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"Wir bieten an, und es wird abgelehnt"

Von Mathias Ziegler

Politik
Die Klöster öffnen sehr wohl ihre Tore, betont Beatrix Mayrhofer (im Bild Stift Kremsmünster,das eine afghanische Großfamilie beherbergt). Stift Kremsmünster

Die Orden wehren sich gegen den Vorwurf, im Asylbereich säumig zu sein.


Wien. Beatrix Mayrhofer ist hörbar genervt. Die Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs hat es satt, sich regelmäßig sagen zu lassen, dass die Kirche mehr tun soll und die Orden ihre halbleeren Klöster für Flüchtlinge öffnen sollen: "Wer behauptet, dass wir zu wenig tun, soll uns ein Kloster zeigen, wo Flüchtlinge Platz hätten, die nicht aufgenommen werden." Um genau das nachzuprüfen und weitere potenzielle Quartiere zu requirieren, ist in jeder Diözese ein eigener Flüchtlingsbeauftragter ernannt worden.

"Bei der Grundversorgung gibt es schon jetzt eine ganz große Zahl von Beispielen, in denen sich Ordensgemeinschaften oder Pfarren engagieren, die auch in den kirchlichen Medien genannt, aber ansonsten nicht wahrgenommen werden", sagt Schwester Mayrhofer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Und fügt etwas verbittert hinzu: "Offenbar will man sich das Argument nicht wegnehmen lassen, dass die Kirche nichts tut. Ich komme nicht umhin, politische Interessen zu vermuten. Dabei erfüllt kaum jemand den Grundauftrag so stark wie die Kirche - denn man darf nicht vergessen, dass die Caritas, die ja inzwischen ein Markenzeichen geworden ist, eine Teilorganisation der Kirche ist. Und wenn man der Kirche vorwirft, dass sie nichts tut, dann unterstellt man indirekt, dass die Caritas nichts tut - was ja eindeutig nicht stimmt."

Caritas betreut 30 Prozent

Tatsächlich betreut die Caritas derzeit österreichweit im Rahmen der Grundversorgung gut 30 Prozent der Asylwerber (rund 15.000 von insgesamt 50.000 Personen), damit ist sie die größte Trägerorganisation in diesem Bereich. 10.500 Personen werden mobil betreut, 4500 sind in kirchlichen Einrichtungen untergebracht (vor einem Jahr waren es rund 3000), also in Pfarrhöfen, Klöstern, Diözesangebäuden oder auch angemieteten Räumen.

Beeindruckend sind dazu die Zahlen aus Vorarlberg: Von den insgesamt rund 2000 Asylwerbern im Bundesland wohnen 1500 in 131 Caritas-Quartieren. Die meisten wurden eigens angemietet. Freie Räume gebe es in den Pfarren nämlich kaum, schildert Flüchtlingskoordinator Gebhard Barbisch laut "Kathpress": "96 der 150 Pfarrhöfe stehen nicht zur Verfügung, weil sie entweder vermietet oder von Priestern bewohnt sind. Ein weiterer Teil ist aufgrund des baulichen Zustandes nicht mehr benützbar oder benötigt mehr oder weniger aufwendige Adaptierungen und Renovierungen." Dennoch will Bischof Benno Elbs noch mehr Unterkünfte schaffen und steht dazu derzeit auch mit 29 Ordensniederlassungen in Kontakt. Ein Aufruf unter den Pfarren habe bisher 42 Grundflächen aufgetan, die sich zur Erstellung von temporärer Wohneinheiten eigneten. Die Angebote müssten nun mit den Verantwortlichen des Landes Vorarlberg erörtert werden, so Elbs.

Fast ebenso viele Asylwerber, nämlich 1300, sind in Oberösterreich in knapp 60 kirchlichen Quartieren (davon 12 Klöster) untergebracht. Flüchtlingskoordinator Johann Schwarzbauer-Haupt verspricht, dass es in naher Zukunft noch mehr werden: "Viele Pfarren sind bereit, aber die Räume müssen erst noch adaptiert werden." Auch er verweist darauf, dass "ein scheinbarer Leerstand eben nicht immer ein wirklicher Leerstand ist". Nicht zuletzt gebe es ja auch Räume in Pfarrhöfen, die zwar nicht bewohnt, aber von der Pfarrgemeinde selbst regelmäßig benutzt würden. Man dürfe ja auch nicht das Pfarrleben zum Erliegen bringen. Und Schwarzbauer-Haupt sagt auch, dass zu den Grundversorgungsquartieren auch noch diverse Wohnungen für bereits anerkannte Flüchtlinge kämen: "Wenn nach vier Monaten die Grundversorgung endet, brauchen sie ja immer noch eine Unterkunft." Diese Unterbringung durch die Kirche im Rahmen der Integration dürfe man auch nicht übersehen.

Klöster werden adaptiert

Nach und nach nehmen jedenfalls auch immer mehr Klöster Flüchtlinge auf. Erst diese Woche hat das Stift Melk vermeldet, dass ein früheres Verwaltungsgebäude nach Auslaufen des Pachtvertrages für Flüchtlingsunterkünfte zur Verfügung gestellt wird. Und in der Stiftspfarre Traiskirchen ist die Gästewohnung im Pfarrhof dauerhaft belegt. Der dortige Pfarrer Jochen Maria Häusler nimmt auch immer wieder obdachlose Asylwerber kurzfristig in seine eigene Wohnung, das Pfarrzentrum war im Juli Sammelstelle für die Caritas, unter Mithilfe vieler Pfarrmitglieder. In zwei Stiftspfarren hingegen sei die Unterbringung von Flüchtlingen an der mangelnden Unterstützung durch Bürgermeister und Gemeinderat gescheitert, heißt es. Einer der Pfarrer habe alle Bewohner seines Pfarrgebiets mit leerstehenden Wohnungen oder Häusern besucht, aber kein Quartier gefunden. Der Pfarrhof selber sei baulich nicht als Unterkunft geeignet.

