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Undurchsichtige Flüchtlingshilfe

Von Siobhán Geets

Politik

Grüne werfen Außenministerium Kürzungen bei "laufenden Zahlungen" an internationale Hilfsorganisationen vor.


Wien. Es sollen nicht noch mehr Flüchtlinge kommen. So lautet, bei allen Differenzen zwischen den EU-Mitgliedstaaten der allgemeine Konsens in der Flüchtlingskrise. Doch bei der Unterstützung von Hilfsorganisationen, allen voran der UNO, geizen die Länder.

Österreich scheint da keine Ausnahme zu sein. Das Außenministerium plant, die laufenden Beiträge an internationale Hilfsorganisationen wie die UN für 2016 um mehr als 15 Millionen Euro zu kürzen. Dabei handelt es sich um fix im Budget eingeplante Summen - etwa im Gegensatz zum Auslandskatastrophenfonds, der spontan Geld lockermachen kann. Die Kürzungen betreffen zwar großteils Organisationen abseits der Flüchtlingshilfe, doch auch die Hilfe für den Entwicklungsfonds für Frauen Unifem soll um 22.000 Euro gekürzt werden. Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR soll den gleichen Betrag wie 2015 erhalten, das Kinderhilfswerk Unicef erhält 20.000 Euro weniger. "Angesichts der Tatsache, dass sich die Lage für Frauen und Mädchen in den Krisenregionen rund um Syrien verschlechtert, ist das absolut nicht akzeptabel", kritisiert die Grüne Nationalratsabgeordnete Tanja Windbüchler.

Die "verlorene Generation"

Tatsächlich ist die Situation in den großen Flüchtlingslagern Jordaniens prekär. In der Wüstensiedlung Zaatari, wo rund 80.000 Syrer untergebracht sind, herrscht Chaos, es mangelt an allem: Nahrung, Kleidung, Schulen und Beschäftigung für junge Menschen - mehr als die Hälfte der 630.000 syrischen Flüchtlinge in Jordanien sind Kinder. Das UNHCR spricht von einer "verlorenen Generation": Kinder gehen nicht in die Schule und werden zum Arbeiten gezwungen. Frauen und Mädchen, die den Bomben des Krieges entkommen konnten sind auch im Camp nicht sicher vor Gewalt. Das Risiko, vergewaltigt zu werden, ist hoch. Viele junge Mädchen werden zudem verheiratet, damit ihre Eltern von der Mitgift das Nötigste kaufen können. Für jene, die außerhalb der Camps leben, ist die Lage noch schlimmer: Sie bekommen, anstatt monatlich 28 Dollar für Lebensmittel, nur 14 Dollar. Es ist also kein Wunder, dass sich immer mehr Flüchtlinge aus den Nachbarländern Syriens auf den Weg nach Europa machen.

Vom UNHCR, der seit Monaten um mehr Mittel für Jordanien kämpft, heißt es, dass die Staaten zwar Geld überweisen, es aber bei Weitem nicht genug sei. Für die Flüchtlingshilfe in Jordanien sind heuer insgesamt knapp 531 Millionen Dollar angekommen, 661 Millionen fehlen noch.

"Einerseits aufzuschreien, die Menschen sollten vor Ort unterstützt werden, und andererseits radikal zu kürzen ist mehr als bigott", kritisiert Windbüchler. Die Grüne weist darauf hin, dass ein Entschließungsantrag zum verstärkten Kampf gegen Gewalt an Frauen und Mädchen bereits Anfang 2014 einstimmig im Nationalrat beschlossen wurde. In einer parlamentarischen Anfrage wollen die Grünen nun wissen, was seither getan wurde. Was hat das Außenministerium etwa unternommen, um Kinder- und Zwangsehen zu reduzieren? Und in Punkt 6 heißt es: "Welche Projekte unterstützt das BMEIA konkret, um Zwangsehen vor allem bei syrischen Flüchtlingsfamilien in Jordanien und Libanon zu verhindern?"

