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Eine kleine Revolution steht vor der Tür

Von Walter Hämmerle

Politik

Hinter den Kulissen laufen die Verhandlungen über eine Reform des Finanzausgleichs. Was noch fehlt: eine politische Entscheidung.


Wien. Klingt nach politischem Business as usual: Die Vorbereitungen laufen, eine Einigung ist vor der Sommerpause 2016 avisiert, die entsprechenden Parlamentsbeschlüsse würden dann im Herbst erfolgen - und fertig wäre eine veritable Revolution.

Es geht um eine Neuaufstellung des österreichischen Finanzausgleichs, diesen völlig intransparenten und ineffizienten Milliardenverteiler zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Hans Jörg Schelling ist dabei beileibe nicht der erste Finanzminister, der sich eine Reform vornahm. Womöglich wird er allerdings derjenige sein, der Worten auch Taten folgen lässt. Dabei gehe es zuvorderst gar nicht darum, Sparerfolge vorzuweisen, erläuterte Schelling dieser Tage in einem Hintergrundgespräch, Ziel sei es, endlich politische Verantwortlichkeit und Effizienz in den Dschungel der innerösterreichischen Finanztransfers zu bringen.

Intransparenz ist einVorteil für die Politik

Gelingt das, stellt sich ein Einsparungseffekt wohl von ganz allein ein. Das beste Mittel gegen die Fortsetzung offensichtlicher Unsinnigkeiten ist, so lautet die dahinter stehende Hoffnung des Finanzministers, Öffentlichkeit. Schließlich ist "Intransparenz ein Vorteil für die Politik", wie es Christian Sturmlechner, Ministerialrat im Finanzministerium, am Donnerstag bei einer Tagung von "Foster Europe" und dem "Institut für Föderalismus" zum Thema Reform des Bundesstaats formuliert.

Aufgaben statt Fixanteile: Dieses Leitprinzip soll die Verhandlungen über einen neuen Finanzausgleich prägen. Zwar gibt es schon bisher Bedarfszuweisungen, allerdings sind diese marginal und werden häufig auch noch umgangen.

Neben der Unübersichtlichkeit prägt Einseitigkeit das System: Rund 95 Prozent aller Einnahmen entfallen auf den Bund, das Gros der restlichen 5 Prozent entfällt auf die Gemeinden (im Wesentlichen Kommunal- und Grundsteuern) und verschwindende 0,35 Prozent steuern die Länder bei (siehe Grafik). In einem ersten Verteilungsschritt gibt der Bund 33 Prozent seiner Einnahmen ab, am stärksten profitieren davon die Länder, in einem geringeren Ausmaß auch Gemeinden und die EU. Dabei handelt es sich um Ertragsanteile, die nach einem fixen Schlüssel zugewiesen werden.

In einem weiteren Schritt geben der Bund (weitere 8 Prozent) und die Gemeinden (ohne Wien) weitere Mittel in Form von Zweckzuschüssen (etwa Wohnbauförderung, Straßenerhaltung), Finanzzuweisungen und Kostenübernahmen (Landeslehrer) an die Länder und Wien ab. Letztere spielt aufgrund ihrer Verfasstheit als Stadt und Land eine Sonderrolle.

Am Ende verfügt der Bund über 56,5 Prozent der Einnahmen, die Länder über 21,7 Prozent, Wien über 8,9 Prozent und die Gemeinden über 9,6 Prozent; auf den EU-Mitgliedsbeitrag entfallen 3,4 Prozent der Einnahmen der Republik. Zu beachten dabei ist: Der Gesamtanteil der Länder und der Gesamtanteil der Gemeinden an den Ertragsanteilen muss noch einmal geteilt werden, damit jedes Land und jede Gemeinde den entsprechenden Anteil erhält, wobei mit der Größe auch die Mittel steigen.

Soweit der lamentable Ist-Zustand der innerösterreichischen Finanzbeziehungen. Und weil längst niemand mehr den Durchblick hat und Kostenkontrolle ein Ding der Unmöglichkeit geworden ist, soll dieser Mechanismus radikal vereinfacht werden. Oder wie es Schelling ausrückt: "Dass einer bestellt und der andere bezahlt, das wird es nicht mehr geben." Das ist natürlich leichter gesagt als getan, denn dafür wäre eigentlich auch eine weitreichende Aufgabenreform notwendig. Das ist Voraussetzung für die künftige Zuteilung der Geldmittel auf Grundlage nachvollziehbarer Verantwortlichkeiten.

Schelling für Steuerautonomie der Bundesländer

Offen ist, ob es am Ende zu einer schrittweisen Erhöhung der Steuerautonomie der Länder kommen wird. Finanzminister Schelling steht dieser Option "sehr offen" gegenüber, wie er derzeit nicht müde wird zu betonen. Auch das Gros der Länder könnte dem einen Reiz abgewinnen. Skeptisch bis ablehnend reagiert vor allem die SPÖ. Österreich sei für neun unterschiedliche Steuersysteme zu klein, heißt es. "Kompliziert ist nicht die Umsetzung unterschiedlicher Steuersätze", hält dem der Ökonom und ehemalige IHS-Chef Christian Keuschnigg entgegen, "kompliziert ist die Anwendung zahlloser Ausnahmen". Sonderlösungen etwa für den Großraum Wien bleiben aber notwendig.

Vor diesem Hintergrund ist allenfalls ein Einstieg in eine Steuerautonomie wahrscheinlich. Das neue Jahr wird diesbezüglich also eher "keine große Revolution" bringen, vermutet Ministerialrat Christian Sturmlechner. Man ist schließlich in Österreich. Sein Tipp: "Eine kleine Revolution" - mit Übergangsfristen, um den Kulturschock für alle Beteiligten besser verdauen zu können. Fehlt eigentlich nur noch die politische Grundsatzentscheidung.