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Geld in der Klemme

Von Marina Delcheva

Politik

Geldschwemme der EZB kommt bei Unternehmen nicht an. Viele wollen keine Kredite und halten sich mit Investitionen zurück.


Wien/Frankfurt. Seit dem 9. März pumpt die Europäische Zentralbank (EZB) monatlich rund 60 Milliarden Euro in den Markt. Bis September des nächsten Jahres nimmt die EZB insgesamt 1,14 Billionen Euro für Staatsanleihen und andere Wertpapiere in die Hand. Das Ziel: Die Zentralbank kauft den Banken im Rahmen der sogenannten Quantitativen Lockerung (QE) Staatsanleihen ab. Diese geben dann das frei gewordene Geld in Form von Krediten an Unternehmen weiter, damit das Wirtschaftswachstum anspringt. Soweit die Theorie.

Nur in der Praxis funktioniert das nicht ganz so, wie sich das EZB-Chef Mario Draghi vorgestellt hat. Im September ist die Kreditvergabe von Banken an private Unternehmen im Euro-Raum im Vergleich zum Vorjahr um lediglich 0,1 Prozent gestiegen. Die Kredite an private Haushalte hingegen um 1,1 Prozent.

Schwemme ohne Flut

Das Programm sollte besonders sichere Staatsanleihen für Banken unattraktiv machen und sie dazu bewegen, mehr Kredite an die Wirtschaft weiterzugeben. In Österreich funktioniert das besonders schlecht. Laut den Zahlen der Nationalbank (OeNB) sind die Kredite für Unternehmen seit Jahresbeginn um rund vier Prozent rückläufig.

Gleichzeitig hat die OeNB im Rahmen des QE österreichische Bundesanleihen in Höhe von 8,75 Milliarden Euro gekauft, großteils von den Banken. Wo sind also die Milliarden hin, die Finanzinstitute für ihre Staatsanleihen bekommen haben?

"Wir hätten genug Geld. Die Kreditnachfrage von Unternehmen ist aber sehr zurückhaltend", sagt Matthias Raftl, Sprecher der Bank Austria, zur "Wiener Zeitung". Ähnliches hört man auch bei der Raiffeisenbank. "Für die Kreditvergabe ist das QE kein Faktor. Österreich ist für Investitionen im Moment einfach unattraktiv", sagt Raiffeisen-Analyst Valentin Hofstätter. Die Unternehmen seien äußerst zurückhaltend und würden Reserven horten, statt ins eigene Geschäft zu investieren. Und so bleiben die Milliarden eben bei den Banken, die damit ihre Liquiditätspölster auffüllen.

Eine Kreditklemme, wie zuvor seitens Wirtschaftskammer beklagt, will man jedenfalls weder bei den Banken noch bei der Notenbank sehen. Dass in Österreich wenig investiert wird und damit wenig Unternehmenskredite nachgefragt werden, hat mehrere Gründe.

Schlechte Laune bei Firmen

Laut der "Global Innovation 1000"-Studie von "Strategy&" sind die Innovationsbudgets österreichischer Unternehmen im vergangenen Jahr um 2,5 Prozent gesunken. In seiner Wirtschaftsprognose rechnet das Institut für Höhere Studien für heuer mit einem Rückgang der Investitionen um 0,5 Prozent.

"Österreich droht ein Rückfall in die Lethargie, die Konjunktur dümpelt dahin." Der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Christoph Neumayer, zeichnet ein düsteres Bild. Tatsächlich ist die Stimmung bei den Unternehmen, was Investitionen angeht, besonders schlecht. Das IV-Konjunkturbarometer zur Geschäftslage im Moment und in sechs Monaten ist auf dem niedrigsten Wert seit 2014. Das liege am mangelnden Vertrauen in die Politik und schlechter Konjunkturaussichten. Auch 2016 wird kein rasanter Aufschwung erwartet und Firmen halten sich mit Investitionen zurück.

Das bestätigt auch Marcus Scheiblecker vom Wirtschaftsforschungsinstitut: "Die Unternehmen fühlen sich nicht kreditbeschränkt, aber warum sollten sie investieren, wenn der Umsatz nicht aussichtsreich ist." Wer von den Anleihenkäufen der EZB profitiert, sind die Euro-Staaten selbst. Sie zahlen deutlich weniger Zinsen für ihre Schulden, weil diese durch das QE gesunken sind. Österreich hat heuer erstmals Negativzinsen, also Geld, für einen Teil seiner Staatsanleihen bekommen.