte, die Kriegsnotstand symbolisieren, schieben sich vor die grüne Weinberg-Idylle; draußen fahren Kinder mit dem Postbus von Pfaffstätten nach Baden zur Omajause, drinnen überdauern Familien ohne Zelt und Oma im Postbus die gewittrige Nacht; und jetzt noch Journalisten, die in einer Schulklasse sitzen und sich von einem stämmigen Ober-Beamten im Ausnahmezustand über den Ausnahmezustand im Lager berichten lassen. Hinter dem Haupt von Gernot Maier, Chef für die Unterbringung von Asylwerbern im Innenministerium, eine Sonnentapete und eine Kreide-Tafel mit der Aufschrift: "Zukunft - wir werden, ich werde, du wirst. Ich werde im September in die Schule gehen."
Wie wirklich ist die Wirklichkeit, die hier inszeniert und berichtet wird? Die Böden im Lager sind frisch gewischt, die Mistkübel gehen vor blauen Müllsäcken über. Es wirkt aufgeräumt. Rudeljournalismus, weil die Verbotszone Traiskirchen ausnahmsweise für Medien geöffnet wird - zum Schutz der Privatsphäre der Asylwerber, wie begründet wurde. Nur, dass die Beschützten ihre Privatsphäre selbst opfern und sich in Trauben um Journalisten scharen. Sie klagen ihr Leid, nicht über den Krieg daheim, sondern die Zustände hier. Zu wenig Essen, schlechtes Essen, zu wenig Duschen, kein Bett. Vor allem kein Bett. Eine Gruppe Syrer wirft einer Gruppe Afghanen vor, sie würden bei den Betten bevorzugt. "Sind wir Araber weniger wert?", fragt einer den Journalisten. First come, first room, will ein Afghane den Syrer beruhigen. Private Sicherheitsleute mit Sonnenbrillen beobachten die Szene aufmerksam. "Soweit alles friedlich", sagen die Beamten, sagt die Polizei. "Die Lage ist schon alleine wegen der Massenzustände explosiv", warnt der Bürgermeister von Traiskirchen. 1200 Menschen sind zu spät gekommen und müssen in der kahlen Wiese oder in den Mauerwinkeln schlafen; sofern sie überhaupt von ihren Ausgängen zurückkommen und nicht auswärts schlafen. 450 Menschen harren in den Zelten aus. 200 Menschen kommen täglich neu an. Der Herbst naht.
Der Beamte im Ausnahmezustand, der sagt, er arbeite 120 Stunden die Woche und sehe seine Familie kaum noch, erzählt von seinen Kindern. "Eines motschkert immer", kommentiert er die Beschwerden seiner Schützlinge in Traiskirchen. Außer Betten gebe es alles zur Genüge - Duschgel, Duschen, genug Medizin, Ärzte, Gewand bis hin zum Essen. "Wir schmeißen täglich Essen weg."