Das Stift Admont wiederum hat kürzlich ein ehemaliges Bundeserholungsheim gekauft, in dem 70 Flüchtlinge unterkommen sollen. Und das Stift Klosterneuburg hat die nahe Kaserne erworben und darin 150 Flüchtlinge untergebracht. Auch das Stift Göttweig hat eigens eine Wohnung für eine Flüchtlingsfamilie adaptiert. Das Missionshaus St. Gabriel bei Mödling hat einen ganzen Trakt zur Verfügung gestellt. Und die Barmherzigen Schwestern in Innsbruck sanieren derzeit ihr ehemaliges Internatsgebäude für die Aufnahme von 130 Flüchtlingen. "Nur ist das noch nicht fertig, deswegen ist dort noch niemand", erklärt Schwester Mayrhofer. "Das sind nur einige Beispiele von vielen, die Liste ließe sich noch viel länger fortsetzen."

"Wir müssen alle mehr tun"

"Natürlich sind 4000 Flüchtlinge in Klöstern und Pfarren wenig bei den hunderten, die tagtäglich neu dazukommen", gibt Schwester Mayrhofer unumwunden zu. "Es ist wirklich dramatisch, was sich da abspielt. Wir alle müssen noch mehr tun. Auch die Ordensgemeinschaften sind dazu aufgerufen. Jeder von uns muss sich fragen: Was kann ich persönlich beitragen? Was können wir als Gemeinschaft beitragen?" Die Kirche würde ja auch noch viel mehr tun, wenn man sie ließe, stellt sie klar. "Aber es gibt auch ein enormes Kompetenzproblem. Viele Ordensgemeinschaften haben Räume angeboten, die aber aus verschiedensten Gründen abgelehnt wurden. Wir bieten an, und der Bürgermeister sagt: Kommt nicht in Frage. Oder die Bezirksquote ist schon durch öffentliche Einrichtungen erfüllt, und der Bezirk sagt: Nicht jetzt die Kirche auch noch." So geschehen beim Kloster Gleink bei Steyr, das noch weitere 100 Flüchtlinge aufnehmen würde - wenn nicht gleich daneben ein weiteres Asylheim stünde, weshalb sich laut Caritas die Behörden querlegen. Auch das Canisiusheim in Horn bleibt gesperrt, nachdem in der Nähe ein leeres Altersheim für Asylwerber geöffnet wurde. Die Diözese Graz-Seckau wiederum bot ein Grundstück für Erstaufnahmequartiere an, "das wurde aber abgelehnt, weil es in der Region schon ein Erstaufnahmezentrum gab".

Viele Gebäude entsprechen auch nicht den gestellten Ansprüchen. Oft scheitert es an der Feuerpolizei, wenn zum Beispiel in einem alten Klostergebäude zu wenige Stiegenhäuser vorhanden sind. Oder es fehlen die entsprechenden sanitären Einrichtungen oder andere Infrastruktur, die erst geschaffen werden müsste. "Wir haben aber nicht immer das Geld für einen entsprechenden Umbau. Das muss man sich erst einmal, leisten können", sagt Schwester Mayrhofer. Und dann ist da noch der Denkmalschutz. "Wir können ja nicht aus kostbaren barocken Räumen, die nach allen Regeln des Denkmalschutzes aufwendig und kostspielig restauriert worden sind, ein Flüchtlingslager machen. Da könnte man genauso sagen: Bitteschön, die Hofbug steht auch leer. Oder diverse Museen oder die Nationalbibliothek."

Es geht auch unbürokratisch

Schwester Mayrhofer gibt außerdem zu bedenken, dass etwa bei den Frauenorden die meisten Gebäude nicht allzu groß sind und deshalb gar nicht so viel Platz bieten. Und von den knapp 3800 Ordensfrauen sind mehr als 2000 älter als 75 Jahre - also in einem Alter, wo sie zum Teil schon selbst eine Betreuung brauchen. Die Altersstruktur der rund 2000 Ordensbrüder ist ähnlich.

Trotzdem seien die Orden genauso bemüht wie die Pfarren, weitere Quartiere zu schaffen, betont Schwester Mayrhofer. Manuel Baghdi, Obmann des Vereins "Bewegung Mitmensch" und Flüchtlingskoordinator der Erzdiözese Wien, berichtet davon, dass sich "laufend Pfarren melden, die Flüchtlinge aufnehmen wollen". Wie unbürokratisch das ablaufen kann, machte jüngst ein Wiener Pfarrer vor: Er ließ kurzerhand die versammelte Pfarrgemeinde im Rahmen der Sonntagsmesse darüber abstimmen, ob in der leeren Pfarrerwohnung - er geht bald in Pension und wohnt bereits woanders - eine Flüchtlingsfamilie einziehen solle. Seit eineinhalb Wochen ist die Pfarrerwohnung nicht mehr leer.