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Schärdinger rührt erneut im "fru fru"

Von Reinhard Göweil

Politik

Raiffeisen startet neuen Anlauf bei Berglandmilch und nöm,


Wien. Im Raiffeisen-Reich wurde nun ein neuer Versuch gestartet, die beiden großen Molkerei-Unternehmen Berglandmilch und nöm zusammenzuspannen. Dies wurde der "Wiener Zeitung" in Agrarkreisen bestätigt. Ein erster Versuch in den 1990er Jahren ging gründlich schief, dementsprechend behutsam wird unterm Giebelkreuz geprüft, wie beide Unternehmen zusammenkommen können. Die bekannteste Marke der oberösterreichischen Berglandmilch ist Schärdinger. Die in Baden beheimatete nöm AG produziert etwa "fru fru", die älteste Joghurtmarke Europas.

Die Milch der frommen Denkungsart ist Strategie: Die Berglandmilch AG gehört zur Gänze elf Milch-Genossenschaften, an der 13.000 Bauern beteiligt sind. Sie davon zu überzeugen ist nicht gerade einfach, wie aus Raiffeisenkreisen zu hören ist.

Deutsches und italienisches Interesse

Bei der nöm AG ist es nur ein bisschen einfacher. Sie gehört zwar zu 80 Prozent der Raiffeisen Holding Niederösterreich, zu 20 Prozent aber 3500 Milchbauern, die in der MGN-Genossenschaft gebündelt sind. "Zu Plänen mit der Berglandmilch können wir als Beteiligungsholding nichts sagen, dazu muss man sich an die nöm wenden", ließ Raiffeisen-Holding-Chef Erwin Hameseder der "Wiener Zeitung" knapp ausrichten.

Für die Berglandmilch, die 905 Millionen Euro umsetzt, spielen aber auch andere Überlegungen eine Rolle. Die nöm AG hat sich in den vergangenen Jahren mit Investitionen in Großbritannien und der Ukraine ziemlich verbrannt. 2014 gab es nach zwei Verlustjahren wieder einen kleinen Gewinn, das britische Werk wurde an den deutschen Molkereikonzern Müller-Milch abgegeben, der Umsatz fiel auf 370 Millionen.

Die nöm AG fährt mittlerweile einen harten Sanierungskurs. Das Werk Hartberg (Topfen) wurde geschlossen, das Werk Zwettl (Butter) wird gerade dichtgemacht. Die Produktion wird in Baden bei Wien konzentriert, was erhebliche Kosten spart. Der Anfang 2015 übernommene Lebensmittelgroßhändler Adolf Haas (Hotelbelieferung) wird saniert.

Raiffeisen Holding braucht dringend Kapital

An der nöm gibt es - ist zu hören - Auslandsinteresse. Sowohl Müller-Milch als auch der französisch-italienische Molkereikonzern Lactalis/Parmalat (Nummer 3 in Europa) werden genannt. Die Raiffeisen Holding, die auf der Bankseite unter Druck steht, Kapital freizuschaufeln, würde ihre 80 Prozent nicht um jeden Preis halten, meinen Insider.

Grund genug auch für die heimische Agrarpolitik, tätig zu werden - und eine österreichische Lösung erneut aufs Tapet zu bringen und einen "Ausverkauf" zu verhindern. Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter soll darüber informiert sein, aus dem Ministerium gab es dazu allerdings keinerlei Stellungnahme.

Denn jede Zusammenarbeit von nöm und Berglandmilch muss auch kartellrechtlich gut vorbereitet werden. Die Oberösterreicher hatten bereits bei der Übernahme von Stainzer Milch (Steiermark) und Tirol-Milch mit Auflagen der Bundeswettbewerbsbehörde zu kämpfen.

Ein Zusammenschluss der Nummer 1 und der Nummer 2 am heimischen Markt würde - so Juristen - nicht ohne harsche Auflagen über die Bühne gehen.

Beide zusammen wären marktbeherrschend

Es ist daher auch möglich, dass die beiden Unternehmen wie bisher bestehen bleiben, aber die Produktionspalette abtauschen, sowie bei Logistik und Vertrieb gemeinsame Wege gehen.

