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Die Sehnsucht der FPÖ nach Wels

Von Matthias Nagl

Politik
Die rote Hochburg Wels scheint zu kippen, die FPÖ rückt dem Rathaus immer näher.
© Matthias Nagl

Die SPÖ könnte in Wels erstmals seit 1945 den Bürgermeister verlieren. Die FPÖ steht siegessicher bereit.


Wels. Ein ganz kleines bisschen ist Wels so wie Wien. Es gibt eine Ringstraße und in unmittelbarer Nähe im Stadtzentrum eine Freiung. Oberösterreichs zweitgrößte Stadt ist seit jeher eine Hochburg der SPÖ. Wie in Wien hat auch in Wels die FPÖ für die Wahlen im Herbst ein Duell um das Bürgermeisteramt ausgerufen. Und auch Heinz-Christian Strache spielt im Welser Wahlkampf eine Rolle, wenn auch nur eine kleine.

Der FPÖ-Parteichef, der in diesem Jahr alle wahlkämpfenden Landesgruppen mit seiner Präsenz unterstützt, kam wie Landeschef Manfred Haimbuchner zum Wahlkampfauftakt Ende August nach Wels. Strache ist in Wels auch auf Plakaten präsent und lächelt von den Wahlkampf-Autos der FPÖ. Schließlich ist der Bürgermeistersessel in Wels für die FPÖ in Oberösterreich ein erklärtes Wahlziel. Diesen soll Andreas Rabl erkämpfen.

Und anders als in Wien werden der FPÖ dafür von allen Beobachtern gute Chancen eingeräumt. Schon bei der letzten Wahl 2009 schrumpfte der Abstand zwischen SPÖ und FPÖ, der zweitstärksten Partei in Wels, beträchtlich zusammen. Die SPÖ verlor von 54,6 Prozent auf 35,7 Prozent, die FPÖ gewann von 10,9 Prozent auf 29,2 Prozent. Diesmal will die FPÖ den Aufwärtstrend beibehalten und die Machtverhältnisse umkehren.

Was die Chancen für die FPÖ erhöht, ist die Tatsache, dass die SPÖ nicht mit einem Langzeit-Amtsinhaber ins Rennen geht. Der Welser Bürgermeister Peter Koits ist seit 1999 im Amt und geht nun in Pension. Vizebürgermeister Hermann Wimmer geht für die SPÖ erstmals ins Rennen, auch Andreas Rabl tritt erstmals für die FPÖ an. Dabei ist Wimmer als Nachfolgekandidat auch SPÖ-intern nicht unumstritten.

Bevor er einstimmig zum Bürgermeister-Kandidaten gekürt wurde, gab es interne Grabenkämpfe. Auch Oberösterreichs Arbeiterkammer-Präsident Johann Kalliauer galt als möglicher Kandidat, winkte aber von sich aus ab. Mit dem 62-jährigen Wimmer geht die SPÖ mit einem Übergangskandidaten ins Rennen. Er wird die Serie der Welser Langzeitbürgermeister - seit 1949 hatte die Stadt nur vier Bürgermeister - schon alleine wegen seines Alters nicht fortsetzen können.

Welser FPÖ traditionell stark

Dennoch wäre ein Erfolg der FPÖ eine Zäsur für Wels. Seit 1945 ist die SPÖ stärkste Partei im Gemeinderat der Stadt, nur viermal kam sie unter 50 Prozent. Die 35,7 Prozent 2009 waren mit Abstand das schwächste Ergebnis. Dennoch gibt es in der einstigen Arbeiterstadt seit jeher ein hohes Wählerpotenzial des dritten Lagers. Schon in der Zwischenkriegszeit kamen deutschnationale Parteien in Wels auf bis zu 30 Prozent. Die FPÖ kam mit ihrer Vorgängerorganisation VdU bereits 1949 beim ersten Antreten auf knapp 30 Prozent. Ein Ergebnis, das bis heute nicht mehr übertroffen wurde.

