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Wo die Helfer zusehen müssen

Von Simon Rosner

Politik

Bei der Notversorgung der Flüchtlinge greifen die Hilfsstrukturen ideal ineinander, in Traiskirchen dürfen Freiwillige aber nicht helfen.


Wien. Vor dem Dusika-Stadion in Wien wird Volleyball gespielt, was für eine Sporthalle ja auch nicht ungewöhnlich ist. Es sind aber Flüchtlinge, die hier spielen, rund 400 haben in der provisorischen Notschlafstelle, die in der Nacht auf Montag eingerichtet wurde, vorübergehend Quartier bezogen. Es gibt Verpflegung, gespendete Kleidung, eine medizinische Versorgung und sogar die Möglichkeit eines Krankenzimmers. In einer zweiten, angrenzenden Halle ist eine Art Kindergarten mit Pädagogen eingerichtet, ältere Kinder üben sich derweil am Wuzler.

Das Dusika-Stadion ist ein geradezu ideales Beispiel dafür, wie derzeit öffentliche Stellen und die Hilfsbereitschaft der Zivilgesellschaft in einer Notsituation ineinandergreifen. Das Bundesheer liefert für die Flüchtlinge im Dusika-Areal das Essen, aber auch eine Gruppe Sikhs kommt mit riesigen Töpfen vorbei. Die Feuerwehr hat wiederum Matratzen angeliefert, das Grüne Kreuz leistet Erste Hilfe. Dazu kommen noch rund 40 bis 50 Freiwillige. "Sämtliche Dolmetscher sind freiwillige Helfer", sagt Roland Haller vom Fonds Sozialen Wien, der die Hilfe im Dusika-Stadion koordiniert.

Hohe Anzahl Freiwilliger

Andere Notschlafstellen in Wien werden vom Roten Kreuz beziehungsweise der Caritas organisiert, die Gesamtkoordination obliegt dem sogenannten Sanitätsstab, in dem die größeren Hilfsorganisationen, aber auch die öffentlichen Stellen sitzen. So kann relativ rasch reagiert und die Logistik optimiert werden. Das Bundesheer liefert beispielsweise seit Mittwoch auch der Caritas Essen.

Auch bei den Einsätzen unmittelbar an der Grenze, in Nickelsdorf und Heiligenkreuz sowie an den Bahnhöfen hat sich in den vergangenen Tagen gezeigt, wie schnell, unkompliziert und gut öffentliche Stellen zusammenarbeiten und dabei eben auch die Zivilgesellschaft eingebunden wird. In der Steiermark betreut der Samariterbund die Notschlafstelle in Unterpremstätten bei Graz, Landeseinsatzleiter Josef Riener sagt: "Wir waren überrascht über die hohe Anzahl der Freiwilligen, ohne die wäre es schwieriger zu organisieren."

Caritas will ins Lager

Anders als in Wien ist in Graz der Magistrat kaum eingebunden, bisher konnte der Samariterbund aber die Versorgung sicherstellen. Doch sollte nun auch aus dem Süden ein Flüchtlingsstrom einsetzen, könnte sich die Situation in Graz ändern. Und was, wenn es auf einmal zu wenige Freiwillige gibt? Hier könnte der Magistrat nötig werden, in Wien, sagt Haller vom Fonds Sozialen Wien, gebe es "natürlich ein Back-up", also Mitarbeiter der Stadt.

Gänzlich anders ist die Situation in Traiskirchen. Dort ist seit drei Jahren die private Schweizer Firma ORS für die Betreuung der Flüchtlinge zuständig, davor hatte zehn Jahre lang die deutsche European Homecare die Versorgung betrieben, 2011 kündigte diese jedoch den Vertrag. Aufgrund damals sinkender Asylzahlen hatte sich nach Auskunft des Unternehmens die Aufgabe nicht mehr rentiert. Damals waren auch nur 300 Flüchtlinge in Traiskirchen untergebracht.

Heute ist die Situation im Erstaufnahmezentrum eine andere, seit vielen Wochen ist sie dramatisch, Hunderte mussten unter freiem Himmel schlafen, zudem brach die Essensversorgung aufgrund der vielen Flüchtlinge immer wieder zusammen. Dennoch bedient sich ORS nicht der Hilfe von Freiwilligen. Hilfsorganisationen wie die Caritas versuchen seit Wochen, Zugang zu bekommen. "Wir würden gerne mehr Verantwortung übernehmen und uns eine Teilöffnung wünschen", sagt Martin Gantner von der Caritas Wien. Derzeit gibt es dazu auch Gespräche mit dem Innenministerium. Die Caritas würde gerne die abgegebenen Spenden selbst im Lager verteilen.

Dass sich ORS dieser Angebote sowie der Hilfe von Freiwilligen nicht bedient, ist laut Auskunft von Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck mit "behördlichen Fragen" verknüpft. In Traiskirchen sind gewerberechtliche und gesundheitsbehördliche Auflagen zu beachten. Im Vertrag zwischen ORS und Innenministerium ist etwa festgehalten, dass die Schweizer Firma ihre Leistungen unter Einhaltung der "arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften, der abfall- und wasserrechtlichen sowie hygienerechtlichen Vorschriften zu erbringen" hat. Es ist fraglos ein Unterschied zwischen einer kurzfristig geschaffenen Notschlafstelle und einer langfristig genutzten Asylunterkunft.

Kaum Flexibilität

Das Innenministerium als verantwortliche Behörde habe eine "Gewährleistungspflicht", wie Grundböck erklärt. Der Vertrag mit ORS umfasst 81 Seiten, auf denen selbst die ordnungsgemäße Trennung der Abfälle beschrieben und die Verantwortlichkeit zur "Entleerung des Fettabscheiders in der Küche" definiert ist.

Die sehr genau definierte Leistungsbeschreibung, die auch die notwendige Ausbildung des Personals umfasst, mag für eine gute Versorgung theoretisch sinnvoll sein, doch offenbar ist das System bei einer Überbelastung wie derzeit unflexibel. Mag sein, dass es hygienerechtlich problematisch ist, wenn freiwillige Helfer ohne Handschuhe Essen austeilen, gleichzeitig stellt sich die Frage, ob es nicht das kleinere Übel wäre, wenn die Alternative dazu überlange Schlangen vor der Essensausgabe sind.