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Lizenz zum Scheitern

Von Clemens Neuhold

Politik

Firmen und Politiker lecken nach gekippten Casino-Lizenzen Wunden. Finanzminister Schelling ist am Zug.


Wien. Ein Hotelturm mit überdimensionalen, blinkenden Leuchtjetons, die bereits beim Landeanflug auf Schwechat Gäste ins Novomatic-Casino Bruck an der Leitha locken; ein Prunkpalais eines Schweizer Anbieters am Wiener Schwarzenbergplatz, das spielfreudige Touristen aus allen Herren Länder anlockt und in Wien Montecarlo-Flair verbreitet - beide Projekte hat das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nun einkassiert wie ein Croupier das Geld beim Roulette. Auf 91 Seiten begründet das BVwG, warum es die zwei neuen Casino-Lizenzen für Wien und Niederösterreich kippt. Das Urteil liegt der "Wiener Zeitung" vor. Ebenfalls leer geht Novomatic aus. Es hätte mit der dritten Lizenz sein betsehendes Automatencasino im Prater groß ausgebaut.

Grund für das scharfe Urteil ist das offenbar dilettantische, chaotische und vor allem intransparente Ausschreibungsverfahren im Finanzministerium. Wie das Gericht festhält, fehlten den Bewerbern wesentliche Kriterien als sie ihre Angebote legten. Das habe dem "Transparenzgebot" widersprochen.

Nun ist völlig offen, wie es weitergeht. Das für Glücksspiel zuständige Finanzministerium kann die Lizenzen neu ausschreiben oder ganz darauf verzichten. "Wir analysieren die Bescheide des Gerichts. Erst dann lassen sich weitere Schritte ableiten", hieß es aus dem Ministerium. Das Ministerium wollte nicht beantworten, wie es zu den massiven Pannen der Beamten und des Glücksspielbeirates unter dem Ex-Sektionschef Wolfgang Nolz kommen konnte. Dem Fiskus entgehen durch die jahrelange Verzögerung viele Millionen. Das Gericht muss sich die Frage gefallen lassen, warum es 13 Monate brauchte, die Mängel zu entdecken. "Es war ein sehr komplexes und umfangreiches Verfahren mit Tausenden Seiten", heißt es vom BVwG.

Schwarzenberg beruft nicht

Eine dritte Option: Gegen das Urteil wird berufen. Die durch das Urteil doppelt unterlegene Novomatic gab am Mittwoch keine Stellungnahme ab, ob man das juristische Match aufnimmt oder auf eine Neuausschreibung hofft. Die mit dem Palais Schwarzenberg vorerst unterlegenen Stadtcasinos Baden aus der Schweiz und die deutsche Gauselmann-Gruppe lassen im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" ausrichten, den Verwaltungsgerichtshof nicht zu bemühen. "Das ist etwas, was wir nicht wollen." Geht Novomatic juristisch All-in, würden die Schweizer aber wohl mitziehen.

Vier Millionen haben die Schweizer in ihre Pläne für das bröckelnde Prunkpalais Schwarzenberg investiert. "Wir hätten in drei Wochen mit dem Umbau beginnen können", sagt ein Sprecher. 50 Millionen Euro waren reserviert. "Aus jetziger Sicht werden wir uns bei einer Neuausschreibung bewerben, außer, die Kriterien werden komplett auf die Casinos Austria abgeändert."

"Ganz sicher" neu bewerben will sich auch Investor Michael Tojner mit den Century Casinos, der beim letzten Mal leer ausgegangen war, heißt es zur vom Bieterkonsortium zur "Wiener Zeitung". Bedingung: "Ein diesmal faires, transparentes und sauberes Vefahren. Das Projekt: Ein Casino am Wiener Heumarkt im Las Vegas-Stil.

Die Casinos Austria (Casag) sind schon jetzt der große Gewinner des juristischen Nachspiels. Das Prunk-Casino Schwarzenberg hätte eine massive Konkurrenz für das traditionelle Casino in Baden bei Wien und das Casino in der Kärntner Straße - einen Steinwurf vom Schwarzenbergplatz entfernt - bedeutet. Mit dem Einspruch gegen die Lizenzen hat das heimische Traditionsunternehmen sich diese Konkurrenz aus dem Ausland bereits 13 Monate vom Hals gehalten. Nun kann es, wenn überhaupt wieder ausgeschrieben wird, Jahre bis zum nächsten Entscheid dauern.

Neue Hoffnung in Krems

Oder das Finanzministerium schreibt neu aus und die Casag bewirbt sich erneut. Die Projekte der Casag: je ein Standort in Niederösterreich und Krems und zwei in Wien im 15. Bezirk bei der U-Bahnstation Längenfeldgasse sowie im Prater. Aus jetziger Sicht bewirbt sich die Casag überall neu. "Die Hoffnung ist jetzt größer als zuvor", frohlockt der Kremser Bürgermeister Reinhard Resch. In einem Jahr könnte das Casino stehen. Das Grundstück hat die Casag vor einigen Wochen von der Supermarktkette Hofer erworben, um 2,5 Millionen Euro. Woher nahmen die Casinos die Zuversicht für das Urteil? Wohl aus der Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichts im Juni. Schon damals beanstandete der Richter fehlende Transparenz beim Verfahren und eine gewisse Irreführung der Bieter. Sollte es wieder nichts werden, verkauft die Casag das Grundstück weiter.

Tristesse in Bruck

Schwer enttäuscht ist hingegen der Bürgermeister von Bruck an der Leitha. Im Falle einer positiven Entscheidung "hätte Novomatic sofort zu bauen beginnen können". Für die Gemeinde hätte das in der Folge zusätzliche Einnahmen aus der Kommunalsteuer und der Glücksspielabgabe bedeutet. Der Stadtchef bleibt trotz seiner Enttäuschung zuversichtlich. "Wenn das Finanzministerium die Lizenzen wieder ausschreibt, haben wir sicher gute Chancen", sagt Hemmer.

Der geplante Novomatic-Betrieb - eine Spielbank mit 26 Spieltischen und Glücksspielautomaten - sah etwa 200 neue Arbeitsplätze und Investitionskosten von 90 Millionen Euro vor. Auf einer Grundstücksfläche von etwa 49.000 Quadratmetern sollte direkt an der Ostautobahn (A4) außerdem ein Vier-Stern-Business Hotel mit 264 Betten entstehen.

Die Chefin der niederösterreichischen Grünen, Helga Krismer, begrüßt die Entscheidung des Gerichts: "Es war zu keinem Zeitpunkt nachvollziehbar, warum Novomatic den Zuschlag erhalten hatte. Jetzt gilt es zu klären, wie es zu diesem Vergabedesaster kommen konnte. Ich freue mich, dass das beharrliche Auftreten der Grünen Früchte trägt."

Der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) soll das Novomatic-Projekt an der Grenze zu spielfreudigen Nachbarländern Ungarn und Slowakei favorisiert und in Wien forciert haben. Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) wiederum soll Gefallen am Schwarzenberg-Projekt gefunden haben.

Somit stehen auch die beiden mächtigsten Politiker der jeweiligen Regierungsparteien ÖVP und SPÖ vorerst als Verlierer da. Der neue Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) ist für Zurufe weniger empfänglich als sein Vorgänger Michael Spindelegger, der bei der alten Lizenzvergabe noch am Ruder saß. Nun liegt die Kugel wieder beim Finanzministerium und bei Schelling.