Die drohende Abwahl der lange Zeit dominierenden SPÖ hat aber auch mit Problemen in der Stadtverwaltung zu tun. So wurden erst vergangene Woche im Skandal um das städtische Freibad Welldorado von der Staatsanwaltschaft Anklagen gegen vier Magistratsbedienstete erhoben. In dem Skandal soll eine Kassierin über Jahre insgesamt knapp 360.000 Euro aus der Kasse abgezweigt haben. Einem Abteilungsleiter und einem Dienststellenleiter wird vorsätzliche Tatbeteiligung vorgeworfen.

Außerdem musste die Stadt heuer auch das Wissenschaftszentrum Welios mit einer Geldspritze vor dem Aus bewahren. Da hilft es auch wenig, dass SPÖ-Kandidat Wimmer im Wahlkampf auf die in seiner Verantwortung liegenden geordneten Stadtfinanzen verweist. Wimmer argumentiert, dass die Stadt besser als ihr Ruf wäre. Tatsächlich macht Wels keinen heruntergekommenen Eindruck.

Zwischen Absandeln und Idylle

FPÖ-Kandidat Rabl sieht das naturgemäß anders. Wenige Tage vor der Wahl kämpft er in einem neu erschlossenen Siedlungsgebiet mit schmucken Neubauten im Norden von Wels um Wählerstimmen. "Wels ist abgesandelt", sagt er den potenziellen Wählern im Gastgarten eines Kaffeehauses. "Die SPÖ steht in Wels für den gleichbleibenden Weg, wir sagen Wels muss sich ändern", beschließt Rabl seine Rede. Dabei könnte man gerade hier auch in die entgegengesetzte Richtung argumentieren: neu errichtete Wohnungen, ein neu erschlossener Stadtteil, spielende Kinder, die auch ortsfremde Erwachsene freundlich grüßen. Die seit Juni offenbar erfolglose Suche nach Kater Fridolin mit Adresse, Tür- und Handynummer auf einem Flugblatt deutet auch nicht auf einen sozialen Brennpunkt hin.

Just hier wirbt nicht nur Rabl um Veränderung, sondern machte auch ein FPÖ-Kandidat kurz vor der Wahl mit einer Art Bürgerwehr Schlagzeilen. Der Listen-Zehnte der FPÖ Wels ging in der Siedlung auf Patrouille und warnte die Bewohner per Flugblatt "vor kriminellen Einbrecherbanden aus dem Ausland", da Gaunerzinken in der Siedlung aufgetaucht seien. Die Polizei, deren nächste Dienststelle auf der anderen Straßenseite der Siedlung liegt, sah bei von der Bürgerwehr genannten Verdächtigen keinen Grund zum Einschreiten.

Rabl bezeichnet im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" die Bezeichnung Bürgerwehr übertrieben, es habe sich lediglich um einen Nachbarschaftsverein gehandelt. Der Anwalt und Bürgermeisterkandidat gibt sich selbst betont gemäßigt. "Die Migranten in Wels sind zu 80 Prozent super integriert, nur mit den restlichen 20 Prozent gibt es Probleme", sagt Rabl. Er will ein zweites Kindergartenjahr gratis, um die Deutschkenntnisse zu fördern, "Integrationsverweigerern" nach einer gewissen Zeit notfalls aber auch Sozialleistungen streichen.

Von großspurigen Ankündigungen für einen eventuellen Wahlsieg hält er nichts. "Das Wichtigste ist, alle in ein Boot zu holen, Ziele festzulegen und Kompromisse zu finden. Als Erstes würde ich mit der Stadtregierung in eine Klausur gehen", kündigt Rabl an. "Das Gesprächsklima ist auch jetzt schon gut." In Wels ist es kein Geheimnis, dass die beiden Kontrahenten Wimmer und Rabl persönlich gut miteinander auskommen. Es gibt eben auch große Unterschiede zwischen Wien und Wels.