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Der Gipfel kreißte und gebar ein Tendenzpaket

Von Simon Rosner

Politik

Regierung und Sozialpartner einigten sich auf vier Schwerpunkte zur Linderung | der Arbeitslosenproblematik. Die Wirtschaft freut sich über die Senkung von Lohnnebenkosten.


Wien. Tata! Die Regierung hat der deutschen Sprache wieder ein neues Wort geschenkt: das Tendenzpaket. Im Vorjahr hat Verteidigungsminister Gerald Klug mit dem Begriff "situationselastisch" eine Kreation geschaffen, die ihm den Titel bei der Wahl zum Wort des Jahres einbrachte. Nun also hat sich auch Vizekanzler Reinhold Mittlerlehner wortschöpferisch betätigt, als er das Ergebnis des Arbeitsmarktgipfels wörtlich als "Tendenzpaket" bezeichnete.

Was muss man sich nun darunter vorstellen? Es sei, so erklärte Mitterlehner selbst, kein "Morgen-ist-alles-gut"-Paket. Es ist anzunehmen, dass die Zahl der Arbeitslosen auch nach dem Gipfel der Regierungsspitze mit den Sozialpartnern steigen wird, einige der beschlossenen Maßnahmen greifen auch erst ab 2017.

Die Handlungsspielräume der Regierung sind in der Arbeitsmarktpolitik aber auch gering geworden, etwa durch budgetäre Restriktionen. So wären Milliarden-Investitionen der öffentlichen Hand durchaus wirkungsvoll gewesen, vernünftig aus budgetärer Sicht wären sie freilich nicht.

Die Regierung präsentierte also ein von fiskalpolitischer und sozialpartnerschaftlicher Vernunft getragenes Paket mit vier Schwerpunkten: ein neues Wohnbauprojekt, eine Senkung von Lohnnebenkosten, Geld für aktive Arbeitsmarktpolitik sowie das Bonus-Malus-System zur Förderung Älterer auf dem Arbeitsmarkt.

30.000 Wohnungen

Die größte, direkte Auswirkung für die Beschäftigung ist vom Wohnbaupaket zu erwarten. Das ist jedoch nicht neu. Beschlossen wurde es schon im März, die Umsetzung gestaltete sich allerdings schwierig. Unter anderem mussten Haftungen übernommen und eine Wohnbauinvestitionsbank gegründet werden. Mit dieser Konstruktion sollen nun erstmals Mittel von der Europäischen Investitionsbank für den Wohnbau in Österreich abgerufen werden. In den nächsten fünf Jahren sollen dadurch insgesamt 5,75 Milliarden Euro bewegt und 30.000 neue Wohnungen gebaut werden.

Diese Maßnahme soll auch helfen, die Wohnkosten zu reduzieren. Im Zuge dieses Projekts wurde auch das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz reformiert. Unter anderem ist nun bei Genossenschaftsbauten nicht mehr die Zustimmung aller Mieter für Sanierungen nötig, es reicht eine Drei-Viertel-Mehrheit. Auch das sollte die Bautätigkeit anregen.

Der zweite Schwerpunkt beim Arbeitsmarktgipfel betrifft eine Senkung der Lohnnebenkosten, die von der Wirtschaft seit Monaten eingemahnt wird. Wobei sich Mittlerlehners Schöpfung des "Tendenzpakets" vor allem auf diesen Punkt beziehen dürfte. Ab 2016 wird in einem ersten Schritt die Abgabe der Betriebe in den Insolvenzfonds um 0,1 Prozentpunkte gesenkt, ab 2017 reduzieren sich dann die Zahlungen in den Familienfonds (Flaf) in zwei Schritten um 0,6 Prozentpunkte.

Derzeit muss der Dienstgeber vom monatlichen Bruttogehalt eines Arbeitnehmers 0,55 Prozent in den Insolvenzfonds und 4,5 Prozent an den Flaf ausschütten. Bezogen auf das Durchschnittsgehalt eines Angestellten bedeutet das für 2016 eine Einsparung von 26 Euro pro Arbeitnehmer - und zwar jährlich. Das grenzt eher an Homöopathie.

Familienfonds wird gerupft

Wirklich zu merken wird es für die Betriebe erst im Jahr darauf, wenn die Einsparung auf rund 150 Euro klettert. Vor allem für die personalintensiv aufgestellten Industriebetriebe, die zuletzt besonders laut geklagt hatten, wird diese Entlastung spürbar. Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung, nennt es eine "standortpolitisch enorm wichtige Maßnahme".

Sie ist aber auch, um einen weiteren Begriff zu schaffen, als Feel-good-Paket zu verstehen. Von der Steuerreform profitieren die Arbeitnehmer, während die Betriebe weitere Belastungen aufgebürdet bekamen. Der Unmut der Wirtschaft war schon so groß, dass ihn auch die ÖVP-Spitze nach den jüngsten Wahlniederlagen zu spüren bekam. Insofern war der Schritt für Mittlerlehner wichtig, um den Grant der Unternehmer zu lindern.

Fiskalpolitisch bedeuten die geringen Einnahmen für den Flaf ab 2017 jedoch, dass dessen Schulden langsamer abgezahlt werden. Der Fonds soll ab 2016 Überschüsse von mehr als 300 Millionen Euro jährlich erzielen, durch das Ergebnis des Arbeitsmarktgipfels wird man ab 2017 diesen Pfad jedoch verlassen. Die Verschuldung des Flaf beträgt derzeit fast drei Milliarden Euro.

Bonus-Malus-light kommt

Fixiert wurde am Freitag auch die dauerhafte Unterstützung von benachteiligten Gruppen (Asylwerber, Ältere, Langzeitarbeitslose). Für sie gibt es derzeit Einstellungsförderungen, wobei der jährlich dafür zur Verfügung stehende Betrag 2016 um 50 Millionen Euro aufgestockt wird. Ab 2017 wird es dann dauerhaft 350 Millionen Euro geben. Laut Sozialministerium handelt es sich um eine gut funktionierende Maßnahme, da 60 Prozent der geförderten Arbeitnehmer auch nach Ablauf der Subvention angestellt bleiben.

Etwas überraschend kommt das von der Wirtschaft heftig bekämpfte Bonus-Malus-System ab 2018. Allerdings fällt die Pönale sehr gering aus. Wer einem älteren Arbeitnehmer kündigt, wird statt bisher 118 Euro (Auflösungsabgabe) das Doppelte bezahlen. "Die Wirkung ist da nicht groß", glaubt Helmut Hofer, Arbeitsmarktexperte vom IHS.

Die Regierung kann immerhin einen im Regierungsprogramm vereinbarten Punkt abhaken. Und wenn die Maßnahme gar keine Wirkung zeigt, kann ein bestehendes Gesetz auch nachgeschärft werden. Insofern war es sinnvoll, zunächst eine Mini-Version zu beschließen statt gar keiner. Vielleicht deshalb auch das "Tendenzpaket".

Chancen auf den "Wort-des-Jahres"-Titel hat der Vizekanzler übrigens nicht mehr. Just am Freitag wurden die Nominierungen publik - ohne "Tendenzpaket". Die Regierung ist aber auch heuer vertreten: mit dem "Durchgriffsrecht" in Sachen Asyl.