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Gegenwind im "Hoamatland"

Von Walter Hämmerle

Politik

Oberösterreichs Landeshauptmann und ÖVP-Spitzenkandidat Josef Pühringer im Interview.


Linz. Gegenwind im "Hoamatland", ob aus Wien oder von sonstwo, ist Josef Pühringer ja gewöhnt. 2003 kollidierte der Wahlkampf mit der irrwitzigen Idee, die Voest an Frank Stronach zu verkaufen. Und 1967 hätte die ÖVP sogar um ein Haar die Macht im Land verloren, weil Kanzler Josef Klaus lieber regierte, als auf Landtagswahlen Rücksicht zu nehmen. Die SPÖ wurde prompt stimmenstärkste Partei, und nur ein Pakt mit der FPÖ rettete der ÖVP die Macht im Land ob der Enns. Und jetzt das Flüchtlingsthema.

Doch davon lässt sich Pühringer im Interview mit der "Wiener Zeitung" nicht irritieren. Kein Wunder, der 65-jährige Doctor iuris und ehemalige Religionslehrer ist seit 1995 Landeshauptmann.

"Wiener Zeitung": Herr Landeshauptmann, warum gewinnt man Wahlen in der Politik?Josef Pühringer: Weil man eine Politik macht, die von den Menschen akzeptiert wird. Das gelingt, wenn die Politik bewegt, was auch die Menschen bewegt. Wenn man das möglichst glaubwürdig tut, nicht nur viel ankündigt, sondern auch viel umsetzt. Das haben wir in Obrösterreich versucht, jetzt geht es um die Fortsetzung des Weges.

Gemessen daran machen die SPÖ und ÖVP im Bund derzeit einen schlechten Job: Beiden bläst der Wind ins Gesicht, die Stimmung in der Republik ist am Boden.

Wir erleben eine Ausnahmesituation: Ein Thema, die Asylfrage, überlagert alle anderen. Und hier lässt sich leichter reden, schwieriger ist es, das Problem zu lösen. Noch im ersten Quartal war von 30.000 Flüchtlingen die Rede. Wenn jetzt bis zu drei Mal mehr kommen, wird der beste Politiker in Stress geraten.

2015 war kein gutes Jahr für den Föderalismus, oder?

Aber auch kein schlechtes. Die Länder haben deutlich gemacht, dass sie Föderalismus nicht als Kantönligeist verstehen, sondern als eigenverantwortliche Politik in der kleineren Einheit und näher am Bürger. Immerhin haben sich die Länder freiwillig bereit erklärt, im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Bestimmung am Asylthema nicht nur mitzuarbeiten, sondern auch mitzuzahlen.

Mit Verlaub: Der Bund erhält bei der im Argen liegenden Quartiersuche ein Durchgriffsrecht gegenüber Ländern und Gemeinden. Das ist wohl kaum ein Ruhmesblatt.

In Oberösterreich wird man kein Durchgriffsrecht brauchen, weil wir bis Oktober, wenn das Gesetz in Kraft tritt, unsere Quote erfüllen.

Was antworten Sie Bürgern, die das Gefühl beschleicht, sie leben in einer Republik, die sich selbst blockiert, wo Bund, Länder und Gemeinden mehr gegeneinander als miteinander arbeiten?

Das stimmt nicht, das ist die Sicht der Zentralisten. Mit einer Wasserkopfpolitik wird überhaupt nichts besser, sondern schlechter. Wenn fünf, sechs, mitunter sogar sieben Parteien um Stimmen konkurrieren, stehen immer wieder Gegensätze im Zentrum, aber das liegt in der Natur von Politik. Entscheidend ist, ob die Regierung unterm Strich etwas zusammenbringt oder nicht. Ja, wir stehen vor enormen Herausforderungen, neben dem Flüchtlingsthema ist das sicher die hohe Arbeitslosigkeit.

Die Länder haben kaum handfeste Zuständigkeiten, um wirksam gegen Arbeitslosigkeit anzukämpfen. Sie können allenfalls Entscheidungen und Bewilligungen verkomplizieren oder verhindern, aber nur schwer Impulse für Jobs setzen.

Die Tatsache, dass die oberösterreichische Arbeitslosenquote um 3 Prozent niedriger liegt als im Bundesschnitt, beweist, dass man einiges tun kann: für ein Klima sorgen, das Unternehmen und Investoren anzieht; eine gute Infrastruktur zur Verfügung stellen; rasche Behördenverfahren; und schließlich natürlich eine gute Bildungslandschaft und mit Förderungen, dort, wo notwendig. Das Wichtigste ist, der Wirtschaft nicht ins Ruder zu greifen.

Genau das aber geschehe in Oberösterreich, bemängelt die Industriellenvereinigung.

Die Industriellenvereinigung versteht sich als Stachel im Fleisch der Politik. Die Tatsache, dass wir unter allen neun Bundesländern bei allen Standortrankings immer an erster oder zweiter Stelle liegen, beweist, dass wir nicht schlecht liegen. Im internationalen Vergleich haben alle Bundesländer an Boden verloren, aber das ist eine logische Folge der Aufholprozesse anderer europäischer Staaten. Grundsätzlich braucht Oberösterreich keinen Vergleich zu scheuen, das zeigen die Betriebsansiedlungen und der überproportionale Anteil des Landes an den Exporten Österreichs.