Das Außenministerium widerspricht Windbüchler. "Es gibt keine Einsparungen bei den im Budget ausgewiesenen Kernbeiträgen für internationale humanitäre Hilfsorganisationen UNHCR und Ocha", heißt es. Die Beiträge an diese Organisationen würden sogar zunehmen, weil 2016 mehr Geld an den Auslandskatastrophenfonds fließe. Und die multilaterale Hilfe werde 2016 sogar von 12,5 auf "mindestens 18 Millionen" aufgestockt. Windbüchler betont, dass der Auslandskatastrophenfonds nicht mit den multilateralen und bilateralen Zuwendungen (Ada) verwechselt werden sollte: "Der Auslandskatastrophenfonds wird zwar 2016 von fünf auf 20 Millionen aufgestockt, er ist aber nicht für eine nachhaltige Unterstützung der Organisationen gedacht, sondern für rasches Agieren bei Katastrophen." Die UN könne sich darauf nicht verlassen: "Rasche Hilfe ist gut und wichtig, aber die langfristige und nachhaltige Unterstützung in den Gebieten auch."

Außenmisterium widerspricht

Zu den eingesparten 15 Millionen Euro heißt es aus dem Außenministerium: "Es handelt sich Großteils um Voranschläge für Österreich-Beiträge zu friedenserhaltenden Einsätze der UN. Da die tatsächlichen Ausgaben der UNO erst nach der Budgeterstellung feststehen, handelt es sich hierbei um Vorausschätzungen jener Beiträge, die die UNO erst zu einem späteren Zeitpunkt festsetzt. Die internationalen Verpflichtungen Österreichs in diesem Bereich werden jedenfalls in voller Höhe erfüllt. Die Kürzungen (2 Prozent) bei Unicef betreffen nicht primär den Humanitären Hilfsbereich. Österreich widmet stattdessen im kommenden Jahre mehr Geld für Bildungsprojekte im Libanon, etwa für syrische Flüchtlingskinder (150.000 Euro)."

Klingt verwirrend, ist es auch. Bei all den unterschiedlichen Fonds ist es schwer zu sagen, ob nun insgesamt gekürzt oder gar aufgestockt wird. Dass das Außenministerium die Hilfe für UN-Organisationen aufstockt, sieht Windbüchler im Budgetplan nicht: "Das gilt es nun für mich zu überprüfen."

Im Finanz- und Außenministerium wird aber dennoch darauf verwiesen, dass zur Bewältigung der Flüchtlingskrise und für Entwicklungszusammenarbeit insgesamt mehr Mittel zur Verfügung stehen werden. Bundeskanzler Werner Faymann hat von bis zu 30 Millionen Euro gesprochen. Diese Zahl taucht auch schon in einer Tabelle der EU-Kommission auf, in der die Brüsseler Behörde die Finanzierungszusagen der Mitgliedstaaten auflistet. Die Länder haben sich verpflichtet, Unterstützung in Höhe von mehreren Milliarden Euro zu leisten, nicht zuletzt für die Regionen, aus denen die Menschen fliehen. So haben sie versprochen, heuer und im kommenden Jahr 500 Millionen Euro in den syrischen Treuhandfonds und 1,8 Milliarden Euro in den Afrika-Fonds fließen zu lassen. Für das Welternährungsprogramm und weitere humanitäre Hilfe soll es 500 Millionen Euro geben. Die Mittel werden durch Geld aus dem EU-Budget verdoppelt. Doch was die Länder bisher fix zugesagt haben, liegt weit darunter: Gut 47 Millionen Euro beziehungsweise knapp 32 Millionen Euro für die zwei Fonds, fast 440 Millionen Euro für die anderen Programme sind zugesagt. In dieser Rubrik sind die bis zu 30 Millionen aus Österreich einberechnet; und zu den beiden Fonds will Wien mit jeweils drei Millionen Euro beitragen. Woher das Geld kommt, ist noch unklar.