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Löchrig wie ein Schweizer Käse

Von Marina Delcheva

Politik

Frankenkredite in Osteuropa: Jetzt drohen herbe Verluste.


Wien. Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass ausgerechnet der Schweizer Franken Osteuropa ins Wanken bringt? Und damit alle österreichischen Banken, die dort Frankenkredite in Milliardenhöhe begeben haben. Heimische Geldinstitute haben laut Nationalbank derzeit umgerechnet 14 Milliarden Euro an Frankenkrediten in Osteuropa ausstehend.

Die massive Aufwertung des Schweizer Franken durch die Schweizer Nationalbank Anfang des Jahres hat die in Franken begebenen Kredite auf einen Schlag massiv verteuert. Dadurch kommen aber nicht nur die Kreditnehmer, sonder auch die Kreditgeber unter Druck. Denn zahlreiche Länder in Zentral- und Mitteleuropa setzen eine Reihe von politischen Maßnahmen, um die Kreditnehmer zu entlasten - auf Kosten der Banken. Kunde und Bank können in diesem Fall nicht gleichzeitig gerettet werden, und die eigenen Wähler sind nationalen Regierungen in der Regel noch immer näher als internationale Finanzinstitute.

"Das wird die Banken noch einiges kosten und verhindert damit auch den schnellen Aufbau von Eigenkapital", sagt Franz Hahn, Finanzmarktexperte beim Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), zur "Wiener Zeitung". Für Aufsehen sorgt derzeit etwa ein Gesetzesentwurf in Polen. Dieser soll Banken zwingen, die begebenen Franken-Kredite zu weit günstigeren Kursen in die Landeswährung Zloty umzutauschen. 90 Prozent der Kosten sollen die Banken tragen. Die polnische Nationalbank rechnet hier mit Zusatzkosten für alle Banken von über fünf Milliarden Euro.

Gesetze auf Kosten der Banken

500.000 polnische Bankkunden haben Franken-Kredite in der Höhe von 35 Milliarden Euro aufgenommen. Polen ist auch, wie berichtet, derzeit das Sorgenkind der Raiffeisen Bank International. In den Büchern ihrer polnischen Tochter Polbank finden sich rund 3,2 Milliarden Euro an Franken-Krediten, die nun den geplanten Verkauf verzögern. Laut RBI-Finanzvorstand Martin Grüll ist es denkbar, dass man das Frankenkredit-Portfolio vor dem Verkauf herausnimmt und die RBI damit auf dem Frankenrisiko sitzen bleibt.

Sorgen bereitet den heimischen Banken auch Kroatien. Dort sind laut Nationalbank Kredite in Schweizer Franken in der Höhe von umgerechnet 2,5 Milliarden Euro offen. Nachdem sich die Frankenkredite durch die Aufwertung massiv verteuert haben, hat die dortige Regierung beschlossen, die kroatische Kuna für ein Jahr an den Franken zu koppeln, und zwar an den Kurs zum Tag vor der Aufwertung am 15. Jänner dieses Jahres.

Die Verluste tragen die Banken. Die RBI wird das heuer wohl rund fünf Millionen Euro kosten. Die Bank-Austria-Tochter Zagrebska Banka hat, wie zahlreiche andere ausländische Banken, gegen den Regierungsbeschluss geklagt.

Auch in Rumänien und in Serbien laufen Maßnahmen für den Umtausch in die Landeswährung, um die Kreditnehmer auf Kosten der Banken zu entlasten. Wie teuer so ein neues Fremdwährungsgesetz werden kann, hat Ungarn im Vorjahr gezeigt. Hier mussten die Banken laufende Fremdwährungskredite auf Wunsch der Kunden in Forint umtauschen. Allein die Bank Austria hat das 106 Millionen Euro gekostet.

Geschäft mit fremdem Geld

Der Osten und die Fremdwährungskredite. Zumindest bis zur Finanzkrise 2008 war das eine Goldgrube. Heimische Geldinstitute haben 118 Milliarden Euro an Fremdwährungskrediten in Zentral- und Osteuropa ausstehend. Der Großteil davon ist in Euro und wurde in der Zeit zwischen 2004 und 2007 hauptsächlich an Privatkunden begeben.

Für die Banken war das ein Riesengeschäft. Weil die Kredite in starken Währungen wie dem Euro oder eben dem Franken waren, mussten sie keine Währungsverluste etwa bedingt durch politische Krisen befürchten. Gleichzeitig haben sie alle Risiken wie Verluste aus Kursschwankungen an die Kreditnehmer abgegeben. Für die Kunden waren die Kredite wegen der vergleichsweise niedrigen Zinsen interessant.

Deshalb wurden Fremdwährungskredite von den heimischen Banken in ihren Ostmärkten massiv beworben, erklärt Franz Hahn vom Wifo. Die Kunden seien dabei nicht umfassend über die Risiken, die etwa mit einer Kursaufwertung einhergehen, informiert worden. "Das ist in Wahrheit ein hochtoxisches Kreditprodukt, weil sich die Kreditnehmer nicht gegen die Risiken absichern können", erklärt er. Die Finanzkrise und die Frankenaufwertung hat damals niemand kommen sehen.

"Wir vergeben keine Kredite mehr in Schweizer Franken", sagt Tiemon Kisenhofer, Sprecher der Bank Austria. Seit der Finanzkrise und den in deren Zuge verschärften Bestimmungen für Banken ist die Zahl an Fremdwährungskrediten im Osten stark rückläufig.

Ein großer Teil der Forderungen ist aber noch immer offen. Zahlreiche osteuropäische Regierungen emanzipieren sich nun und machen die Banken für das Franken-Fiasko verantwortlich. Dass Klagen gegen die politischen Entscheidungen von Erfolg gekrönt werden, glaubt Hahn nicht.