Haben Sie einmal im Kopf durchgespielt, wie es wohl gekommen wäre, wenn 1967 - als die SPÖ zum ersten und bisher einzigen Mal die stärkste Partei im Land war - die ÖVP nicht mithilfe der FPÖ den Landehauptmannsessel für sich gerettet hätte? Womöglich drohte dann nicht die SPÖ, bei den Wahlen am 27. September auf Platz drei und unter die 20-Prozent-Marke zu fallen, sondern die ÖVP.

Ich glaube nicht, dass die Geschichte einen solchen Verlauf genommen hätte.

Was macht Sie so sicher?

Die Wahlen 1967 wurden durch den Bund mitentschieden. Die ÖVP-Alleinregierung unter Josef Klaus hatte gerade Steuermaßnahmen beschlossen, die nicht akzeptiert wurden. Aber Was-wäre-wenn-Fragen kann man fast nie beantworten, dass die Volkspartei in Oberösterreich mit ihrem Potenzial und ihrer Organisationsstärke zu einer 20-Prozent-Partei herabgesunken wäre, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Wir hätten auch den Landeshauptmann nicht auf Dauer verloren, da bin ich mir ziemlich sicher.

Nutzt Macht ab?

Das hoffe ich nicht.

Haben Sie eine Erklärung für die Wahlerfolge der FPÖ?

Nein, außer dass die FPÖ unverantwortlich agiert, weil sie den Menschen Angst macht, sie verunsichert.

Sie gewinnt Wahlen, die stärkste Währung in der Demokratie. Was sagt das über den Zustand der heimischen Variante aus?

Ich beurteile die Wähler nicht, aber ich bleibe dabei, dass die FPÖ auf unverantwortliche Art und Weise Politik betreibt. Und ich bekämpfe diese Art, das ist die Aufgabe demokratischer Parteien - und dann werden die Wähler entscheiden, wem sie ihr Vertrauen schenken.

Finanzminister Hans Jörg Schelling will die Länder stärker an die Kandare nehmen, um in Hinkunft Spekulationen und Missmanagement, wie bei der Kärntner Hypo Alpe Adria, beim Land Salzburg oder der Stadt Linz zu verhindern. Immerhin sei es der Bund, der für die Einnahmen sorge.

Es gibt kein Bundesgeld, sondern nur das Geld der Steuerzahler, das in den Finanzausgleich fließt. Das Geld für die Länder und Gemeinden ist kein Gnadenakt der Bundesregierung, sondern wir erfüllen damit unsere gesetzlichen Aufgaben. Und wenn, dann muss der Finanzminister den Bund an die Kandare nehmen, denn der ist mit rund 85 Prozent am stärksten von allen Gebietskörperschaften verschuldet. Manche Länder, dazu zählt auch Oberösterreich, haben kaum Schulden und sind immer verantwortungsvoll mit dem Geld der Bürger umgegangen.

Immerhin müssen die Länder den Bürgern nicht auch noch das Geld aus der Tasche nehmen, sie dürfen es aber ausgeben.

Die Menschen unterscheiden nicht, ob sie ihre Steuern an den Bund, die Länder oder an die Gemeinden zahlen. Sie zahlen sie an die öffentliche Hand, dass damit etwas Gescheites gemacht wird.

Wie erklären Sie, dass es einen ÖVP-Landesrat gibt, der für die schwarzen Gemeinden zuständig ist, und einen SPÖ-Landesrat für die roten Gemeinden?

Das ist extrem wichtig und wird auch so bleiben. Es ist nämlich nicht nur die Gemeindeförderung aufgeteilt, sondern auch die Gemeindeaufsicht. Der SPÖ-Landesrat ist nicht nur für die Förderung der SPÖ-Gemeinden zuständig, sondern auch für die Kontrolle der ÖVP-Gemeinden - und umgekehrt. Diese unabhängige Kontrolle ist enorm wichtig.

Aber ist diese Farbenlehre noch zeitgemäß?

Die Kontrolle ist Sache des Rechnungshofs, Aufsicht Sache der Landesregierung. Und nach meinem Demokratieverständnis ist es immer noch gescheiter, es kontrolliert ein Roter die Schwarzen und umgekehrt. Stellen Sie sich vor, der Gemeindereferent wäre bei der Kontrolle der Linzer Swap-Affäre ein roter Parteifreund gewesen: Wie schwer hätte sich der getan!

Was spricht gegen die Fortsetzung von Schwarz-Grün?

Gar nichts, aber wir legen uns nicht fest. Vor sechs Jahren haben die Grünen großen Wert darauf gelegt, dies nicht zu tun, jetzt tun wir das.

Aber angenommen, einer will den Pühringer wählen, aber keinesfalls Schwarz-Blau, sondern Schwarz-Grün: Der muss dann die Katze im Sack kaufen.

Nein, weil der Pühringer eine eigenständige Politik macht. Und er wird bei einer Zusammenarbeit nur so weit gehen, wie er es als Christdemokrat vertreten kann.

Und ist die FPÖ in Oberösterreich im Verfassungsbogen, wie es Andreas Khol einmal formulierte?

Ich will niemandem den Verfassungsbogen absprechen, aber es wird bei der FPÖ sehr auf die nächsten vier Wochen im Wahlkampf ankommen.

Ist das eine Drohung an die FPÖ?

Nein. In Oberösterreich ist jede Partei ab einer gewissen Stärke automatisch in der Regierung vertreten, ich kann also niemanden ausschließen. Aber mit wem die ÖVP eine Koalition bildet und ob überhaupt - das ist nämlich überhaupt nicht notwendig -, entscheiden wir nach den Wahlen.