Der langjährige Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Ludwig Adamovich sen., erlag am 23. September 1955 einem Krebsleiden.
Der langjährige Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Ludwig Adamovich sen., erlag am 23. September 1955 einem Krebsleiden.

Wien. Am 23. September 1955 ist der Universitätsprofessor Ludwig Adamovich sen., der von 1946 bis 1955 Präsident des Österreichischen Verfassungsgerichtshofes war, seinem Krebsleiden erlegen. Er war am 30. April 1890 in der Festung Essegg (heute Osijek, Kroatien) in eine Familie von Grundbesitzern, Offizieren und Verwaltungsjuristen hineingeboren worden. 1893 übersiedelten die Eltern mit ihrem damals dreijährigen Sohn nach Wien. Der familiäre Hintergrund, aber auch zwölf Jahre Internatserziehung, haben seine Persönlichkeit und seine Weltanschauung entscheidend geprägt.

Nach dem Studium der Rechtswissenschaft und insgesamt fünf Jahren Militärdienst ist für ihn mit dem Zusammenbruch der Monarchie "buchstäblich eine Welt in Trümmer gegangen". Er trat als Jurist in den Dienst des Landes Niederösterreich ein, wo er zunächst bei einer Bezirkshauptmannschaft und dann im Präsidium des Amtes der Landesregierung als Referent für Verfassungsfragen eingesetzt wurde.

Über Prag und
Graz zurück nach Wien


In dieser Eigenschaft hatte er Kontakt mit den leitenden Beamten des Bundeskanzleramtes, die ihn 1920 zum Eintritt in den Verfassungsdienst dieses Amtes einluden. Im Bundeskanzleramt lernte ihn Hans Kelsen kennen, einer der bedeutendsten Rechtswissenschafter des 20. Jahrhunderts, der ihn zur Habilitation an der Universität Wien einlud. Die darauf folgende Karriere als Universitätsprofessor führte ihn über die Deutsche Universität Prag und die Universität Graz schließlich zur Universität Wien zurück.

Nach der Neugestaltung der Verfassungsgerichtsbarkeit aufgrund der Bundes-Verfassungs-Novelle 1929 wurde er auch zum Mitglied des Verfassungsgerichtshofes ernannt und dort alsbald zum ständigen Referenten gewählt. Nach der Lahmlegung und Ausschaltung des Verfassungsgerichtshofes im Jahre 1933 beteiligte sich Adamovich sen. an der (gescheiterten) Initiative des Präsidenten und der verbliebenen Mitglieder zur Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit des Verfassungsgerichtshofes. Dieser war einerseits durch eine rechtswidrige Verordnung vom 23. Mai aufgrund des Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes und anderseits durch den koordinierten Rücktritt von insgesamt sieben Mitgliedern und Ersatzmitgliedern ausgeschaltet worden. Adamovich sen. wurde dann allerdings in den 1934 gebildeten Staatsrat berufen, der in der Verfassung vom 1. Mai 1934 vorgesehen war, die jedoch - wie heute weitgehend unbestritten ist - unter Bruch der gültigen Verfassung von 1920 in der Fassung von 1929 zustande kam. In den letzten Tagen der Ersten Republik, nämlich vom 16. Februar bis 11. März 1938, war Adamovich sen. Bundesminister für Justiz. Die Nationalsozialisten versetzten ihn als Universitätsprofessor in den Ruhestand.