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Quartiernotstand: Streit um Asylunterkünfte

Von Werner Reisinger

Politik

Immer mehr Asylsuchende müssen in Transitunterkünften wohnen, die dafür nicht ausgelegt sind.


Wien. Im Streit um die Unterbringung von Flüchtlingen zwischen Bund und Ländern wird ein neues Kapitel aufgeschlagen. Nach wie vor fehlt es in Österreich an Plätzen für Asylwerber in der Grundversorgung. Laut Innenministerium stellen derzeit rund 500 Flüchtlinge pro Tag in Österreich einen Asylantrag.

Die Bundesländer kommen mit der Schaffung von neuen Quartieren nicht nach - die bestehenden Unterkünfte sind so voll, dass rund 5500 Asylwerber, die längst in fixen Quartieren untergebracht sein sollten, in den Notschlafstellen wohnen müssen. Diese sind aber dafür gar nicht ausgelegt. 20.000 Plätze hatte man geschaffen, um die meist nach Deutschland weiterreisenden Flüchtlinge für eine oder zwei Nächte unterzubringen. Nur drei der neun Bundesländer bringen zurzeit so viele Asylwerber dauerhaft unter wie vorgesehen, nämlich Wien, Niederösterreich und Vorarlberg. Oberösterreich etwa erfüllt die Quote laut Innenministerium nur zu 94 Prozent - und das, obwohl hier Unterkünfte, die dem Bund unterstehen, und Landeseinrichtungen zusammengerechnet werden.

Nicht besetzte Plätze

Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) will sein Bundesland trotzdem nicht als Buhmann sehen. "Wir bemühen uns Tag und Nacht darum, neue Quartiere in der Grundversorgung zu schaffen. Ich erwarte mir Anerkennung und keinen Rüffel, wenn einmal ein paar Prozente fehlen", sagte Pühringer am Mittwoch im "Ö1-Morgenjournal". 150 freie Plätze gebe es momentan in seinem Bundesland. Zudem stellte Pühringer das jüngst beschlossene Durchgriffsrecht des Bundes zur Schaffung von Plätzen in säumigen Bundesländern in Frage und behauptete: "Der Bund braucht kein Durchgriffsrecht, wenn er Plätze nicht besetzt, die wir ihm anbieten."

Das Innenministerium sah das am Mittwoch anders: 600 Plätze würden in Oberösterreich fehlen, so der Sprecher Karlheinz Grundböck zur "Wiener Zeitung". Wie können Plätze frei sein, wenn insgesamt 600 fehlen? Das erkläre sich durch das Prozedere bei der Überstellung von einer Bundes- in eine Landeseinrichtung, sagte Grundböck. Nach der Meldung von freien Plätzen würden die jeweiligen Asylwerber zuerst informiert, danach einem Gesundheitscheck unterzogen, erst dann könne die Überstellung erfolgen. Das passiere nicht am selben Tag der Meldung. "Dass da in einer Momentaufnahme in einem Bundesland freie Plätze aufscheinen können, ist klar", so Grundböck, "aber sicher nicht im Ausmaß von 600 Plätzen." Pühringers Aussage, wonach das Innenministerium die Länderquoten künftig nicht mehr veröffentlichen wolle, relativierte man im Innenministerium. Die Zahlen auch säumiger Länder wolle man künftig weiter "anlassbezogen" veröffentlichen, tagesaktuelle Zahlen aber seien "nicht unbedingt sinnvoll".

Gravierende Koordinierungsprobleme zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ortete am Mittwoch Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer. Die Gemeinden wüssten zum Teil nicht, welche Unterkünfte in die Quote einzurechnen seien und welche nicht, zudem mache es keinen Unterschied, ob es sich um Transitquartiere oder dauerhafte Unterkünfte handle - die Gemeinden müssten in jedem Fall für die Versorgung der Asylwerber aufkommen. "Die Koordination muss auf völlig neue Beine gestellt werden", so Mödlhammer zur "Wiener Zeitung".

Misere in Wien

Wien ist als größter Ballungsraum besonders von der Quartiernot betroffen. Der Fonds Soziales Wien sprach am Mittwoch von rund 5000 Asylwerbern, die in den für 6000 Plätze ausgelegten Transitunterkünften mehr oder weniger längerfristig untergebracht seien. Trotz vieler bestehender Quartiere sei die Schaffung weiterer, dauerhafter Unterkünfte "eine Herausforderung", man suche intensiv neue Liegenschaften.