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Der schmutzige Krieg im Netz

Von Werner Reisinger

Politik

Falschaussagen und Verhetzung: Der Hass im Internet nimmt zu. Die Grünen ziehen vor Gericht.


Wien. "Abg. KORUN fordert mehr ASYLRECHTE. 20 Asylwerber sollten sofort ein Mandat zum Nationalrat erhalten um mitstimmen zu können, daher (sic) es um ihre Zukunft geht." Eines von zahlreichen Postings, wie sie seit Wochen in den sozialen Netzwerken kursieren. Im Bild zu sehen: die grüne Nationalratsabgeordnete Alev Korun am Rednerpult im Parlament, das Farbdesign gleicht fast exakt jenen Postings, mit denen die ORF-Sendung "Zeit im Bild" Zitate aus Politiker-Interviews auf ihrem offiziellen Facebook-Auftritt postet. Der Name der Seite lautet "Leid im Bild" und hat bereits über 2500 "Gefällt mir"-Angaben. Die Betreiber versuchen, den Eindruck einer Satireseite zu erwecken. Satire als Vehikel, dem politischen Gegner Aussagen in den Mund zu legen, die er nie getätigt hat. Denn, so offenbar die Annahme, Satire darf alles. Die Kommentare unter dem Eintrag sind politisch recht eindeutig zu verorten. "Wer stoppt endlich diese Grüne Pest, diese Krankheit muss ausgerottet werden", postet beispielsweise Peter C. - mit vollem Namen, wohlgemerkt. Acht Personen "gefällt das", 338 haben den Beitrag mit dem falschen Korun-Zitat "geteilt", also weiterverbreitet.

Vermeintliche Satire

Das Ziel: maximaler Schaden für den politischen Gegner. "Die Grenzen sind eindeutig überschritten", sagte der grüne Mediensprecher Dieter Brosz am Mittwoch bei einem Hintergrundgespräch zur "Wiener Zeitung". Der grüne Parlamentsklub werde ab sofort verstärkt juristisch gegen derartige Einträge in sozialen Netzwerken vorgehen. Nicht nur die Zahl an beschimpfenden, beleidigenden und verhetzenden Postings gegen grüne Politiker habe zugenommen. Neu sei vor allem das vermehrte Vorkommen von Postings mit frei erfundenen Zitaten, die den Politikern in den Mund gelegt würden - oft in Gestalt von vermeintlicher Satire. So auch im Fall von Monika G. aus Kaltenleutgeben. Sie postete ein Foto der grünen Bundessprecherin Eva Glawischnig mit dem Kommentar: "Oh mein Gott. Armes Österreich!" Im Bild zu lesen: "Schutzsuchende müssen das Recht haben, auf Mädchen loszugehen! Alles andere wäre rassistisch Flüchtlingen gegenüber." Es entsteht der Eindruck, dass es sich um ein tatsächliches Zitat Glawischnigs handle. Aus diversen Postings gehe hervor, dass G. zumindest im Umfeld der FPÖ Kaltenleutgeben aktiv sei, so Brosz.

Abschreckende Wirkung

"Wir haben gegen Monika G. bereits einige rechtliche Schritte eingeleitet." Im Rahmen einer zivilrechtlichen Klage gebe es unter anderem medienrechtliche Anträge wegen des Delikts der üblen Nachrede, zudem klage man auf Unterlassung, Schadenersatz und auf Veröffentlichung des zu erwartenden Urteils auf Facebook. Die Strategie der Grünen: Einzelne Fälle, bei denen klar sei, dass sie aus dem Umfeld der FPÖ stammen würden, herauszugreifen und zu klagen. Damit soll klargemacht werden, dass man nicht mehr bereit sei, die Hetze im Internet hinzunehmen. Zudem setze man auf eine abschreckende Wirkung durch die erheblichen Kosten, die im Falle eines Urteils auf die Beschuldigten zukommen würden. "Im Falle von Monika G. geht es um eine Summe zwischen 8000 und 25.000 Euro, je nachdem, ob Frau G. Rechtsmittel ergreift oder nicht", sagte Brosz. Schwierig sei jedoch der Tatbestand der Verbreitung "falscher, beunruhigender Berichte". Hier müsse nämlich die bewusste Verbreitung von Falschaussagen bewiesen werden. Dies sei oft schwer feststellbar, so Brosz.

Hans Peter Lehofer, Medienrechts-Experte an der Wirtschaftsuniversität Wien, schätzt die Situation ambivalent ein. Es sei einerseits verständlich, dass nun vermehrt der Rechtsweg beschritten würde. Das Internet sei kein "rechtsfreier Raum". Da es aber lange verabsäumt wurde, geltendes Recht durchzusetzen, wäre bei den Hasspostern der Eindruck entstanden, dass ihre Handlungen ohnehin keine Konsequenzen nach sich ziehen würden. "Andererseits stellt sich die Frage, ob hetzerischen Inhalten durch juristische Schritte nicht noch mehr öffentliches Gewicht gegeben wird", so Lehofer. Die Klagen würden es den Postern ermöglichen, sich als Opfer darzustellen, denen man das Wort verbieten würde. "Das politische Risiko ist groß", so Lehofer.

"Bei der großen Anzahl an Fans und Kommentatoren auf unseren Facebook-Seiten ist es unmöglich, alles genau zu kontrollieren", sagte am Mittwoch FPÖ-Pressesprecher Martin Glier zur "Wiener Zeitung". Man habe bereits spezielle Filter installiert, die strafrechtlich relevante Inhalte aussortieren würden. Es sei zudem "nicht auszuschließen", dass die Grünen selbst hinter einigen der angesprochenen Postings stecken würden, so Glier.