Österreichs Milchbauern produzierten 2014 drei Millionen Tonnen Milch. Berglandmilch und nöm verarbeiten im Verhältnis 3:1 etwas mehr als 1,6 Millionen Tonnen davon. Der gemeinsame Marktanteil im Lebensmittelhandel würde bei fast 40 Prozent liegen, also deutlich eine Marktbeherrschung darstellen.

Für die Molkereien allerdings stellt sich die Sache anders dar. Sie stehen mit Rewe und Spar zwei Handelsketten gegenüber, die gemeinsam 80 Prozent des Marktes dominieren.

"Die Ertragssituation der Molkereien ist sehr bescheiden - die zehn größten Verarbeitungsbetriebe haben ein äußerst knappes Ergebnis", sagte der Geschäftsführer des Molkereiverbandes, Johann Költringer, bei der Präsentation der Branchenzahlen 2014. Es lag 2014 bei 0,4 Prozent der Betriebsleistung.

Ein Beispiel: Für ein Kilo Hartkäse werden etwa 10 bis 13 Liter Milch benötigt. Obwohl der Milchpreis für die Bauern nach der Liberalisierung mit 30 Cent niedrig ist, liegt bei Aktionspreisen der Konsumentenpreis nur geringfügig über den Rohstoffkosten. Und dazwischen wollen der Handel und die Molkereien etwas verdienen. Ähnlich ist das Bild bei Butter, die pro Kilo etwa 20 bis 25 Liter Milch benötigt, und wegen der notwendigen Frische auch höhere Logistikkosten hat.

Die relativ hohe Zahl an Molkereien in Österreich wird auch erklärt, weil eben das Frischprodukt Milch nicht über lange Strecken transportiert wird. Und in Österreich sind eben frische Milchprodukte beim Konsumenten immer noch viel beliebter als Haltbar-Milchprodukte.

Müller-Milch ist größer alsalle heimischen Erzeuger

Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern weist die österreichische Molkerei-Landschaft daher immer noch relativ viele kleine Erzeuger auf. Der drittgrößte Produzent ist die Gmunden-Milch, ebenfalls eine zum Raiffeisenverband gehörende Genossenschaft, zu deren Marken "Almliesl" gehört.

Die nicht-genossenschaftlichen Produzenten wie Woerle in Salzburg dürften mit einem Zusammenschluss von Berglandmilch und nöm auch wenig Freude haben, ist zu hören.

Doch es bleibt ein Faktum, dass die heimische Molkereibranche insgesamt 2,43 Milliarden Euro umsetzt. Das ist eine ganze Milliarde weniger als die Nummer 10 in Europa, Müller-Milch.

Der deutsche Familien-Konzern Müller, dessen Werbe-Testimonial Andreas Gabalier hart kritisiert wurde, befindet sich derzeit auf Einkaufstour in Europa. Mit der Fischkette Nordsee wurde mittlerweile der Schritt in Richtung Lebensmittelkonzern gesetzt. Müller hat bereits das schwer defizitäre nöm-Werk in Birmingham übernommen, und kennt die nöm.

Parmalat, mittlerweile Teil des französischen Lactalis-Konzerns (Le-President-Camembert), wiederum interessiert sich vor allem an den hinter der nöm stehenden 3500 Milchbauern. Die hohe Qualität heimischer Milch findet in Italien reißenden Absatz. So mancher nach Italien exportierte Liter Milch kommt in Form von Mozzarella und Parmesan nach Österreich zurück. Denn zum Lactalis-Parmalat-Konzern gehört der Käse-Produzent Galbani. Denkbar sei auch, dass sich der Konzern an der gemeinsamen Berglandmilch-nöm beteiligt, ist zu hören.

Politik will heimischen Ausverkauf verhindern

Mittlerweile steigt auch der Export von Frischkäse nach Italien, nöm setzt in Italien mittlerweile 80 Millionen Euro um. Die Berglandmilch ist in Italien mit Topfen vertreten, liefert aber auch nach Bayern. Das soll auch künftig unter österreichischer Führung der Fall sein. Der ÖVP-Bauerbund hätte jedenfalls mit einem Verkauf wenig Freude. Neben den Milchbauern geht es um 2068 Mitarbeitern in beiden Unternehmen.