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"Parteien brauchen die Konservativen"

Von Werner Reisinger

Politik
Nimmt es gelassen: Dönmez will weitermachen, ob mit oder ohne neue Partei.
© Stanislav Jenis

Muslimische Vereine treten immer selbstbewusster auf, auch weil sie von der Politik hofiert werden.


Wien/Linz. Efgani Dönmez zeigt sich abgeklärt. Der streitbare oberösterreichische Grüne war zwar am Freitag von seiner Partei als Bundesrat abgewählt worden, seine Mission gehe aber weiter, sagte er am Montag zur "Wiener Zeitung": "Wenn eine Türe zugeht, dann öffnet sich die nächste." Seinem Nachfolger David Stögmüller (28) gratulierte er zwar nach dessen Wahl, kommentierte seinen eigenen Abgang aber auf Facebook mit einiger Häme. Er bedanke sich bei jenen, die ihn immer wieder "angefeindet" hätten, auch innerhalb der Partei. Erst diese Anfeindungen hätten ihm geholfen, seinen "Verstand zu schärfen" und ihn gezwungen, "noch akribischer zu arbeiten".

Dönmez gefällt sich vor allem in einer Rolle: Der des nüchternen Analytikers, des scharfsinnigen Aufdeckers, des Querdenkers und Kritikers, der offen ausspricht, was andere nicht sagen können oder wollen. "Ich habe Angebote aus allen politischen Parteien", sagt Dönmez. Zuerst wolle er aber "zur Ruhe kommen und sich einen Überblick verschaffen". Nur eines könne er schon jetzt sagen: Für die FPÖ werde er künftig ganz sicher nicht in einer Funktion oder auf einem Posten arbeiten. Auch wenn er die Partei "nicht pauschal als rechtsextrem" darstellen wolle, schließlich gebe es ja auch "vernünftige Stimmen". Solange es keine klare Abgrenzung zum "braunen Sumpf" gebe, sei die FPÖ keine Option. "Ich habe mein Leben lang gegen rechtes Gedankengut angekämpft, egal woher dieses kommt."

Dönmez ist bekannt dafür, beim Migrations- und Integrationsthema immer wieder markige Sprüche zu liefern. Sprüche, die seinen Parteikollegen meist sehr ungelegen kommen, konterkarieren sie doch die Linie der Partei. Er forderte, "Burka-Trägerinnen" die Sozialleistungen zu entziehen, die Teilnehmer einer Pro-Erdogan-Demonstration wollte er gar per Flugzeug in die Türkei schicken. Kann er verstehen, dass die Parteibasis ihn loswerden wollte? "Das sollen die Bürger entscheiden. Dass jemand, der Ecken und Kanten hat und medial sehr präsent ist, nicht immer Freude bereitet, ist klar. Dass aussortiert wird, wer nicht stromlinienförmig denkt, ist nicht nur bei den Grünen so. Dieses Schwarz-Weiß-Denken in den Parteien führt aber zu Politikerverdrossenheit."

Er habe seit Freitag "hunderte Zuschriften, E-Mails und Postings" erhalten, sagt Dönmez. Sie alle würden ihn in seiner Haltung bestätigen und ihn ermuntern, weiterzumachen. Die Grünen aber würden den kritischen Diskurs, so wie er ihn versteht, nicht führen wollen: "Anscheinend ist der Leidensdruck noch nicht groß genug." Die Grünen hätten sich zudem immer als "Gegenpol und Bollwerk zur Ideologie der FPÖ" verstanden. Aus diesem Reflex heraus würde man bis heute Muslime, Migranten und Einwanderer in Schutz nehmen - und verabsäume es, deren teils rechtes Gedankengut überhaupt wahrzunehmen.

Parteien sind orientierungslos

Was Integration angeht, habe sich unsere Gesellschaft in den letzten 20 Jahren massiv verändert, so Dönmez. Viele unterschiedliche Gruppierungen, die "den säkularen Werten diametral gegenüberstehen", wären heute in Österreich aktiv. Dass viele muslimische Gruppen der AKP des türkischen Präsidenten Erdogan nahe stehen, von der Türkei "finanziell und strukturell" gestützt würden, sei auch ein Grund, wieso die Grünen politisch nicht vom Fleck kämen. "Man kann sich marginale Zugewinne schönreden, aber für mich ist das ehrlich gesagt ein Armutszeugnis." Die Lebenswelt vieler grüner Politiker spiele eine Rolle bei der Fehleinschätzung des politischen Islam in Österreich. Die Grünen kämen aus ihrem Milieu nicht heraus, ihre Kinder würden nicht - so wie seine - in die nächste Sprengelschule gehen, so Dönmez.

Für die Parteien seien aber die Wählerstimmen der religiös-konservativen Muslime inzwischen von zentraler Bedeutung. Deren Vereine wären "durch die politische Situation im Herkunftsland" gestärkt und würden von den politischen Parteien, insbesondere der SPÖ, Unterstützung bekommen. "Das stärkt ihr Selbstbewusstsein, und dementsprechend treten sie in der Öffentlichkeit auf", sagt Dönmez. Speziell die SPÖ brauche die Stimmen der konservativen Muslime bei jeder Wahl. "Die muslimischen oder türkischen Vereine sind straff organisiert und können in kürzester Zeit viele Wähler mobilisieren", sagt Dönmez. Aber auch die ÖVP versuche inzwischen, in diesem Wählersegment Stimmen zu gewinnen. So kandidierte in Wels beispielsweise Güler Bilgic-Cankurtaran, die der islamistischen "Milli Görüs" Bewegung nahestehen würde. "Einerseits versprach sich die ÖVP von ihrer Kandidatur Wählerstimmen im migrantischen Milieu, und für die Milli Görüs ist es auch eine Aufwertung, wenn jemand aus ihrem Umfeld für eine politische Partei kandidiert. So haben beide Seiten etwas davon."

Für Dönmez ist der Fall "ein Paradebeispiel für die Orientierungslosigkeit" der Parteien in der Frage des Umgangs mit dem politischen, konservativen Islam. "Wenn man als christlich-soziale Partei schon in Kreisen der Milli Görüs nach Wählerstimmen fischen muss, stellt sich die Frage, ob die handelnden Personen da überhaupt wissen, was sie tun." Politik und Religion würden vermischt. Das gehe so weit, dass in den Moscheen aufgerufen werde, für diese oder jene Partei zu stimmen.

Auch im Zuge der aktuellen Flüchtlingskrise würde die Politik den Fehler machen, "Moschee-Vereinen" teilweise die Betreuung von Flüchtlingen zu überlassen. "Überall, wo der Staat schwach ist, füllen diese Gruppen die Lücken." Auf die Frage, ob die Parteien auf die Instrumentalisierung der Politik durch Religion vorbereitet sind, fällt Dönmez’ Antwort knapp aus: "Ein Wort: Nein."