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Vorratsdatenspeicherung kehrt zurück

Von Gregor Kucera

Politik

Nach dem Neustart in Deutschland kündigte Innenministerin Mikl-Leitner nun auch eine eigene österreichische Lösung an.


Wien. Totgesagte leben länger. Besser kann man die aktuelle Diskussion rund um die Vorratsdatenspeicherung in Europa wohl kaum beschreiben. Wie sonst kann man erklären, dass ein von EU und Verfassungsgerichtshof abgelehntes Gesetz nun, wie Phönix aus der Asche, in Deutschland und Österreich wieder aufersteht. Denn am Mittwoch, wenige Tage nach dem Beschluss der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland, kündigte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner eine neue österreichische Version der Vorratsdatenspeicherung an. Aber zunächst ein Blick zurück zu den Anfängen.

Widerspruch zum Datenschutz

Am 27. Juni 2014 hatte der Verfassungsgerichtshof die Bestimmungen zur Vorratsdatenspeicherung in Österreich mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Die Gesetze würden sowohl dem Grundrecht auf Datenschutz sowie Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, dem Recht auf Privat- und Familienleben, widersprechen, sagte damals Präsident Gerhart Holzinger bei der Verkündung der Entscheidung. Die dadurch aufgehobene österreichische Regelung zur Vorratsdatenspeicherung verpflichtete Unternehmer, die Telekommunikationsdaten aller Festnetztelefon-, Handy- und Internetnutzer sechs Monate lang zu speichern. Die Ermittlungsbehörden konnten darauf bei Verdacht auf ein vorsätzlich begangenes Delikt mit Strafdrohung von mehr als einem Jahr Haft zugreifen. Soweit, so gut.

Danach wurde es still rund um das Thema. Allerdings nur kurz. Denn in Deutschland, wo ein entsprechendes Gesetz bereits einige Jahre zuvor aufgehoben worden war, entbrannte eine jahrelange, teils sehr heftige Diskussion um eine Wiedereinführung. Einige Male waren die deutschen Politiker schon sehr knapp an einer Entscheidung in der Causa Prima, eine Einigung konnte aber - auch aufgrund von EU-Entscheidungen zum Datenschutz - nicht getroffen werden.

Deutschland prescht vor

Vor rund einer Woche wendete sich dann das Blatt. Gegen die Stimmen von Linken und Grünen setzte die Mehrheit der Koalition die umstrittene Neuregelung im deutschen Bundestag durch. Das neue deutsche Gesetz sieht vor, dass Telekommunikationsunternehmen die Telefon- und Internetverbindungsdaten aller Bürger zehn Wochen lang speichern, diese dann jedoch löschen müssen. Dazu gehören Rufnummern der beteiligten Anschlüsse, Zeitpunkt und Dauer der Anrufe sowie IP-Adressen von Computern. E-Mails sind von der Regelung ausgenommen. SMS-Inhalte werden hingegen sehr wohl erfasst, da hier eine technische Trennung zwischen Inhaltsdaten und den sogenannten Metadaten (Kommunikationspartner, Standort und Ähnlichem) nicht möglich ist. Für Standortdaten, die bei Gesprächen via Handy anfallen, ist eine verkürzte Speicherfrist von vier Wochen vorgesehen.

Eine österreichische Lösung

Der deutsche Vorstoß führt nun auch in Österreich zu einer neuerlichen Diskussion über die Vorratsdatenspeicherung. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) kündigte am Mittwoch im Ö1-"Morgenjournal" eine Renaissance des Themas an. Und dies, obwohl es bisher stets aus dem Ministerium geheißen hatte, man wolle auf eine gesamteuropäische Regelung warten.

Doch nun ist auch ein österreichischer Alleingang nicht mehr auszuschließen. "Es geht um den Kampf gegen Terrorismus und die Verhinderung schwerster Kriminalität", betonte Mikl-Leitner, "um die Sicherung von Spuren." Hier müsse man "die Instrumentarien anpassen", denn man befinde sich "in einem neuen Zeitalter". Doch braucht die ÖVP für die Umsetzung auch die Stimmen des Koalitionspartners SPÖ, und die Kanzlerpartei hat sich bisher eher bedeckt gehalten. "Wir sollten eine gemeinsame Lösung finden, über die Parteigrenzen hinweg", appellierte Mikl-Leitner daher an die Partner.

Der EU-Ansatz

Kritik an den Aussagen der Innenministerin kam umgehend von Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser: "Von der EU-Kommission wurde einem Neuanlauf der Vorratsdatenspeicherung auf EU-Ebene eine Absage erteilt. Sollte die Regierung jedoch einen Alleingang Österreichs statt einer gesamteuropäischen Lösung anstreben, werden die Grünen gemeinsam mit der Zivilgesellschaft die Vorratsdatenspeicherung wieder wegklagen."

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs, laut dem eine anlasslose Überwachung aller Bürger "mit der Europäischen Grundrechtecharta unvereinbar" sei, scheint es bis zu einer gemeinsamen europäischen Lösung allerdings noch ein weiter Weg. Als Alternative kommt immer wieder "Quick Freeze", also eine schnelle Erhebung der Nutzerdaten mit richterlicher Erlaubnis im Akutfall, zur Sprache. Allerdings lehnte Mikl-Leitner diese Lösung bereits als unzureichend ab.